Von Motu zu Motu

Fakarava, 8.8.2010

Freundlich und ruhig lächelt er mich an, der große Mann unter dem Brotfruchtbaum, vielleicht ein klein bisschen amüsiert. „… könnte ich bei Ihnen Fisch kaufen?“. „Il y a des muraines…“. Muränen?! Ehe ich meinem Zweifel Ausdruck geben kann, beendet er seinen Satz ziemlich trocken: „… là bas!“ und deutet mit dem langen Messer nach unten. Ich ziehe die Beine an – was uns nämlich trennt, ist die Hafenbefestigung von Rotoava/Fakarava, er steht oben drauf, ich schwimme im brusttiefen Wasser davor und wollte gerade meine Füße auf den Korallengrund setzen. Er lacht und zieht einen großen Bonito aus der Kühlkiste zu seinen Füßen. Gekauft. Transport und Bezahlung durch den Eigner, der das Geschehen von der Hafenmole aus beobachtet hatte und gerade mit dem Dinghy um die Ecke kommt. Bonitos sind (meist, und hoffentlich dieses Mal auch) Ciguatera-frei, weil sie im tiefen Wasser zwischen den Atollen leben, und manchmal vermissen wir den frischen Fisch doch. Aber der Bonito muss noch einen Tag in der unserer Kühlbox warten – wir nutzen die Hauptstadt-Vorzüge von Rotoava und lassen uns am Abend „poisson cru“ servieren, in der Snackbar am Hafen, direkt neben meiner „Fischstation“. Das von der MOMO heiß empfohlene Restaurant („… reißt ein Loch in die Bordkasse, aber guuut!“) haben wir trotz mehrerer Suchgänge und -fahrten nicht ausmachen können, dafür saßen wir dann mit der Dorfbevölkerung von Rotoava zusammen, tranken unser erstes HINANO-Bier, das Tahitibier mit der Südseeschönheit auf dem Etikett, und genossen das Freitagabend-Kino: umherflitzende Kinder, mehr oder weniger räudige Hunde, die unverbindlich auf der Suche nach Essensresten vorbeischauen, Oma und Opa füttern die Enkel mit Pommes, Steak Frites und eben Poisson Cru, es gibt „Take Away“-Abholer, Kaugummikäufer, Softeis-Esser. Das Loch in der Bordkasse ist dann auch nicht gar so groß, und es war so lecker wie lustig.

Wenn man von Süden kommend das Atoll hochfährt – immerhin sind es von Pass zu Pass 30 Seemeilen! – verdichtet sich die Bebauung auf den letzten 10 Meilen: unter den Palmen wechseln sich Privat- und Ferienhäuser und unauffällige Hotelanlagen ab, wir wurschteln uns an den Bojen einer Handvoll Perlfarmen entlang, die ziemlich dicht ans Fahrwasser grenzen, am Strand entsprechend nüchtern-funktionsgerechte Nutzbauten. Ein ziemlicher Kontrast zum (fast) unbesiedelten Süden; wir hatten auf halbem Weg für einige Tage geankert, wo einfach gar nichts war außer Brandungsrauschen, Korallenschutt und Palmen.
Rotoava besteht aus weitläufig in den Palmenhainen verstreuten Häusern, auf der einen Seite das stille, türkisfarbene Atoll, in dem AKKA schwimmt, nur wenige Meter entfernt das Außenriff, so dass man, wo auch immer man ist, die Brandung tosen hört. Der Gang durch den Ort erinnert wieder mal an die Feriensiedlung meiner Kindheit an der Ostsee, alles sehr friedlich und ruhig, und gleichzeitig sehr zivilisiert. Die Hafenanlage ist weitläufig, aber schon ein bisschen dem Verfall durch Wind und Salzluft preisgegeben. Eine Bäckerei mit perfekten Baguettes und einem englisch sprechenden Bäcker – das hat seinen Grund: Frau Bäckerin lernen wir kennen, als wir die Baguettes für den Folgetag bestellen wollten, und die ist eine Neuseeländerin im polynesischen Off! Ein feines Ziel – für ein Schwätzchen mit Bäcker oder Frau, eine Rosinenschnecke mit Pudding oder ein Panino auf die Faust – noch dazu bietet der Bäcker eine kleine Auswahl an Lebensmitteln, die kostengünstiger sind als die im Kaufmannsladen. Der wieder ist ein erstaunlich gut sortiertes Stück Rumpelbude, wieder ein bisschen wie damals an der Ostsee… Eine Französin sitzt in ihrem Gärtchen und handarbeitet, während sie ihre Gemüseauslagen bewacht – nicht nur, dass das Versorgungsschiff gerade da war und man von Brokkoli bis Zwiebel alles bekommt; nein, wir werden später sehen, dass es unter den Palmen viele Gemüsegärten gibt, wo auch der grüne Salat gezogen wird, den wir dem Bäcker abgekauft hatten. Die Schule wird gerade erweitert – sicher nicht ohne Grund, wir sehen überraschend viele und überraschend neuwertige Autos (vielleicht 2 Dutzend?!) mit noch mehr Kindern drin (oder drauf, im Falle der allgegenwärtigen Pickups). Eine schicke Bürgermeisterei, ein pico-bello Postamt, mit behindertengerechter Auffahrtrampe. Dass die an einer ca. 30 cm hohen Fundamentkante zur unbefestigten Straße endet, tut dem Gesamteindruck wenig Abbruch; schließlich führt der Pflasterweg auch nur FAST bis zur vollverglasten Telefonzelle… Vielleicht sind das ja genormte Behördenbauten für alle Überseegebiete?! Die Fliesen auf dem Gehweg jedenfalls sind cremefarbig mit der französischen Lilie; sehr ähnlich zur neuen Polizeistation in Hiva Oa…
Das Motu im Nordosten des Atolls ist so lang, dass wir die Fahrräder ausgepackt hatten, endlich mal wieder; es dauerte ein Weilchen, bis das Tretlage an Andreas‘ Rad es wieder tat – Nachwirkung des Salzwasserbades in Bonaire, so lange haben die beiden DAHONs in der Backskiste geschmort! Dann diverse Kilometer gegen den Passat auf perfekt asphaltierter Straße – Endergebnis: eine Einladung zu einer grünen Trinknuss mit der xten Vorführung des Kokosnussknackens (hier: die Nuss wird auf einem „Dreibein“ aufgeklopft, das sich als Kfz-Achsteil herausstellt. Praktisch!) Ein Picknick auf trockengefallenen Korallen, Besuch einer (leider geschlossenen) Perlfarm, Besteigung einer Kokosplame (horizontal…), ein dickes Knie (der Eigner) und der Wunsch nach einem komfortableren Sattel (die gnädige Frau). Und das gute Gefühl, sich mal wieder fleißig bewegt zu haben.
Nur das mit dem Einstellen von Bildern war nichts: Internet ja, aber nur sehr langsam. Und seit gestern sind wir wieder im Süden, neues Motu: Hirifa. Zum Abend gab es Bonito, ciguaterafrei. Ansonsten: schwimmen hinter dem Riff, bis uns das Wetter für die Fahrt nach Tahiti günstig scheint.