… oder: eine kleine Lehrstunde
Bonaire, 6.11.2009
Das war ja ein Ding, als wir vor 4 Tagen von den Roques zu den Islas Aves liefen: der Wetterbericht sagte ziemlich gemischte Verhältnisse an, so sah der Himmel auch aus, und kurz vor den Aves erwischte uns prompt ein riesiger Squall. Wie groß so ein Böen- und Regensystem ist, das sieht man leicht auf dem Radar, und natürlich laufen wir genau mit dem Wetter. Noch 4 Meilen bis zur Insel, wir müssen dieses Ding loswerden – also war „Bremsen“ angesagt, damit der Squall uns überholen kann. Die Aves sind zwar leicht anzulaufen, aber in die Ankerbuchten hinein muss man dennoch um ein paar Korallenriffe und Flachs zirkeln, und um so etwas zu sehen, braucht man Licht. Nicht diffuse Beleuchtung aus der grauen Wolkendecke Typ „Mitteleuropa“, wie heute, sondern hoch stehende Sonne, und die dann auch noch im Rücken, bitteschön. Von wegen… Also: Plan B, wir biegen ums Eck und bleiben in der ersten erreichbaren Bucht, da, wo die Fischer gern zum Reparieren hinfahren; und Fischer sind immer bemüht, sich allzu viel Arbeit zu ersparen, also ist eine Fischerbucht anzulaufen meist ein leichtes Unterfangen. Wir wollen gerade den Anker werfen, da krackelt der Funk. Die SOLEIL. Liegt eine Bucht weiter und will uns rüberlocken: „… alles gut zu sehen!“ Na dann, wir lassen uns gern überreden. Die erste Kurve geht auch leicht, als Seezeichen dienen uns zwei Pirogen, die die Fischer mit Sicherheit im Flachen geankert haben (je tiefer, desto Ankerkette, nach dem o.a. Fischerprinzip), und frau, mittlerweile auf den „granny bars“, den Stützen neben dem Mast, balancierend (je höher, desto Sicht!) sieht sogar die Korallen, alles easy. Die Kommunikation nach achtern ist ein bisschen schwierig, immerhin läuft ja der Motor, aber wir haben das alles im Griff, auch wenn das Wasser doch ziemlich einförmig dunkelgrün ausschaut. Andreas am Ruder: „… hier müsste dann demnächst auch noch ein Flach kommen…“. Hmh, ja, ich weiß – ich seh‘ nix. Tucker, tucker, ich starre ins Grün und plötzlich wird’s hell und heller und hellgrün. „STOP AUUUUUUF! STEUERBORD!!“ Baaah! Sonne im Rücken, wie schön wäre das gewesen… Klaus sitzt derweil auf der Soleil und betrachtet unsere Anreise aus ein paar hundert (!) m Entfernung. Und sagt später beim Ankommensschluck: „… ich wollte Euch schon über Funk rufen, aber da hörte ich Andrea schon brüllen!“ Ist doch schön, wenn eine Stimme ein paar hundert Meter reicht. Und sie reichte auch für ein heftiges Manöver seitens des Rudergängers – alles gut gegangen. Jetzt haben wir schon mal zwei „ratlines“ geschoren, damit ich demnächst in halber Höhe zur Saling schweben kann, dann trägt die Stimme auch weiter… Aber für die nächsten Anfahrten haben wir uns bilderbuchmäßige Wetterbedingungen und Sichtverhältnisse nach dem Lehrbuch bestellt. Sonne, hochstehend, im Rücken…