Nochmal…

Las Brisas/Panamà¡ City,  5.5.2010

Noch einmal in die Stadt. Wir hatten uns gestern, nach dem aufregenden und nassen Vortag, ein richtiges Einkaufsprogramm verschrieben, Bücher, Stoffe, Nähzeug, Dieselkanister, Ersatzpropeller für den „großen“ Außenborder. Nicht dass der kaputt wäre – es wäre nur schön, wenn wir auch zu zweit das Beiboot zum Gleiten bringen könnten.

Noch einmal mit dem Vorortbus (25 Cent) in die Stadt und hinein ins Gewühl um die Plaza de Mayo. „Todo en Cuero“=alles aus Leder – ein Frauenparadies (wenn Schuster denn ein Frauenberuf ist…). Jedenfalls MEIN Paradies – frau könnte hier VIELES kaufen, allein das ganze Befestigungsmaterial, und die Garne, die Lederstücke aus der Grabbelkiste, ach, wäre doch die AKKA ein bisschen größer… Mit neuem PVC-Gewebestoff für’s doch schon sehr in Mitleidenschaft gezogene Dinghy-Cover bewaffnet eilen wir zur nächsten Station – Polstererbedarf EL TAPIZ. Das gleiche Spiel wie vorhin – ein Paradies in Polsterstoffen, wobei ich es mehr auf eine Vorratserweiterung in Sachen Markisenstoff Marke SUNBRELLA abgesehen habe. Es gehen dann auch ein paar Yard mehr über die Theke als geplant, aber das muss die AKKA nun (er)tragen können. Wir nähern uns dem Fischmarkt. Das Viertel ist – naja… nichts für jedermann, aber den Orangensaft vom Straßenhändler kippen wir mit Genuss, und es werden immer ein paar nette Worte gewechselt, auch wenn ich meinen Rucksack lieber mit Brust- und Taillengurt gegen „plötzlichen Zugriff“ sichere. Die zuvor eingesackten Stoffe sind mir lieb und wert. Der Tohatsuhändler um die Ecke hat leider keinen Propeller, aber immerhin doch ein paar Impeller, so dass auch der Eigner heute nicht ganz leer ausgehen muss. Busfahrt. „Via Espana/Calle 50/Los Pueblos“. Das ist unserer… Grell bunt, von Dieselschwaden umgeben, der Fahrer hockt hinter einem Sehschlitz wir der Europäer sie gemeinhin von Geldtransportern kennt. Das ist nicht so ein zivilisierter Vorort-Kleinbus, sondern einer dieser wundervoll stänkernden und lärmenden ex-Schulbusse aus US-Beständen. Ehrlich gesagt können wir uns nicht vorstellen, dass die USA derartig viele von diesen Dingern abschreiben, damit die hier ihren zweiten Frühling erleben und den gesamten Nahverkehr in Mittelamerika bestreiten?! Egal , jedenfalls sind manche der Busse tatsächlich noch mit gelber Farbe getüncht, man sieht es manchmal unter den fantastischen Airbrush-Malereien (oder auch dem Farbauftrag mit der Rolle) durchblitzen. Voll ist es, und es wird Richtung Via Brazil, wo wir einen Buchladen vermuten, immer voller. Also quälen wir uns frühzeitig Richtung Vordertür und steigen – die Gelegenheit ist günstig – ein bisschen zeitig aus. Wir nähern uns unserem Buchladen bergauf über die Calle  59 Este. Rechts ein üppig grüner, etwas verwilderter Park, links ducken sich unter den glitzernden Hochhäusern und schwindelerregenden skelettartigen Rohbauten feine, alte Villen aus den Zeiten, als die Amerikaner hier noch ihre „Canal Zone“ besetzt hielten, und neuere Villen aus den 70er , 80er, 90er Jahren. Wir benennen die Straße kurzerhand um: Calle Porsche. Vor fast jedem Haus steht ein Targa, ein Turbo, ein Cayenne – die eine oder andere Mama scheint den Nachwuchs allerdings nur mit gehobenen AUDI-Modellen zum Ballett karren zu müssen, wie enttäuschend!  So unvermutet, wie diese kleine Geld-Enklave begonnen hat, endet sie an der Via Brazil, ´wo wieder der Verkehr tost. Mittagspause! Gute Idee! Mit vielen Bürotätern sitzen wir auf einer Veranda, hinter uns röhren die Busse vorbei, vor uns liegt geschnetzeltes Rindfleisch und Huhn auf einem Bett aus Reis – für sehr kleines Geld. Die Porschefahrer kehren hier sicher nicht ein… Mit einer gewissen Hängemattenschwere erreichen wir EXEDRA BOOKS. Der erste wirklich gut bestückte Buchladen in Panamà¡. Zumindest was spanische Literatur betrifft – die Auswahl an Englischen beschränkt sich mehr auf das übliche „New York Times Bestseller“ und wenn es dazu nicht gereicht hat, dann ist der Verfasser wenigstens ein „New York Times Bestselling Author“. Aber für AMAZON ist es jetzt zu spät und die Krimis von EXEDRA müssen uns über den Pazifik helfen. Werden sie sicher auch – außerdem haben wir das Mehrfachlesen mittlerweile zur Kunst erhoben. Immerhin EIN sehr interessantes Buch über die Geschichte des Panamà¡-Kanals mit all seinen politischen und wirtschaftlichen, rassistischen und technischen Hintergründen haben wir ergattert. Und zum Schluss noch einen Kaffee in dicken Fauteuils geschlotzt. Kleine Zivilisationspause, ehe wir den finale n Trott durch die Mittagssonne zu zur Transistmica antreten. Letzter Punkt: Dieselkanister. Kann sein dass wir viel Kraftstoff brauchen werden – die Kalmen drohen mal wieder, und wir sind gerüstet.
Wir starren schon gebannt auf die Wetterkarten. Bis dann also, mitten vom Pazifik…

Großer Ankertest

Las Brisas / Panamá City, 4.5.2010

Grosser Ankertest, oder auch: Vormittagsspäßchen…

Gerade ist Mittagspause, mit schneller Chowdersuppe, AKKA hebt und senkt die Nase im Restseegang, MOMO neben uns sieht auch ganz schön schaukelig aus – selbst die Katamarane tanzen noch ein bisschen. Die Suppe haben wir uns verdient. Eigentlich hatte das Späßchen schon gestern mit einer Nachmittagsvorstellung angefangen – ich hatte gerade Heiner ueber Skype mitgeteilt, das es heute grässlich schwül sei und gewittrig aussehe, hatte Wetter eingeholt (das erste uebrigens von WETTERWELT!) und war wieder „nach AKKA“ gefahren. Es brist leicht auf, ringsum fing es schon an zu blitzen, also vorsichtshalber schon mal die Antennen abgeklemmt und dann im Cockpit lungern und die Dinge beobachten. Zum Beispiel RIGHT BEACON, ein US-Sportfischerboot mittlerer Groesse, das schon seit Tagen in angenehmen Abstand voraus ankert; wie immer ist keine Menschenseele an Bord. „Sag mal, bewegt der sich?!“ Glotz… „Jou, driftet achteraus!“ Aber wir sehen auch: der französische Katamaran in „Schusslinie“ bewaffnet sich bereits mit Fendern, man lässt das Dinghy zu Wasser, alles im Griff. RIGHT BEACON schwingt mehr oder weniger sauber am Kat vorbei, aber so schnell kann man gar nicht gucken, wie es a. weiter aufbrist und b. das Boot Richtung Mole treibt. Wir springen in unser Dinghy, mit (unser Benzinsparer-Neuerwerb!) 3.3 PS fuer eine Hilfsaktion ein bisschen schwach motorisiert, dafür packen wir unseren Zweitanker, Kettenvorlauf und Leine ein – das letzte was wir aus dem Funk hören ist, dass weiter in der Bucht ein Katamaran auf die Steine treibt. Nicht unser Bier gerade. Am Ort der Tat – knapp, knapp – sind schon die Franzosen und Brasilianer mit RIGHT BEACON zugange, und wir können noch ein paar Handgriffe tun, um das entlaufene Boot an einem schwimmenden Arbeitsponton festzubinden. Done – heimwaerts, der AKKA und den Blitzen entgegen. Sind wir nass geworden?! Nass ist gar kein Ausdruck. Immerhin wäscht der wütende (aber warme!) Regen das überkommende, ebenso warme Salzwasser gleich ab.
Und dann heute morgen – eigentlich ist der drittletzte aller vorletzten Pazifik-Einkaeufe angesagt, aber ich finde das Wetter mit Blick auf den Himmel „ungemütlich“. Wohl wahr. Innerhalb von Minuten legt der Wind mächtig zu und alle, die wir weit draußen „in“ der Bucht liegen, befinden wir uns plötzlich „draußen“ im auflandigen Wind und im vollen Seegang. Es wird unruhig am Funk, manche Eigner sind an Land und funken Dinge wie: „… there is a big spare Danforth anchor in the locker and a spare line. Can you take your dinghy and drop it for me?!“ Antwort: „I’ve got more than a handful to do with keeping my own boat in position…“. Dumm gelaufen. SALAMANDER treibt vorbei, aber Frau SALAMANDER, allein zu Haus, sieht unter ihrer Wäscheleine  eher hilflos aus… Was machen wir?! Richtig geraten, springen ins untermotorisierte Beiboot. Als Andreas bei der Engländerin an Bord steigt, ist es mal wieder knapp, ATILA liegt im Weg und ENDORFINE, aber gluecklicherweise ist ATILA gerade selbst „auf Reise“ gegangen. Kurz, es herrscht Chaos im Ankerfeld, und während ich versuche, das Dinghy an der Bordwand zu halten, springt endlich der Motor auf SALAMANDER an (ein klassisches Beispiel fuer, räusper, den Sinn von eingeübten „Notrollen“, für ALLE Crewmitglieder, geschlechtsneutral ausgedrückt). Als der Anker, den wir aufholen, gerade den Bug freigibt, hören wir durch den Wind ein „… I am coming!“. Na prima, der SALAMANDER-Eigner kann in Kürze übernehmen. In der Zwischenzeit sind vor uns 3 weitere Schiffe ankerauf gegangen, RIGHT BEACON ist auch wieder auf Reise, denn der Pontonbesitzer hatte ihn heute früh losgeschmissen. Hinter uns erreicht ein Kanadier gerade noch so sein Schiff, ehe es ungespitzt auf die Steine geht; der freundliche Franzose von gestern fängt sich beim eigenen Fluchtmanoever eine Leine in den einzig verbliebenen Prop, kann sich aber befreien. Puuh. Wir peilen die eigene Situation und geben ein bisschen Kette. 60 m haben wir draussen. Uwe funkt: „Ich hab‘ auch 55. Das müsste wohl reichen!“. Stimmt. Wie wir auch liegen noch ein paar andere Schiffe wie angenagelt. Prima.

Und jetzt?! Restseegang, Wind gleich null. Man glaubt es kaum. Ein feuchter Spass war das. Vormittags-Spuk.