Colón/Panamà¡, 30.3.2010, 6 Uhr früh
Guten Morgen aus Colón! Eben hat es ein bisschen geregnet, die Kabinentemperatur hat angenehme 31 Grad, das ist auch gut für die Brötchen, die ich gerade backe. Die Shelter Bay Marina, in der wir seit einer knappen Woche liegen, ist ein bisschen ab vom Schuss, und gestern gab es einfach keine Gelegenheit, einzukaufen oder zu backen. Wir kamen nämlich am Nachmittag von unserer ersten Kanalfahrt zurück – ein bisschen müde, denn die Nacht im Gatunsee ist kurz.
Aber wenn schon das Stichwort Kanalfahrt fällt, muss man eigentlich erste einmal wieder einen Bekenner-Bericht zum gleichen Thema vorausschicken.
Also, unsere erste „Kanalfahrt“ in Panamá war eigentlich die vom vorletzten Ankerplatz in Linton zur „Panamarina“, zum Internetgucken und Französisch-Essen, wir berichteten. Mangrovenkanal, die Einfahrt von hübschen Riffen bewehrt und zumindest tagsüber von Affen beschallt, eine geschlossenen Blätterdecke, die sich im glatten Wasser spiegelt, wunderschön.
Der Haken daran war, dass wir uns zum Abendessen in der Marina verabredet hatten, und das enthält natürlich eine Rückfahrt in der Nacht, in diesem Fall einer Neumondnacht, für die wir uns mit Lampen gerüstet hatten. Hinein ins Dunkle, Lorle und Walter starren hinter uns her, bis unser Licht auf der anderen Seite im Dickicht verschwindet. Es ist schön und ein bisschen unheimlich, einmal bleiben wir stecken, aber alles geht gut, AKKA freut sich, als wir an Bord klettern – oder freuten wir uns als wir auf AKKA…? Egal. Allgemeines Schulterklopfen. Zwei Tage später die Wiederholung der Aktion – Abendessen mit der „East Coast“-AKKA und nun schon eine routiniertere Rückfahrt. Es ist einfach toll, nachts durch diesen Kanal zu tuckern, und ziemlich bald schon stökern wir über die Korallen an der Einfahrt. Motor runter und off we go Richtung AKKA, mitten hinein in die weite Bucht. Ihr ahnt es schon. Ganz so „mitten“ drin waren wir dann doch nicht. Im Augenwinkel sehe ich etwas Weißes – worüber wir gerade gequatscht hatten, ließ sich nicht mehr rekonstruieren, aber so ganz „bei uns“ waren wir wohl nicht, denn das Weiße ist die Brandung. das Riff! Krach. Welle schwappt ins Dinghy – natürlich hatten wir die Rechner im Rucksack, das kommt immer gut im Salzwasser… Was für ein Scheiß! Wir mitten ins stockdunkle Wasser hinein, Tasten nach sicherem Stand auf den Korallen, und nach einer Weile schwimmt es wieder, das kleine Beiboot. GLOBETROTTER und seinen wasserdichten Beuteln sei Dank ist den Rechnern nix passiert. Nur zum Frühstück hatte ich ein Eignerbein auf dem (OP-)Tisch liegen: Seeigelstacheln in der Fußsohle, Betaisodona für die Korallenkratzer. Ts, ts. Kanalfahrerroutine…
Dafür gab es vorgestern Gelegenheit, Routine für die „richtige“ Kanalfahrt zu entwickeln. AKKA crew goes linehandling – die ENOLA wollte „durch“. Freundlicherweise holen die beiden uns in Shelter Bay ab. Die „Flats“, das Ankergebiet „F“, wo sich Lotsen und Yachten zusammenfinden liegt vor der Stadt Colón, die Marina dagegen auf der Nordseite des Kanaleingangs, gleich hinter dem Wellenbrecher, und das ist eine dreiviertel Stunde Taxifahrt auf dem Landwege (zuzüglich möglicherweise geschlossener Durchfahrt am ersten Schleusentor), und teuer ist die Fahrt dazu; nicht zu vergessen, dass vom Kai immer noch ein Wassertaxi zu den Flats braucht. Also heißt unser Taxi gleich ENOLA. Mit uns sind Helinä und Kalle von der ELAINE (finnisch-kehlig gesprochen e-leine), wir hängen auf den Flats die Reifenfender raus, riggen schon mal die Panamaleinen (4 mal 50 m äußerst handiges Polypropylen-Tauwerk; oh, Mann…), verspeisen erst einmal köstlichen Schweine- und Rinderbraten aus Sabines Profi-Ofen, und bayerischen Kartoffel- wie Ingwer-Möhrensalat. Das MUSS erwähnt werden, denn nun weiß ich, wie hoch die Latte hängt bei den Menuplänen für unsere eigene Kanalpassage; das lässt sich sogar bemaßen: ich kann unter dieser Latte erhobenen Hauptes durchgehen…
Aber kaum sind die letzten Bissen verschlungen („… lasst eine Portion für den Advisor übrig!“) kommt er auch schon, der „Advisor“. So nennen sich die Kanalberater für die Kleinschiffahrt – Lotsen braucht man erst ab 65 Fuß Länge, und die Adivsor sind entweder Lotsen in der Anlernphase oder Bürotäter der Kanalgesellschaft. Unserer heißt Franklin, und die Frage, ob er erst was essen will, erübrigt sich: „Heave anchor, we go…“. Eine halbe Stunde später versammeln sich ENOLA, HYDRA (Schweiz) und DALWHINNIE (Holland) zum Päckchen. Das Päckchenpacken ist ein bisschen anstrengend, denn man muss sich vorstellen, dass allein für meine Backbord-Heckklampenposition mindestens 8 Leute unterschiedliche Befehle geben oder Ideen haben: die beiden Advisor, die beiden Captains, unser Linehandler (ich) und 3 Linehandler von der HYDRA. Sagt einer der hiesigen Linehandler von drüben auf mein „.. you are driving me crazy!“, „… you just do what the captain says!“. Gegenfrage: „Which one?!“… Aber irgendwann ist es geschnürt, das Päckchen, das flugs in die erste Gatunschleuse verschwindet.
Hinter einen Containerfrachter, 1 Nummer unter der „Panamax-Größe“. 4 Affenfäuste kommen geflogen mit den Hilfsleinen – nicht für uns, sondern für die beiden Außenlieger, und deren Linehandler knoten Hilfsleine an Panamaleine, die die Handliner hoch droben auf der Schleusenmauer auf „Slack the lines!“ nach oben ziehen und auf einen Poller werfen. All das ist natürlich per Funk verabredet, die Advisor geben die Pollernummern nach oben vor und treiben auch schon mal ein bisschen an. Beim ersten Mal gucken wir etwas skeptisch, ob sich das Tor hinter uns schließen will – natürlich tut es das, und was folgt, kann man getrost mit „Fahrstuhl“ umschreiben. Es gurgelt und strudelt und strömt und drückt uns mit einem Affenzahn hinauf – kurz drauf schauen wir staunend hinunter auf das Ankerfeld, wo die Abendsonne die vielen auf Reede liegenden Frachter bescheint.
Während Lokomotiven den Containerfrachter vor uns in die nächsten Schleuse bugsieren, geleiten uns die Handliner an den Hilfsleinen hinterher. Drei Schleusen hintereinander geht das so, und zum Sonnenuntergang fahren wir hinaus in den Gatunsee. Päckchen aufschnüren, festmachen an einer großen Mooringtonne, der Advisor wird abgeholt – gute Nacht! Sehr gute Nacht, denn wir können im Süßwasser schwimmen. Besser: ich kann, die andere fürchten sich vor Kaimanen.
Der Rest ist schnell erzählt: am nächsten Morgen (ich bin gerade vom Früh-Schwimmen trocken hinter den Ohren) kommt das Lotsenboot. Um 5 Uhr 50 – O-Ton Frank: „… oh, nee!“. Dieses Mal ist der Advisor ein original panamesischer Reinhard, seines Zeichens „Scheduler“ bei der Kanalgesellschaft. Und da wir nun 25 Meilen über den See motoren, ist viel Zeit zum Quatschen, Frühstücken, Fotografieren. Kurz vor der Schleuse Pedro Miguel tritt der Wald bzw. das, was die Kanalerweiterung von ihm übrig lässt, zurück – und wir versammeln uns wieder, dieses Mal zu 3 2er-Päckchen, denn in der Dunkelheit sind noch zwei große Ketschen und ein Katamaran dazugekommen. Das heißt: wir, gestern noch als Mittelboot zum Zugucken verurteilt, kriegen auch Leinen zu „händeln“, was aber bergab doch ziemlich einfach geht; noch dazu bekommen wir eine „Sailing yachts only“-Schleusung verpasst, ohne Berufsschiffahrt. Da kann zumindest niemand für Strömung sorgen, wenn er seine(n) großen Schiffsschraube(n) anwirft. In der ersten Mirafloresschleuse ist das große Winken angesagt, Sabine und Frank haben Freunde und Familie vor die Rechner in Übersee gelockt und grüßen nun aus dem Panamakanal, live und in Farbe. Die Bilder sollen nicht schlecht sein – wer mal gucken will, klickt dieses Link, oder, noch schöner, die hochauflösende Kamera. Das gilt natürlich auch für unsere Schleusung, demnächst in diesem Theater.
Um 13 Uhr öffnet sich vor uns die Bucht von Balboa und ENOLA fährt unter der Puente de las Americas in den Pazifik hinein. Ein bisschen müde sind wir doch, auch wenn es nicht so viel Arbeit war, wie es hätte sein können.
Und jetzt?! Morgen wird AKKA vermessen, und dann geht es am Nachmittag gleich weiter. Nicht mit der AKKA auf Kanalfahrt, da sind noch ein paar bürokratischen Hürden zu nehmen (zum Beispiel Zahlung von Transitgebühr und Sicherheitsleistung – könnte ja sein, dass wir mit unserem AKKAmax das Schleusentor beschädigen …). Wir machen mal was ganz Tolles: wir sind Linehandler! Dieses mal nicht nur mit, sondern auch bei Helinä und Kalle auf ihrer ELAINE. Kanalfahrten tun nicht weh (jedenfalls meistens, siehe oben), und man kann vielleicht noch etwas lernen. Je Kanalfahrt, umso Erfahrung.
Bis bald!