Glueckliche Momente

El Gran Roque / Venezuela, 22.10.2009

6 Uhr morgens. Tock-tock-tock – es klopft. Kein Grund panisch aus der Koje zu springen, denn das Klopfen kommt aus dem Cockpit – der Eigner gibt das Signal, dass das Frühstück fertig ist. Nun könnte man ja meinen, dass wir im Dauerurlaub sind und soo früh nicht aufstehen müssten, aber es herrscht das tropische „mit den Pelikanen ins Bett und mit ihnen auch wieder raus“-Prinzip. Jedenfalls scheint die Sonne, wir liegen vor dem friedlichen kleinen Örtchen El Gran Roque, ddie Pelikane platschen tatsächlich schon wieder im Sturzflug ins Wasser. Übrigens hat ein auftauchender Pelikan gern eine Mütze auf dem Kopf. Eine Möwen- oder Seeschwalbenmütze. Ich stell’s mir so vor: ein Pelikan kann einfach den Riesenschnabel nicht voll genug kriegen, da verliert vogel beim Auftauchen gern was, und so kann ein ausreichend fauler kleiner Seevogel mit ziemlicher Sicherheit etwas abstauben… Immer einen Lacher wert!

Als wir ankamen – nach der ersten durchwachten Nacht wie immer ein bisschen müde – sah ich Folgendes: eine karge Insel inmitten einer in allen Blau- und Grüntönen schillernden Wasserwelt, auf den Bergen ein paar Funkmasten , ein alter, imposanter Leuchtturm, viele offene Fischerboote am weißen Strand, kleine, einstöckige Häuschen unter Palmen, mit Dachterasse oder ohne, viel blau-weiß, grün, wasserfarben eben, oder kleine Nutzbauten aus Beton. Ein bisschen wie Griechenland, dachte ich. Von der SOLEIL, mit der wir zusammen eingelaufen waren, kam aber bald die Frage, ob man vielleicht schnell gemeinsam einchecken könne „… so prickelnd finden wir das nicht hier! Wir könnten eigentlich gleich heute noch weiter…“. Hm, ja, wir sind wohl von 11 Tagen „Robinson“ (naja – 5 Boote und Robinson?!) auf Blanquilla etwas verwöhnt – ich find’s aber doch auch ganz schön, mal eine venezolanische Fischersiedlung auf einer Hochseeinsel zu begucken, noch dazu eine, die mitten in einem marinen Nationalpark liegt. Gesagt, getan und eingecheckt. Und da wir 4 Stationen abzuklappern haben – Guarda Costa, Guardia Nacional, Inparques und Autoridad Unica Los Roques – zieht sie sich ein bisschen, die Expedition über die sandigen Wege, vom West- ans Ostende des Dorfes; wir gucken in beschauliche Innenhöfe von Pensionen, passieren die Schule, wo vor der Tür Ball gespielt wird und plumpsen an der baumbestandenen Plaza für ein kühles Getränk auf die Stühle einer Kneipe. Den von uns so geliebten Saft gibt es nicht, das hat seinen Grund: seit einigen Tagen ist das Versorgerboot überfällig, das mit dem Obst und den Gemüsen. Der Kneipenwirt preist seine Pizzen „… kreative Küche!“, mit dem halt, was noch übrig ist. Der Supermarkt hat vorsichtshalber geschlossen. Wegen „no hay!“ – gibt’s nicht. Aber morgen, morgen kommt das Boot bestimmt! Das alles trübt nicht den Eindruck vom Ortskern: wirklich hübsch, sauber, farbenfroh. Die Soleils sind besänftigt – und bleiben.

Obwohl wir noch nichts Versorgerbootmäßiges gesehen haben, machen wir am Folgetag einen neuerlichen Ausflug in die „Stadt“. Da kommen übrigens auf 900 feste Einwohner 60 „Posadas“, Pensionen oder Kleinhotels, und während am Tag „Venezuela“ vorherrscht, sieht man ab dem späten Nachmittag entsprechend viele vorwiegend europäisch ausschauende Touristen von Tauchbooten und Ausflugskatamaranen springen, diemden Tag in der umgebenden Inselwelt verbracht haben. Am Abend entfaltet sich dann ein sehr dezentes Touristengeschäft in ein paar kleinen Strandrestaurants und Bars, ohne allerdings allzu sehr zu lärmen, und gegen 8 werden die sandigen Bürgersteige auch schon wieder hochgeklappt. Wenn an den Wochenenden die Leute aus Caracas einfallen, wird das wohl ein bisschen anders, lauter, venezolanischer, das kennen wir ja aus Porlamar und anderswo…

Zurück zum Dorfspaziergang – natürlich, kein Obst, kein Gemüse. Wir sind ja mit 5 Möhren, 2 Gurken, einer Handvoll grüner Mangos sowie den verbliebenen 1 1/2 Kohlköpfen noch vergleichsweise glücklich dran, aber SOLEIL richtet sich auf ein paar Wochen Dosenfutter ein. Sauerkraut, Tomatensalat aus der Dose und so; dafür gibt es von den Fischern für – ja, eben keinen Appel! – und ein Ei einen riesigen Red Snapper. Insgesamt herrscht Zufriedenheit, mehr noch: Heidi strahlt! „Nix erwartet von der Insel, und so viel entdeckt! Das macht mich immer ganz glücklich!“ Uns auch. Andreas und ich gucken in die offenen Schultüren, viele selbstgemachte Poster, von „Geburtstag des Monats“ bis „Simon Bolivar“, volle Bücherregale an den Wänden, und alle Klassen sind mit mehr oder weniger alten Computern bestückt. Kaum werden die Schüler unserer ansichtig, bricht der Faxenmacher-Tumult los. Nicht für lange – auf ein unhörbares Kommando legen plötzlich alle die Köpfe auf die Tische, und es herrscht RUHE! Nur ein Mädchen linst mich einäugig durch ihr Geodreieck an und lacht. Gymnasialklassen scheint es auch zu geben – und gleich daneben?! Informacion steht über der offenen Tür, bestimmt ein ehemaliger Pausenraum. An der Wand reihen sich feinste Laptops; das Schul-Internetcafé. Die diensthabende Lehrerin lädt uns zu einer Runde Surfen ein, wir lassen uns nicht lange bitten, denn unsere Mails haben wir zuletzt vor mehr als 2 Wochen gecheckt (wie soll das bloß werden, wenn wir erst im Pazifik sind?!). Der Postkasten ist voll! Und so viel schöne Post! Rike, Iris, Hellmut. Dem kleinen Piet geht es gut, toll, und die Bilder sind zum Knuddeln, Ihr Müllers! Die Klimas, „on the Kim“, Unisono, 2 mal Post aus der „Vergangenheit“ – und der Hammer ist Beate; eine Mail auf die Roques, nach 40 Jahren… Wir freuen uns ein Bein ab und lesen und lesen. Danke, liebe Absender – wir melden uns aus Bonaire, sobald wir wieder online sind. Und danke natürlich an den Spender des Internetcafés, der uns auch noch kostenfrei surfen ließ. Na, wer wohl. Hängt an der Wand und guckt zufrieden und stolz auf uns glückliche Touristen hinab. El Commandante, el senor Presidente. Hugo, natürlich.

Der allerdings hat uns heute auch die Guarda Costa geschickt, die ein paar Bootslängen hinter uns liegt, und die doch einem on-dit zufolge gar keine Boote hat, um Kontrollen zu fahren. Zu dumm – wir sind, im Gegensatz zur SOLEIL, im Transit nach Bonaire hier, und unsere 48 Stunden laufen am Nachmittag ab. Wir müssen weiter, und eigentlich wollten wir noch ein bisschen genießen und durchs türkisfarbene Inselparadies bummeln. Es kann halt nicht immer nur glückliche Momente geben – spannende gehören auch dazu Mal gucken, wie es weitergeht, ob und wo wir uns verstecken können. Die Positionsreporte werden es Euch berichten. Oder der nächste Blogeintrag. Bis dann!