Das Paradies

Punaauia, 14.8.2010

Das Paradies ist … anderswo, sagt Vargas Llosa in seinem schönen Buch über Gauguin und seine Großmutter  – hatte ich bestimmt schon mal erwähnt, aber der Titel passt einfach gut zur Situation, zu Tahiti und den Fragen, die da per Mail kommen: „… wie isses denn nu€™?! Sag doch mal was – Tahiti, das ist doch Schönheit pur….“

Mal abgesehen davon, dass wir natürlich akkanautengemäß lahmarschig noch nichts wirklich gesehen oder betrachtet haben, scheinen zumindest Teile des Paradieses tatsächlich anderswo zu sein.

Wir sind hier an der Stelle, wo viele der Boote zunächst mal Zwangspause machen – nach der langen Pazifikstrecke dürfen Generatoren repariert, Riggdrähte ersetzt, Segel genäht werden, und einige wenige warten auf das Paket aus Deutschland, in dem der neue Herd ankommen soll… Das macht schon mal unter den Seglern eine merkwürdige Stimmung, ein Gemisch aus Ungeduld und Betriebsamkeit, denn wir liegen ja vor der wirklich beeindruckenden Kulisse der Insel Moorea, die sich 10 Meilen von hier in Wolken hüllt, wahlweise auch massive Regenschauer, aber sie bietet dennoch einen tollen Anblick und zieht einen mächtig an. Und jeder weiß dass es da drüben Sandstrand und hunderterlei Tauchgelegenheit gibt. Nix da – hier wird gewartet und geschuftet.

Wir sind hier auch an der Stelle, wo zumindest die Europäer gern die Krise kriegen, so meine Theorie: Entweder man erschrickt, dass die Weltumsegelung schon halb vorüber ist, oder man jammert, dass man immer noch erst die – gefühlte – Hälfte der Strecke geschafft hat. Dazu kommt: wir haben hier wieder „Wetter“ – jeder hofft auf steten Passat aus gleichmäßiger Richtung, aber den stören gerade in dieser Jahreszeit die dicken Südwinter-Druckgebiete. Wir kriegten es gerade heute die ganze Nacht lang dicke aus Süd, mit dem entsprechenden Chaos am Ankerplatz. So „stille“ ist der Stille Ozean halt nicht.

Und mir persönlich scheint das Paradies auch nicht in Papeete zu liegen, ich war nämlich zum Einklarieren dort. Du liebe Güte – Flüchtig hingeguckt war das eine einzige lange Autoschlange entlang der unzähligen Perlengeschäfte.

Vom Anbkerplatz aus liegt das nächste Stück Paradies 10 Minuten Dinghyfahrt und ein paar hundert Meter Fußweg an der Einfallstraße nach Papeete*. CARREFOUR, das bekannte, internationale Handelsmonster, das uns seit Frankreich in schönen Abständen wieder einholt. Ich gestehe, dass ich mit offenem Mund vor den Reihen von Foie Gras-Gläsern gestanden habe und all den anderen französischen Leckereien. Der Franzmann halt; keine US-Importe mehr, wie allüberall in Panama und Kolumbien und der übrigen Karibik. Pain de Campagne, Brie, Morbier und Comté bis der Arzt kommt. Wildschweinpastete. Nicht zu vergessen Fromage Blanc für die Quarkliebhaberin. Ich find€™s super, aber was die Stimmung im Paradies trübt, sind die französischen Nukleartests in den Tuamotus. Die wurden zwar nicht wieder aufgenommen, aber die Franzosen zahlen noch immer so viel Entschädigung in diesen Teil ihrer Grande Nation und halten den Lebensstandard in derart schwindelnden Höhen, dass die Preise zumindest zum Schlucken gereichen. Ich finde es nicht derartig schlimm – wir sind verwöhnt von langen Zeiten in Südamerika, und viele der langgesichtigen Kiwis und Kanadier, die durch die Regalreihen schreiten und sich das Honigkaufen o.ä. verkneifen, vergessen einfach, dass wir hier auf einer doch relativ kleinen Insel sind, fern von allen Möglichkeiten, den gewünschten Luxus kostengünstig zu importieren, wenn man ihn schon nicht hier produzieren kann. Und dass da auch noch ein bisschen Politik im Spiel ist. Wer einkaufen will, muss es halt, wie es viele machen, in Panama tun, nach Amerikanisch-Samoa weiterreisen oder auf Neuseeland warten. Oder man geht eben nichts ins CARREFOUR, sondern guckt in den kleineren Läden Richtung Stadt, kauft Obst und Gemüse vom Straßenstand – und keine Braeburn aus Kiwiland, sondern Brotfrucht und Melone aus den Bergen.

Da fällt mir was ein: Der Hafen in Papeete. Die Einklarierungsprozedur. Die Herren von der Police d*Immigration spielten – es war kurz nach der Mittagspause, oder auch mittendrin, denn der Immigration Officer erwähnte mit einem Augenzwinkern, sie hätten Pause bis 17 Uhr… –  dem Hafenkapitän Ukulelen- und Gitarrenständchen, während AKKAs Schiffsdaten unter feierlichem polynesischem Gesang in den Computer gefüttert wurden?? Schon besser. Der „Edle Wilde“ bei der Arbeit? Eine Konzertprobe?!

Wenn man sich Mühe gibt, sieht man vom Ankerplatz aus die Berge – über 2.000 m hoch, grün und feucht und – paradiesisch?!

Wir werden uns dieser Tage den Luxus eines Leihautos erlauben und mal suchen gehen. Irgendwo hier muss, es sein, das Paradies.

*… ich muss einfach mal was zu den polynesischen Sprachen sagen: ich finde sie faszinierend. Dass Papeete nicht Papehte oder schon gar nicht Päpiedie gesprochen wird, sagte ich ja schon, aber diese endlose Abfolge von einzelnen Vokalen ist was Tolles. Ab und zu ist auch ein Knacklaut dazwischen, und ich höre gern zu, wenn sich Polynesier unterhalten. Nicht dass ich ein Wort verstünde.

Ia ino ana€™eta oe pute, e tauihia mai te hoઠpute apà®ma te tamoni ore i roto i to mau fare toa atoa i tapaohia i te titiro o teie ne faanahoraa€¦ Das heißt ungefähr „Recyclebare Tüten, die nach Gebrauch von den beteilligten Händlern kostenlos zurückgenommen werden“. Steht auf der CARREFOUR-Tüte und klingt… umwerfend.