Punta Hermosa / Kolumbien, 11.12.2009
50 Meilen sind es noch bis Cartagena, wir liegen vor Anker in der „Bucht“ von Punta Hermosa, die tatsächlich eine Bucht, aber auf keiner Seekarte so eingezeichnet ist; ich denke, es muss interessant sein, Google-Earth zu konsultieren, darum die Koordinaten: 10 Grad 56,9 Nord, 75 Grad, 02 West. Der Rio Magdalena schaufelt seine Sedimente hier herunter, und so ändert sich der Küstenverlauf fortwährend, das „schlierige“ Bild zeigt es. Spannende Einfahrt, vor allem, wenn man im Dunst „das Haus auf dem roten Kliff“ sucht (Haus?? Kliff?? …rot???), aber wir hatten uns bis zur Oberkante Unterkiefer mit Wegpunkten eingedeckt, die letzten aus dem Oktober diesen Jahres (danke, GERMANIA und KIRA!), und so schnell schaufelt auch der Rio Magdalena nicht.
Da sind wir also, in Kolumbien. Wie hatten Vreni und Hans-Ruedi gesagt?! „… und die Strecke nach Cartagena, naja, da muss man dann irgendwann durch…“ So wollten wir es tun, so geschah’s. Es war eine leichte Reise, unter dem Strich (und eine ohne Vomex A-Bedarf, vielleicht sollte ich das immer hier ankündigen?!). Einen kleinen Schönheitsfehler hatte die Entscheidung, nicht auf den Monjes zu stoppen: wir waren damit 15 Stunden vor unserem Plan, und alle interessanten Punkte, Punta Gallinas, Cabo de la Vela und vor allem alle Schlupflöcher passierten wir bei Nacht, einzig Gaira/Rodadero hätten wir nachts ansteuern mögen. Aber der Schönheitsfehler hatte auch sein Gutes: wir waren früher als geplant, und erst in der letzten Nacht, als wir uns querab von den Ancones befanden, kam das etwas dickere Ende. Ich hatte mich bei moderatem Wind um 1 Uhr hingelegt; zum Abend hatten wir der geänderten Windrichtung wegen von „Schmetterling“ (= Groß mit ausgebaumter Fock) auf die klassische Passatbesegelung mit zwei Vorsegeln umgebaut, als mich Andreas um 3:15 weckt: „… ich würde gern die Genua wegnehmen, komm‘ mal rauf!“. Mir fliegen die Ohren weg! AKKA saust mit 9, 10 Knoten durch die Nacht, eine ordentliche Welle läuft hinter uns her. 30 Knoten bläst es locker, also weg mit der Segelfläche. So gondeln (!) wir leicht asymmetrisch getrimmt weiter, 2, 3 mal müssen wir dem Windpiloten auf die Kurs-Sprünge helfen (und arbeiten nun gedanklich an einer besser ausbalancierten Reffvariante). Ich kann danach nicht mehr einschlafen, obwohl die Bedingungen sich gut anfühlen – man weiß einfach nicht, ob es noch mehr aufdreht, wenn auch die GribFiles nichts Entsprechendes verkünden. So gibt es dann eine Premiere: Nach dem Wachwechsel um 4 legt sich Andreas auf die Ruderbank statt in die Koje, und wir können gemeinsam zwischen 6 und 7 einen bemerkenswerten Tagesanbruch beobachten. Es wird hell, aber mehr auch nicht. Komisch, wo bleibt die Sonne?! Die steckt hinter einer betonartigen Dunstwand, die gegen 7 Uhr kurz aufreißt und eine merkwürdige Wolkenformation freimacht , seltsam scharf geschnitten. Und dann „… jetzt kommt sie!“ Ein scharfer orangefarbiger Rand über den „Wolken“ – „betonartig“ war nur nahe dran, das ist STEIN! Wir sehen durch ein Wolkenfenster einen sensationellen Sonnenaufgang über der Sierra Nevada de Santa Marta. Der Blick auf den Pico Cristobal Colon entgeht uns zwar, aber wissen wir zumindest, was uns in den Ancones entgangen ist: ein Fast-6000er mit „Schneemütze“ in den Tropen, zu bewundern aus Fjorden mit norwegischer Anmutung. Aber man kann bekanntlich nicht alles haben, und dieser Sonnenaufgang war schon Geschenk genug. Kurz danach verschwindet alles wieder im Dunst. Mühsam klappen wir die Unterkiefer wieder hoch…
Um 10 Uhr morgens nähern wir uns der Mündung des Rio Magdalena, ein echter Schweinefluss, wir sind vor einer hohen (ham wir doch schon!) steilen Welle gewarnt waren, erdbraunes Wasser, Baumstämme, Schiffsverkehr hinein und heraus… Noch ist – bis auf den Verkehr – nichts zu merken, Andreas möchte Segel umbauen, ich meine, wir verschieben das lieber auf später. Hm, das Wasser wird bräunlich, die Welle nimmt ab, dass KEINE Baumstämme umher schwimmen sieht man sehr gut; wir sind 5 Meilen draußen, hier schiebt der Fluss den Seegang eher glatt! Sehr nett, und schon bald sind wir durch. Den Ausbaumer an der Fock abgebaut, Schoten eingestellt, ein bisschen Großsegel dazu, und raumschots Richtung Punta Hermosa.
Das war’s! Der Schönheitsfehler in unserer Planung war ein günstiger – in jedem Fall hätten wir länger von Wind und Welle gehabt, wenn wir die ganzen Sehenwürdigkeiten abgepasst hätten. Quatsch – dann säßen wir wohl jetzt ziemlich aus der Puste in einer der „Five Bays“, den schönen Ancones. Und warteten: Heute früh sagt Chris Parker auf seinem Karibik-Wetternetz Winde in Sturmstärke voraus, bis Mitte nächster Woche. Das ist hier nicht unüblich, und nun wissen wir, was der Satz bedeutet, den wir seit Monaten aus den Vorhersagen kennen: „… 10-15 knots, EXCEPT THE COAST OF COLOMBIA…“ Wohl wahr, hier bläst es ganz außerordentlich. Jetzt auch – aber wir hätten ein deutlich dickeres Ende erwischen können. Morgen mogeln wir uns an der Küste entlang nach Cartagena. Soll schön sein.