Wir sind …

Yansalardup/Kuna Yala, 24.2.2010

… schon drin! Nicht mal 7 Wochen haben wir gebraucht, um in Panama einzuklarieren, aber das Zarpe aus Kolumbien hiess schliesslich: „Porvenir con escalas“, und diese Erlaubnis zu Zwischenstopps haben wir leidlich genutzt. Wobei ja ein Kolumbianer wohl niemandem erlauben kann, so lange in Panama umherzustoppen, aber danach wurde in Porvenir nicht gefragt und ich bin mir auch nicht sicher, ob man das Verfahren, das ja doch jenseits der Legalitaet ist, empfehlen sollte. Es machen Erzaehlungen die Runde, dass alle, die laenger als 1 Woche brauchen, um von Cartagena herzukommen, 100 und mehr DOllar „Strafe“ zahlen. Ich war also ein bisschen nervoes, als ich zum Immigration Officer ging, immerhin hatten uns die NAUTIBEARen auf „… der wird ganz schoen sauer sein… das muesst Ihr dann aushalten!“ eingestimmt. Nix – der Stempel im Pass war nach 10 Minuten drin, Einreise am 23.2. Dann – schlimmer noch als die Immigration – der Hafenkapitaen, der auch die Zollbelange erledigt: beidhaendiger Haendedruck, fehlte nur noch die Umarmung. Papier, Papier, Stempel, Stempel, Stempel – wir sind drin, und duerfen bis zum 23.4. in Panama bleiben.

So haben wir dann gestern mit der HIGH STATES noch einen Gang durch’s benachbarte Waichahuala gemacht, auf der Jagd nach Brot. Augenfaelliger Mix! Die Baeckershuette eine typische Kunahuette, aus dem Augenwinkel zaehlte ich im Halbdunkel 11 Haengematten, davon 3 besetzt, die Brote fast doppelt so gross wie die normalen, also durchaus den 50%igen Preisaufschlag wert. Aber 10 Stueck für 1,50 signalisierte schon: draussen tobt das andere Kunaleben, das, von dem Sabine schon gesagt hatte, dass die Kunas ein bisschen abgebrueht erschienen. Jede 2. Huette ein Mola-Verkaufsstand. Bakke mola, bakke mola. Hier, an der Punta San Blas werden augenscheinlich viele Touristen angekarrt…

Jedoch auch ohne, dass wir hier keine wirklich schoenen gefunden haetten: Molas waren fuer uns schon abgehakt, denn wir kamen ja aus dem Shoppingparadies zwischen Green Island, den Coco Banderos und Cangombia. Die Woche dort, in Esnarsdup, hatten wir genossen, denn sie ging einher mit den Annehmlichkeiten der Ankerplaetze nahe an den zivilisierteren Orten, insbesondere Carti. Das ist das Dorf, wo auch die grossen Kreuzfahrer anlegen und ihre Ladung auf die Molaverkaeuferinnen loslassen (oder umgekehrt). Seit nicht allzu langer Zeit kann man Carti per Urwaldpiste erreichen und das heisst, die gesamte Umgebung ist mit feinen Dingen wie Obst und Gemuese deutlich besser versorgt als wir es in den vergangenen Wochen erlebt hatten, wo nur der gelegentliche Besuch eines kolumbianischen Haendlers fuer Frisches sorgen konnte. Auch unsere Laedchen in Nargana beziehen ihre Kostbarkeiten via Carti und drehen meilenweite Runden ueber die Ankerplaetze ringsum; das „Veggie-Boat“ der Tienda Ortiz fuhr gleich, nachdem er bei uns in Esnarsdup Kohl und Eier und Ananas abgeliefert hatte, weiter um Nachschub zu bunkern. Noch mehr als Ortiz wird bei den Seglern die „Tienda Eidi“ geruehmt, zu Recht, und da gab es sogar 2 gefrorene Huehner fuer uns. Aber ein weiterer Besucher fehlte immer noch, und der konnte nicht lange ausbleiben. Sonntag um 7:30 war er da …“Ola! Amigo!“ Wir schoben unser Fruehstueck vor und man versprach spaeter wiederzukommen, aber es ist einfach unvermeidlich, irgendwann erwischt es jedes Boot: Molaverkaeufer an Bord… Dieser hier praesentierte eine schoen gestaltete Visitenkarte, Venancio – Master Molamaker, und dazu eine Empfehlung von Lynn von der HIGH STATES. Um es kurz zu machen: es war schwierig, aber auch schoen. Venancio hatte drei wasserdichte Tonnen dabei und entleerte diese nun in unser Cockpit, zig Molas , eine feiner als die andere. Und so haben wir nun doch „richtige“ traditionelle Molas gekauft. Zwei symmetrische – „Tanzende Kunas“ und „Wellen“ – fuer den Wechselrahmen im Salon, eine schlichtere wird – nach Ueberlegungen, ein Mola-Kleid zu schneidern – nun zum Mola-Rucksack, dazu eine mehr gegenstaendliche mit stilisierten Pelikanen „nur so“. Und ploetzlich verstehe ich gut, was andere zu immer neuen Mola-Kaeufen treibt – es gibt wirklich sehr schoene. Die NAUTIBEARen haben mittlerweile 200, wie es hiess.
Nicht schlecht fuer den Geldbeutel also, dass wir bald hier aufbrechen – der Kanal ruft, und da ist Schicht mit Molas. Demnaechst verdingen wir uns in COlon als Linehandler, damit wir die Prozedur schon mal mitgemacht haben, ehe es uns an den Kragen geht.
Bis dahin: Palmeninsel, Riff und tuerkisfarbenes Wasser. Wir sind mittendrin!

Karneval in Nargana

Nargana/Kuna Yala, Panama 15.2.2010

„Buetz‘ misch“, schreibt der Neffe aus dem Rheinischen, und „Jeck, we can!“, was uns besonders gut gefallen hat. Wer sich angesprochen fuehlt: einen schoenen Rest-Fasching, Fasnet, Fasnacht, Karneval. Beinahe waeren wir dem entkommen, obwohl doch auch in Panama (fast) alles ruht zu dieser Zeit, aber wir sind ja noch in Kuna Yala, und da bereitet man sich derzeit eher auf den 85. Jahrestag der glorreichen Revolution vor. Um den 25.2. herum wird das Kuna-Leben ruhen; dem hat man allerdings hier in Nargana schon weitgehend abgeschworen: wir waren beim Sonntagsspaziergang geradezu schockiert, zwei Damen in Wickeltuch und Mola-Bluse zu begegnen – wir vermuten eine Familienfeier mit Besuch aus dem Hinter(ur)wald hinter dieser Art exotischer Verkleidung. Von der beschriebenen Kuna-Architektur – palmgedeckte Huetten mit Zuckerrohrwaenden – sind so ganz augenfaellig nur die Klos (Latrine heisst das, hiess es aus Deutschland, und so sehen sie hier auch aus; der Trend geht zur rostigen Wellblechverkleidung). Viele Haeuser sind schon fester geraten – ganz im Gegensatz zu den Sitten, die sind auch ueber die Bekleidung hinaus eher locker: wir beginnen wieder, das Dinghy anzuschliessen. Klau ist vielleicht nicht die Regel, aber Sabine hat hier ihre Tauchflossen eingebuesst, unliebsamer Besuch nimmt schon mal einen Festmacher mit oder was an sonst so gebrauchen kann. Angeblich… Es gibt Militaer und Polizei, Muelleimer auf den (unbefestigten) Strassen und einen Dieselgenerator, der fuer Strom im Dorf sorgt, und letzterer stand in den letzten Tagen nur 2 mal fuer je eine Minute still – wir wissen es genau, wir ankern naemlich direkt davor. Kuna-Zukunft. Die allerdings noch nicht so weit gediehen ist, dass es Internet gaebe. GEBEN tut es das schon, aber nicht jetzt: das Buero des Ministerio de Planificacion hat Karneval, bis zum Donnerstag; darueber hinaus bieten die Schulen in Kuna Yala haeufig Internetzugang an, aber die haben die ganz grossen Ferien, von Anfang Dezember bis Anfang Maerz. Und dabei waere es doch mal wieder ganz schoen, e-Mails anzuschauen. Seit 5 1/2 Wochen sind wir ohne – hoffentlich wartet da nicht der/die eine oder andere auf eine Antwort, die auf absehbare Zeit nicht kommen kann. Naechste Station: Esnarsdup, das ist wieder „weit, weit weg“, diesmal im Schnorchel-Wunderland. Email gibt es erst wieder im Wirtschaftswunder-Teil von Panama, in Linton oder Colon oder Panama City.

Klemen Fruchthandel

Rio Diablo

Klemen Fruchthandel auf dem Rio Diablo

Aber es gibt auch in Nargana noch Kuna-Leben: beim Dinghy-Ausflug den wunderschoenen Rio Diablo aufwaerts trafen wir Klemen, der uns gern alles Moegliche von seinem Feld verkauft haette, Bananen, Mangos, Ciruelas… Wir fuegen unserer Liste von Kokos-Erntemethoden eine dritte hinzu: Raufklettern, warten bis sie runterfallen und nun: mit langer Bambusstange pfluecken. Wir bestellen 3 Nuesse „mit Fleisch“ und 2 zum Trinken, als Zugabe gibt es noch eine Handvoll einer festen, kleinen Sorte Maracuja, die Klemen empfiehlt mit Pfeffer und Salz zu essen. Wir hoeren, dass „ladrones“, Banditen, aus dem Dorf naechtens hierher paddeln um die Bauern zu bestehlen, weshalb er seine Kokosernte-Bambusrohr muehsam im Unterholz versteckt. Die drei Dollar freuen ihn mit Sicherheit, und noch dazu durften wir ihn flussab nach Hause schleppen. Immer wieder deutete er in den Wald, zeigt auf eine mittelgrosse Wildkatze (mit „lecker-Essen“-Geste“) und Voegel – ein wirklich naturverbundener Waldmensch aus Nargana.
Noch einmal zurueck zum letzten Beitrag und dem Muellproblem: Ali, der Administrator schrieb, dass Bilder aus Kuna Yala den wintergebeutelten Europaeer zum traeumen anregen koennen. Ich hoffe, das bezieht sich nicht auf das letzte Strandbild?! Hier in Nargana wird der Muell fleissig gesammelt. Auf Nachfrage nach dem Verbleib der Saecke, die sich zum Abtransport auf den diversen Anlegern stapeln, werden wir mit einem froehlichen „… die bringen wir an Land!“ beschieden. Aus dem Sinn, das schon, nicht jedoch aus den Augen: wir sahen heute das Muell-Ulu hinueberfahren, und wenn man mit dem Fernglas hinterherschaut, dann sieht man die Muellsackhaufen am Strand liegen…

Uebrigens, es gab doch eine Karnevalsveranstaltung hier. Nargana ist durch eine Fussgaengerbruecke mit „Corazon de Jesus“ verbunden, das auch Akuanusadup heisst. Und eben dort trottete gestern eine Gruppe von Trommlern durchs Dorf, mit einem furiosen Auftritt auf dem Basektballplatz. Karneval in Kuna Yala?! In 5 Minuten vorbei. Ganz nach unserem Geschmack.

Zwangspause

Snug Harbour/Kuna Yala, Panama, 10.02.2010

Wir haben Snug Harbour in Lumbago-Harbour umbenannt – nicht der schlechteste Ankerplatz fuer einen ausgereiften Hexenschuss beim Eigner, die Bedingungen sind wirklich „snug“; der Name stammt noch aus Zeiten, als vorwiegend schottische Segelfrachter mit Handelschwerpunkt Kokosnuss hier Zuflucht suchten. Selbst heute, wo es draußen etwas weht, herrscht „Ententeich“ hinter den Inselchen. AKKA verhaelt sich ganz ruhig und wackelt ueberhaupt nicht, das tut dem Ruecken gut, auch verkuerzen sich dadurch „jetzt verlasse ich die Koje“-Aktionen auf nur wenige Minuten. Wir hoffen nicht, dass uns die Diclo-Tabletten ausgehen, bis wir weiterruecken koennen (mit Betonung auf „ruecken“). Im Zweifelsfall muessten wir vielleicht unser Nachbarboot anpumpen: gut ausgestattete Apotheker, die ihre Hilfe anboten. Bis dahin ueben wir uns im Geduldsspiel, Waermflaschenwechseln, Rueckenmassage und Diclo-Gel-Auftrag.

Derweil hat die Eignerin Zeit, die ganz alten Langzeitprojekte zu beenden, und Heimkino ist natuerlich willkommene Abwechslung.

Und dann ist da ja noch der Haushalt. Gestern kam eine Staude Bananen vorbei, Kostenpunkt 1 Dollar; ein Kuna namens Karid ist unermuedlich mit seinen Angeboten, von Politur bis Muellabtransport. Was Letzteres betrifft, ist dies ein echter Geldschneidertrick: dem vertrauensseligen Segler wird vorgegaukelt, dass man in Playon Chico (oder anderswo) ein Muellfeuer entzuenden wird, und fuer eine kleine Servicegebuehr werde unser Muell mitgenommen. Aus berufenem Munde hoerten wir, dass NIEMAND hier seinen Muell verbrennt; was wirklich mit dem Muell passiert ist besonders an den windwaerts gerichteten Straenden offensichtlich. Waehrend ich schon ein Berechnungsmodell fuer Strandverschmutzung aufgestellt haben (sehr einfach: Anzahl der Flipflops pro Quadratfuß, man koennte auch die PET-Flaschen dazu heranziehen), vertritt Andreas die Meinung, dass dies eine natuerliche Gegenmaßnahme gegen die Folgen der Klimaerwaermung ist: der Muellanstieg am Ufer wirkt dem Anstieg des Wasserspiegels entgegen. Wohlgemerkt: dies ist nicht allein ein Kuna-Problem.

Achitup Muell

Achitup Muell

Wie auch immer, ein bisschen zu sehr an Kunazeitvorstellungen orientiert ist besagter Karid, so dass ich gerade gebacken hatte, als er mit Kuna-Broetchen anrueckte; die fuer den Vortag geplante Brotlieferung war nicht angekommen. Dafuer kam am Sonntag Dilion. Das war der, der die Gemuesezwiebeln liefern wollte, was auch geklappt hat; wir schließen allerdings, dass die Lueckenhaftigkeit der Zahnreihen proportional zu der des Gedaechtnisses ist: „… ah, bananas!“, er tippt sich an den Kopf. „…aber hier ist das Brot…“ – nur dass wir zu diesem Zeitpunkt explizit keines gewollt hatten. Und die Limonen? Kopftippen… Immerhin gab es 2 von 6 Gemuesezwiebeln – fuer die Differenz gab es aber einen Grund: kein Geld fuer mehr, Gemuesezwiebeln sammelt man nicht am Wegesrand… Dieser Tage gibt es dann mal Krabbensuppe, mit Spinat und Kokos, à  la „Callalou“: ab und zu sind Centollakrabben im Angebot, Riesenviecher. Wenn mal wieder das Ulu vorbeigepaddelt kommt. Kuna Maybe Time. Unsere Versorgung ist jedenfalls gesichert. Irgendwie.

Ihr seht, auch mit „Bewegungsslapstick“ kann es einem gut gehen!

Ferien in Kunaland

Snug Harbour, Kuna Yala/Panama, 6.2.2010

Wenn es einem ganz fremd wird in seiner Umgebung, dann ziehen sich Mensch wie Schnecke gern in ihr Haus zurueck. So machen es auch die Segler, besonders die in Kuna Yala. Wir auch – seit Mono Island sind wir ziemlich „mono“ (oder manchmal „duo“ mit der HIGH STATES aus Victoria BC/Kanada). Hier gibt es nur vereinzelte Fischer-Ulus und wenig Kontakt… Viele andere Segler hocken wiederum zusammen, veranstalten Potlucks und Muellverbrennungsparties und nicht zu vergessen, die taegliche Kurzwellenfunkrunde. Ja, genau, auch hier, unvermeidlich: allmorgendlich wird ganz Panama auf 8107,00 kHz beschallt; general check-in outside San Blas, general check-in in the San Blas, Bekanntmachungen oder Fragen fuer/an alle, kurz „qst“, oder „traffic“ von Schiff zu Schiff, hier werden Sie geholfen… So stellten wir fest, dass „wir“ wieder drei AKKAs sind, weshalb ich es mir nicht nehmen lassen konnte, am Mittwoch auch mal das Wort zu erheben: „AKKA Aleman in Mono Island – we are 2 boats over here…“. Letztere Bemerkung am Mittwoch besonders wichtig, denn es wird ein general boat count veranstaltet, quasi eine woechentliche Volkszaehlung in Kuna Yala, ein merkwuerdiger Kontrast zu der relativen Abgeschiedenheit, in der wir uns seit 2 Wochen befinden. Die AKKA „Virginia“ und die „West Coast“ AKKA haben wir noch nicht gesichtet, zu weitlaeufig diese Kueste, gluecklicherweise; man knubbelt sich lieber in den Cayos Holandeses (von Sabine „ENOLA“, ihres Zeichens Koechin, gern „Hollandaise“ genannt) oder in den ebenso „leckeren“ Lemons, auf Ankerplaetzen, die „Swimming Pool“ heissen oder „Hot Tub“. Das alles liegt zwar auf dem Weg zum Kanal, aber noch ist es weit weg. Rein optisch und topographisch soll es schoen sein, Marke „tuerkisfarbenes Wasser mit Palmenstrand“. Besonders attraktiv: es gibt das Veggie-Boat, den fahrenden Gemuesehaendler, der laut Bine anbietet, was das Herz begehrt, Fruechte, Kartoffeln, Eier samt den dazu gehoerigen Hennen. DAS waere ja was… Langsam geht uns naemlich die Frischware aus, Cartagena und seine Maerkte liegen 4 Wochen zurueck, und ich habe mich bei den Zwiebeln etwas verschaetzt; da ich neuerdings wieder Joghurt mache, wird auch das Milchpulver zwar noch bis Panama City reichen, aber doch schneller zuneige gehen als gedacht; also schreibe ich schon Proviantlisten fuer die langen Pazifikpassagen, vorsichtshalber. Wie gut, dass heute mal wieder ein Ulu laengsseits kam – hoffentlich kommt es morgen wieder, denn ich habe 6 Gemuesezwiebeln bestellt, 3 Kokosnuesse und ein paar Bananen. Die Gegenbitte fuer den Service ist allermeistens „pastilla“, Bonbons; damit koennen wir dienen (bezahlt wird natuerlich auch). Der Kassierer von Playon Chico, der heute die 2,5 Meilen gepaddelt kam, um die Kuna-Kasse aufzufuellen, fragte allerdings nach einem Bier. Gab’s nicht, dafuer einen Trunk aus dem AKKA-Wassertank mit einer halben Limone.

Aridup Lobster

Aridup Lobster

Gestern kam noch ein Ulu, man sieht es (demnaechst, Ali, dem Administrator sei Dank!) hier… Unser erster selbst gekochter „Lobster“, eine Languste. Als ich heute frueh aufstand, war unser gestriges Abendbrot (das Tier, eine Kartoffelroesti, eine Joghurt-Knoblauch-Mayonnaise) schon im Logbuch ver“zeichnet“. Skizze vom Eigner – eine Languste mit langen Fuehlern und daneben? Sah aus wie ein Plattfisch. ?!? Ah! Ist ein Plattfisch! Bemerkung: „… lieber Kutterscholle als Lobster…“ Aber man kann schliesslich nicht alles haben, und, zur Erinnerung: die skandinavischen Knechte und Maegde des 19. Jahrhunderts durften auch nicht oefter als 5 mal die Woche Lachs kriegen. An der Haeufigkeit der Langusten gemessen war das bestimmt nicht unsere letzte, auch wenn wir heute keine gekauft haben; so weit oben auf unserer Delikatessenliste werden die nie landen, hoechstens als Hummersuppe.

Wie man sieht, sind wir nach dem vorsichtigen Kontakt mit der Kuna-Welt wieder auf dem Boden der AKKA-Tatsachen gelandet: Funkrunden und Lebensmittelverknappung. Uebrigens, wenn es gar zu doll wird mit der fremden Umgebung, gehort zu den Schneckenhaustaktiken auch gern mal ein Filmeabend. Geschehen in Ustupu. An Land „Kuna“ pur – und die AKKA-Crew gackert ueber „Schulze gets the Blues“. Bundesdeutsche Maennerhuete, 50er-Jahre-Schlafzimmer und Heimatverein. Ferien in Kunaland? Das waren Ferien VOM Kunaland..

Nuchus und Neuzeit

Ailigandi/Kuna Yala, Panama, 1.2.2010

Sanft naehern wir uns dem westlichen Panama, und mit ihm wird der Einfluss der Kunakultur geringer, auch wenn wir hier vor der Schule stehen, die nach Semral Colman (viel schöner auf Kuna: Olo Kinbipilele) benannt ist, dem „großen Fuehrer“ der Revolution von 1925, damals lockere 85 Jahre alt. Revolution. Gemetzel eigentlich, ein Gemetzel, bei dem die Kunas dank der Intervention der USA die Oberhand in ihrer Provinz behielten, und seitdem ist gluecklicherweise Ruhe. Ailigandi heisst unser derzeitiger Standort: diverse Betonhaeuser erzeugen schon ein etwas neuzeitlicheres Bild von einem Kuna-Dorf; auch Ustupu hatte ein paar, aber hier sind es doch – ueber die Klassiker wie Klinik, Polizei (!) und Schule – hinaus ein paar mehr: der grosse Kramladen zum Beispiel, eine Bibliothek, sogar ein paar Wohnhaeuser. Dennoch sind die meisten noch traditionelle Huetten , und die sind wie überall: gestampfter Sandboden (erstaunlich fest und sauber!), ein paar Hartholzstuetzen aus dem Urwald mit den allgegenwaertigen Ulus herangeschippert, dazwischen Zuckerrohr als luftiges Wandmaterial, ein Dach aus den Blaettern einer ganz speziellen Palme. Letzteres ist wirklich bemerkenswert: Haltbarkeit 15 bis 20 Jahre, das ist VIEL länger, als ein schnoedes Blechdach hier in tropisch-mariner Gegend braucht, um dahinzurotten. Damit der Passant (Meriki oder nicht) keinen direkten Einblick erhaelt, sind die „Waende“ von innen oft mit Stoff zugehaengt; dass das eine akustische Sperre waere, kann man nicht unbedingt sagen. Campingplatzakustik, sozusagen. Die Gassen sind ohnehin so schmal, dass wir gerade mal so durchpassen, meistens jedenfalls, es gibt auch „Prachtgassen“… Auf dem Beton-Basketballplatz mitten im Dorf verbringt die Jugend den Samstagabend, den frühen zumindest, bis zum „Licht aus“ um 18:30; was sie tut, wenn irgendwann der Stromgenerator ansprint und hier und da ein elektrisches Licht aufleuchtet, wissen wir nicht. Volleyball und Basketball sind jedenfalls ungeachtet der geringen Koerpergroesse der Kunas sehr beliebt, aber all diese Ballspiele lassen sich offensichtlich besser in Jeans, T-Shirts und fetzigen Tops spielen. Nix Molabluse und Wickeltuch… Beim Schwaetzchen mit Morris Anecleto, einem älteren Herrn in den späten Siebzigern, angetan mit weißem „Marriott Panama“-Polohemd, kommen wir drauf, dass wir nun seit mehr als 3 Wochen keine Autos mehr gesehen haben (nichts gegen unseren Broetchengeber, aber autofrei ist auch mal fein). Anecleto erzaehlt aus alten Zeiten, als kurz nach der Revolution amerikanische Missionare nach Ailigandi kamen, die Marvels, er Kuna, sie Amerikanerin, und die jungen Leute mit Religioesem, aber auch mit medizinischer Versorgung und der Vermittlung englischer Sprachkenntnisse beglueckten. Das ist heute anders, wir konnten es hautnah beobachten. Die Missionare von heute vertreten die texanische Baptistenkirche und sprechen Spanisch mit den Kunas. Mittwoch kommen sie her, wir haben sie schon in Ustupu getroffen, 30 an der Zahl, Laien-Missionare auf 5-woechiger Kunareise; wir sahen es mit Skepsis. Wie uns aber der Pfarrer der hiesigen „Marvel Iglesia“ glaubhaft machen konnte, gibt es tatsächlich viel zu klagen, und darum ist ihm auch gleich, welcher Konfession Missionare oder andere Hilfswillige sind. Von den 2400 Dörflern paddeln nur noch wenige hinaus zur Feldarbeit auf dem Festland; kaum jemand geht zum Fischen. Reis gibt es statt Yams, Tomaten kauft man beim Kolumbianer, der gelegentlich mit dem Schiff vorbeikommt, stattdessen laesst man die Kochbananenpflanzen vergammeln. Das Geld fuer’s Alltaegliche kommt aus Panama City, wo viele Verwandte leben. Waehrenddessen verteilen finstere Gestalten hier auf den Inseln von irgendeinem Strand aufgelesenes Kokain, Bier ist sowieso frei verkaeuflich. Die Pfarr- und Lehrersfamilie versucht gegenzusteuern, und wenn denn kein Gottesdienst oder Schulunterricht ansteht, stehen alle mit auf dem Feld und baut mit einer Handvoll motivierter Doerfler Limonen, Orangen, Bananen und Kokos an, und versuchen neu zu vermitteln, dass man doch hier eigentlich im Selbstversorgerparadies lebt. Auch Yams gibt es von Pfarrers Feldern, und so gibt es morgen Yams auf AKKA – wir kriegten eine Probierportion geschenkt, mit einer Gebrauchsanleitung aus erster Hand.
Ein bisschen Bedauern schwingt nun mit, wenn wir an die viel zu schnell vergangenen letzten Tage denken – man braucht doch viel mehr Zeit, um mehr als nur einen fluechtigen Eindruck von wirklicher Kunalebensart zu gewinnen. Der letzte Abend in Mamitupu brachte uns ein paar Einblicke mehr. Da sitzen wir mit Pablo und Jacinto zusammen, hoeren ueber Mindesteinkommen (20 Kokosnuesse pro Monat = 20×25 US-Cent); waehrend die Kokospalmen und ihre Ernte einzelnen Familien gehoeren, sind die vielen Fruechte des Waldes frei fuer alle, und 20 an AKKA verkaufte Limonen (1 Dollar) sind ein gewaltiges Zubrot fuer eine Mamitupu-Familie. Guy von der MOANA hat einen Mamitupiano gebeten ihm Tagua-Nuesse zu bringen, zum Schnitzen. Als er die 50 Nuesse in Empfang nimmt und die verabredeten 25 Dollar uebergibt, rennt die Hausfrau mit einem bis Achitupu sichtbaren Lachen im Gesicht los: ein HUHN muss her an diesem Feiertag. 25 Dollar, das heißt „Monate lang ausgesorgt“. Pablo Nunez ist ein Kuna, der eine Weile in England gelebt hat und sogar mit einer Englaenderin verheiratet war (das ist absolut Kuna-Pfui!), und der betreibt auf der „boesen“, ich erwaehnte es bereits, Landspitze der Insel Mamitupu ein „Resort“. Fangen wir mal mit dem neuzeitlichen Teil des Resorts an: man koennte auch sagen, Pablo betreibt ein mit Porzellanschüssel, – handwaschbecken und Wasserspuelung ausgestattetes Toilettenhaeuschen, klassisch auf Stelzen über dem Wasser, und dazu gehoeren 4 Kuna-Huetten mit Haengematten; 100% Kuna, denn andere Moebel außer Sitzklötzen sind hier unbekannt; mal abgesehen von den Huetten der Baecker, da steht mittlerweile ein großer Gasherd neben einer Propangasflasche (übrigens zahlen wir in Mamitupu wie in Ailigandi einen Merikipreis für Brot: 10 Cent statt 5 für die Einheimischen). Pablos Resort gruppiert sich um ein offenes Gemeinschaftsdach mit zwei richtigen Tischen und Stuehlen – hier kocht sein Schwager, Jacinto, was er am Tage einheimsen konnte. Sollten mal Gaeste da sein – Yachties werden mehr nach dem Lustprinzip bewirtet. Wenn es nichts zu fangen gab, dann gibt’s Reis mit Kokosnuss oder Yams mit Kochbananen und Linsen. Sonst Fisch („…zu viel Wind!“), Langusten („…zu aufgewuehltes Meer!“), alternativ Meeresfruechte der leichter auflesbaren Art. Wir kriegten handgesammelte Meeresschnecken mit Tomaten-Bananensauce. Lecker. Getraenke: Wasser, Weisswein (AKKA, Tetrapak aus Chile), Rotwein (MOANA. Frankokanadier, klar: Pomerol. Zugegeben, nicht ganz – PomerolFLASCHE, gefuellt mit suedafrikanischem Chateau de Carton). Alkohol aus Kunahand (und in Kunablut) ist, bis auf die schon frueher erwaehnte Feiertags-Chicha, auf den traditionellen Kunainseln absolut verpoent. Nur auf unserem Plaetzchen da draußen, wo sowieso die boesen Geister hausen und nur Meriki-Boote ankern, spielt Alkoholgenuss keine Rolle, und so greifen Jacinto und Pablo bei den mitgebrachten Bierdosen (unsere letzte aus St. Vincent!) zu. Was die Nuchus wohl dazu sagen… Tja, Nuchus. Wir waren eben doch schon nah an den Kunas dran. Ein Nuchu ist ein Amulett, und das gibt es hier in jedem Haus, in vielfacher Ausfertigung, kleine, große, schwache, kraeftige. Nuchus kann der Tourist kaufen, aber gekaufte Nuchus haben keinen Geist und keine Macht. Ich las im Bauhaus-Sailing Guide, dass man vor einer Weile seiner Crew Nuchus geschenkt habe, und seitdem sei Schuldzuweisung an Bord leicht: Grundberuehrung?! Der Nuchu hat lange keinen Kakaodampf mehr gerochen. Streitigkeiten?! Nuchu im Seegang umgefallen. Kopfschmerzen? Nuchu guckt aus dem Fenster statt auf die Koje..
Zurueck nach Ailigandi. Gestern sind wir mit dem Dinghy den Fluss hinauf gepaddelt, dorthin, wo die Ulus verschwanden. Als wir uns in der Flussmitte an einem Baumstamm festmachen um zu verschnaufen und genießen, kommen zwei Frauen in vollem Kunagewand vorbei (nicht nur die Maenner paddeln gut und ausdauernd, auch die Frauen koennen das hervorragend). Das Ulu ist leer, also sind sie auf dem Weg zum Feld. Denken wir. Aber sie kommen bald mit ebenso leerem Ulu wieder vorbei… ?!?? Als wir eine Flussbiegung weiter sind, loest sich das Raetsel ihrer Fahrt: es tut sich ein weitraeumiges Friedhofsgelaende auf, mit – wichtig! – schoenem Blick auf den Fluss. Kein Mensch weit und breit, dafuer aber gedeckte Tische, volle Flaschen, Fruechte unter den Palmdaechern, die die Graeber beschatten. Das war wohl eine Fahrt zur Totenversorgung. Es ist ein bisschen – gespenstisch?! Haetten wir vielleicht ein Nuchu mitnehmen sollen?! Uebrigens sind wir gerade beim Dorfspaziergang zusammen mit der der Crew der HIGH STATES einem kleinen Desaster entkommen. So neuzeitlich die Ailigandianos sein moegen – der Initiationsritus fuer die Maedchen ist klassisch: eine große Chichazeremonie, und die ist heute. Neugierig stecken wir den Kopf in die Chichahuette – Alkoholdunst wabert uns entgegen, nicht unaehnlich deutschen Schuetzenfesten. Schon wankt ein freundlicher alter Herr, den wir gestern auf dem Fluss trafen, auf uns zu: „Ah, los Alemanes!“. Er hat zwei Trink-Kalebassen in der Hand… Mit knapper Not koennen wir darauf verweisen, dass wir erst mal unsere Yamswurzeln sichern muessen. Jetzt hoeren wir von fern Getrommel, mit dem schon der Tag begonnen hatte, abgeloest von tiefen Wummerbaessen Marke „Disko“. Neuzeit?! Ja. Nein. Ob Nuchus wohl gegen KATER helfen? Das wird uns so verborgen bleiben wie manches andere hier in Kuna Yala.