Poe Ite Ite …

Fakarava, 30.7.2010

Tetamanu, das ist das Inselchen am Südpass von Fakarava und der frühere Hauptort des Atolls, das übrigens mal „Wittgenstein“ hieß, der baltische Entdecker Fabian von Bellingshausen wollte es so. Mittlerweile sind im Dorf nur noch 2 bewohnte Häuser zu sehen, an grasüberwachsenen breiten Wegen aus alten Zeiten; eine Kirche und der Friedhof, ein paar Steinhausruinen, alles verstreut unter Kokospalmen. Als es auf der Insel zu eng wurde, zog die ganze Bevölkerung 30 Meilen nach Norden, nach Rotoava am anderen Atollende, und hier kehrte die Ruhe ein, die wir jetzt genießen.

Wir waren „Drift-Schnorcheln“, zum wiederholten Mal, das Dinghy an der langen Leine und haben uns mit der Flut an der Riffkante entlang zurück ins Atoll tragen lassen, angefangen im Tiefblauen, wo man unter sich die Ammenhaie auf dem Grund schlummern sieht, ab und zu zieht auch ein grauer Riffhai dort unten vorbei. Wo es heller und grüner wird, steht ein freundlicher Riese, der große Napoleon, der uns mit seinen dicken Lippen (drum ist es ja auch ein Lippfisch!) anlächelt; täglich neu eine Sensation. Trompetenfische – eher unscheinbar oder knallig gelb. Königsblaue Schwärme von kleinen Riffbarschen. Eine Putzstation von Putzerlippfischen. Und überall Langnasen-Doktorfische, mit „Nasen“ in allen vorstellbaren Längen – die Alten kann man gut erkennen, dann werden Höcker auf dem Oberkopf so lang, dass das Abweiden von Algenrasen leider nicht mehr möglich ist; ein Diätwechsel muss sein: wir stellen um auf Plankton! Eine große Muräne, für die ich mir eigens nochmal die Kamera hatte reichen lassen, wird nicht abgelichtet. Ich gestehe, so groß, so ein zahnbewehrtes Maul in Greifdistanz und dieser unverwandte Blick – ich mochte einfach die Hand mit der Kamera nicht ausstrecken. Feigling!

Zum Schluss binden wir das Dinghy am Steg von TETAMANU Diving an. Glasklares, knöcheltiefes Wasser – so klar, dass es mir scheint, als flöge ein kleiner, knallig blauer Papageienfisch über trockenen Sand; da wo es wadentief ist, dreht ein Schwarzspitzenhai seine Runden – ich bin gerade an ihm vorbeigeschwommen, ein bisschen neugierig ist der Kerl, aber freundlich. Ein Bohlensteg, unter dem die Flut ins Atoll hereindrückt, führt zum Restaurant- und Kochhaus, das auf Stelzen im Wasser steht.
Jemand schlägt eine kleine Schiffsglocke an – Zeit für’s Mittagessen für die Taucher, und da heute nur ein Gast da ist – die anderen sind vor ein paar Stunden zum Flughafen abgereist – dürfen wir uns als Mitesser an den langen Tisch der Tauchbasis setzen, unter’s Palmblatt-Dach. Aus einem Lautsprecher dudelt Südseemusik; die gibt es abends sicher auch life, denn auf einem der Sofas lehnen drei Ukulelen. An die Dachstützen ist eine besondere Art der Pflanzendeko gebunden, Palmschösslinge „natur“, direkt aus der Kokosnuss, die man schlicht auf die Bodenbretter gelegt hat, und zwischen den Bohlen blitzt die blaue Tiefe herauf, mit all den blauen und violetten und cremefarbenen Korallen und dem ganzen bunten Fischreichtum, inklusive Schwarzspitzenhaien und anderen, die sich schon auf Fischgräten vom Mittagstisch freuen.
Dass Annabelle heute selbst kochen würde, hatte sie uns schon verraten. Hausmannskost – sind ja keine Gäste da, nur die Handvoll Mitarbeiter der Station. „Pure motu“, sagt sie, die wie ihr Mann Sane von einer der Nachbarinseln im Atoll kommt, „… vom nächsten Motu… “ wie sie sagt, und rattert los in ihrem schnellen, polynesisch gefärbten Französisch. Kokoswasser, Kokosmilch von der grünen Kokosnuss, Fisch – „… Kokosraspel und ein bisschen Mehl, etwas Zucker. Du formst Bällchen und kochst es in Kokosmilch – et voilà… Zu den Klösschen etwas gedünsteten Fisch, und jetzt nimmst Du etwas Salz, gießt etwas von der warmen Kokossuppe drüber und dann…“ – sie führt die Finger zum Mund und schlürft. „Muss man genau so probieren, mit den Fingern – das ist poe ite ite! Pure motu…“ Verschwiegen habe ich, dass es dazu eine große Schüssel „poisson cru“ gibt. Roher Fisch in Zitrone und Kokosmilch eingelegt. Unser Segelführer sagt, dass zu viel Kokosmilch abführende Wirkung hat (und dass man als Antidot vielleicht eine ordentliche Portion Guaven essen soll, das stopft dagegen…) Wir können das so nicht bestätigen – vielleicht sind wir schon dran gewöhnt. Hausmannskost à la motu.
Hinterher sitzt man auf den Brettern und lässt die Beine über diesem unbeschreiblich klaren Wasser baumeln. Unten Aquarium, am Horizont türkis und grün schillernde Untiefen, Sonne von oben. Und poe ite ite… Mehr von all dem!

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