Tautau, Taha€™a, 16.9.2010
Kleine Sünden werden dem Volksmund zufolge ja gleich bestraft… Unser letzter Blogeintrag, der mit dem „MOORINGs-Manöver“, war kaum draußen, als es schon los ging mit der Strafe: Zum ganztägig triefenden Regen gesellte sich der Wind. Wir waren ja nicht ganz unvorbereitet, der Wetterbericht hatte es schon seit geraumer Zeit und täglich exakter angekündigt, so dass wir uns den Fallböen in der Hurepiti Bay entzogen und an die Südspitze von Tahaa verzogen hatten; immerhin waren so um die 30 Knoten Wind angesagt.
Eigentlich hat der mooringnutzende Segler, wie überall in dieser Gegend, so auch vor dem Taravana-Yacht Club abends an der Bar zu erscheinen und seine Mooringgebühr in Naturalienverzehr zu entrichten, aber dazu kam es nicht, so gern wir auch noch einmal Poisson Cru und Mahi Mahi „à la Vanille“ gegessen hätten. Eigentlich kam es zu überhaupt nichts mehr an diesem Abend, außer, eine schnelle Nudelsuppe einzuwerfen und dann auf die Tonhöhen aus dem Rigg zu horchen – je höher, desto bläst es nämlich. Bei 35 Knoten – nicht in Böen, sondern stetig! – haben wir aufgehört, auf die Windanzeige zu gucken, die Akustik reicht völlig. Trotz Abdeckung durch die kleine Landzunge, hinter der wir lagen, fing AKKA an in der Windsee zu hoppeln. An „Koje“ mochten wir nicht denken – das dümmste der Gefühle ist zu all dem, dass man nicht am eigenen Anker hängt, sondern an einer fremden Mooring und man beginnt, sich seine Gedanken über deren Zustand zu machen. Also gab es mal wieder Ankerwache, einer auf dem Salonsofa, der andere mit Fleece im Cockpit, ab und zu die Ankerleuchten ringsum peilen, Position auf dem Kartenplotter kontrollieren. Als am Montagmorgen der Wind auf 25 kn zurückging, werfen wir los, um rechtzeitig in der Hurepiti Bay zurück zu sein – Vanilla Tour am Dienstag, das war verabredet und das wollten wir nicht verpassen.
Die nächste Mooring. An ankern ist hier häufig nicht zu denken – es ist überall viel zu tief, um dann ziemlich unvermittelt zu gefährlicher Untiefe anzusteigen, insofern ist man für die ausliegenden Moorings dankbar. Friedlich ist es in der Bucht. Wir halten den verdienten Mittagsschlaf und machen einen Landspaziergang im Regen. „…der große Wind scheint ja weg zu sein…“ sagt Andreas beim Abendessen. Sekunden später gucken wir uns aus verschreckten Augen an: AKKA hat sich in einer Schweine-Fallböe auf die Seite gelegt, mir kommt das Wasserglas vom Esstisch entgegen. Dass sich unten die (gerade mühsam einzeln von Hand von Rüsselkäfern befreiten!) Fettucine von der Ablage ins Spülbecken gestürzt haben, ist ja nicht so schlimm, aber da höre ich ihn schon, den Eigner, in der üblichen „… komm doch mal eben!“-Tonlage: das Dinghy* hat sich überschlagen und taucht unseren kleinen Mercurymotor unter. Unnötig zu sagen, dass es mittlerweile stockduster ist. Es weht noch immer ausreichend, um das Umdrehen des Schlauchbootes mühsam zu machen – und bei dem Geschwabbel heißt es dann auch noch: „… Motor anschmeißen, hoffentlich hat der keinen Salzwasserschaden…“ Bis wir uns wieder niederlassen können, vergeht eine Weile. Bei völlig harmloser Ententeich-Windstille versteht sich. Strafe muss sein, und man muss sie dann auch auskosten dürfen.
Aber dann kam der Tag der Vanilla Tour doch noch. Abweichend vom Plan ging es eine halbe Stunde später los – am Vorabend hatte es noch einen Anruf gegegeben, kurz nach der Hammerböe: “ … I was late today, we had to cut a tree€¦€ Das Unwetter hatte für eine natürliche Straßensperre und die entsprechende Verspätung gesorgt. Größere Sägeaktion an einer Falcata-Akazie. Ein Monstrum, wie wir später sehen sollten…
Nach einer Einführung in polynesischen Hausbau und einem ausführlichem Gang durch den fantastischen Garten, natürlich mit Demonstration aller Stadien des Vanilleanbaus, ging es mit dem Landrover in die Berge. Oh, sweet vanilla… Das erste Hindernis konnten wir – die kleine Stihl-Kettensäge versagte nach dem Großeinsatz am Vortag den Dienst – noch mit der Machete beseitigen, ein großer Hibiskus samt einer Handvoll Palmwedel lag quer. Ein paar Kilometer bergauf war dann „Ende Gelände“ – dieses Wirrwarr von mehreren Hibiskusbüschen war Alain endgültig zu viel. Wir drehen um. Nicht dass damit die Tour zu Ende gewesen wäre – was es zu zeigen gab, wurde nun von der anderen Seite des Berges angesteuert, unter erheblichem Zeitaufwand, denn dazu muss man die gesamte Küsten umfahren. Als Lunch baute Alain auf dem Pass aus Hibiskusblättern einen Teller, um mitgebrachte Pampelmusen und Sternfrüchte darauf anzurichten. So umfangreich wie der Umweg so groß war unsere Verspätung – dafür waren wir voller neuer Erkenntisse: über die Besiedlung Polynesiens, über endemische Wildpflanzen, eingeschleppte. Und natürlich über Kulturpflanzen, Vanille, Taro, Brotfrucht… die Liste ist lang. Hier mal ein PAAR der Anwendungszwecke des Hibiskus, des allgegenwärtigen: Schmuck, Essgeschirr, Seilmaterial, Ausleger-Holz, Antibiotikum, Lippenstift, Backform, Antibeschlagmittel für Schnorchelbrillen; so ging es den ganzen Tag. Die von mir auf Hiva Oa noch als „schön“ empfundene Falcata-Akazie (fälschlich „Fargata“ genannt) sehen wir nun unter einem anderen Licht: vor 80 Jahren als Erosionsschutz eingeführt, breitet sie sich in Windeseile aus, überwuchert alle endemisch vorkommenden Bäume, und sorgt dabei für genau das Gegenteil; bei Unwettern wie dem vergangenen fallen die flach wurzelnden Akazien um und geben viel Boden der Erosion durch die Regenfälle frei.
Es war ein toller Ausflug, schlammig und lustig zugleich und mit dem besten Führer, den wir bislang erlebt haben – kenntnisreich, vielseitig und witzig. Urteil: absolut wiederholungswürdig!
Hier kommen ein paar Bilder als „Galerie“ – die Vorschaubildchen kann man anklicken.
Und jetzt?! Hier am Riffrand regnet es gerade wie aus Eimern. Schon wieder Strafe?! Wofür? Ah! Wir haben Vanille gekauft. Aroma: sündhaft…
* Dingi, sagt der Duden, sagt Heiner!