Mopelia, 8.10.2010
… noch so ein Fleck auf der Landkarte, von dem ich seit Kindertagen geträumt habe. Er heißt Mopelia und stand eigentlich ganz ausdrücklich NICHT auf unserem Fahrplan. Nun sind wir da und liegen in strahlendem Blau vor weißen Sandstränden. Bis vor wenigen Jahren war dies eine Hochburg der Perlenzucht, aber dann kam Cyclon Martin, rasierte alles ab und zerschlug die Austerngestelle. Die Palmenhaine stehen zwar wieder in voller Pracht, man sieht sie von See aus auch erstaunlich weit, aber den zwei Handvoll Menschlein hier ist nichts geblieben ausser der Kopraproduktion. Im ehemaligen Dorf sieht es aus, als hätte ein Riese den Betonanleger in zwei Teile gerissen und an Land geschmettert, und unser Ankerplatz ist übersät mit Palmstämmen. Mopelia, einer der trickreichsten Pässe in Französisch Polynesien, heißt es im Segelführer. Schon die Ausfahrt aus Maupiti war ein klein bisschen spannender als die Anreise, so ein halber Meter mehr Seegang bewirkt einiges – mehr Strom, mehr Kabbelwasser, die Brecher ziehen sich weiter zu, aber wir waren ja immer noch bei moderaten Bedingungen unterwegs. Sehr moderat. Zu moderat! Platt vor dem Wind und kaum ein Lüftchen, das zieht, das mag AKKA nicht so gern, und deswegen: Planänderung. Am Abend ging gestern der Motor an und wir motorsegelten durch die Nacht, nach Mopelia. Und dieser Pass hatte nun wirklich was. Ui, ui. „…erfordert einen guten Motor und in jedem Fall ein gutes Nervenkostüm!“, so hieß es. Wohl wahr – das mit dem Motor konnten wir garantieren, aber das Nervenkostüm war wirklich beansprucht.
Durch den eigentlich Pass – zwischen zwei eng stehenden, haarscharfen Riffkanten – waren wir durch, als mir, die ich auf dem Bugkorb den Ausguck machte, plötzlich überhaupt nichts mehr einfiel, wohin ich Andreas locken sollte. Ich sah einen schmalen, dunklen = tiefen Streifen nach Backbord verschwinden, aber der Eigner wollte geradeaus; so etwas nennt man Kommunikationslücke, leider zur Unzeit – er wusste, was ich nicht gelesen hatte: der linke Weg inst Atoll ist tief, aber sehr schmal und mit viel Strom (4,5 Knoten gegenan hatten wir im Pass geschätzt!), rechts am Riff vorbei war es flacher (optisch gesehen gruselig flach!), aber breiter, was weniger Strom zur Folge hat. Bis das geklärt war, musste ich schon ziemlich nach Luft schnappen – zu all der Verwirrung kam hinzu, dass unter mir das ausströmende Wasser durchgurgelte, was eine ungemeine Geschwindigkeit vortäuscht; aber auch hier muss man einfach ranfahren, um die Lage wirklich beurteilen zu können – und die klärte sich dann auch rasch. Ein, zwei Mal schien es ganz schön knapp, der Rest war einfach – im Zick-Zack zwischen den Korallenköpfen in die Tiefe des Atolls steuern. Wieder was geschafft.
Der alte Felix Graf Luckner, der „Phylax“, hatte hier ja auch einen Navigationsfehler zu beklagen – allerdings mit Totalverlust, das Wrack der SEEADLER liegt noch irgendwo herum. Schade, dass ich das Buch nicht doch an Bord genommen habe. Bei der Hausauflösung in Deutschland hatte ich es beim Einpacken der Kinderbücher wiedergefunden und nach langen Jahren mal wieder gelesen. 1. Weltkrieg aus Gentleman-Sicht mit deutlich deutsch-nationalem Einschlag; was man als Kind alles so schluckt, dachte ich damals! Jetzt hätte ich es gern zur Hand gehabt; vielleicht steht ja was zum Pass in Mopelia drin?!
Mensch, Phylax. Soo schwer war das nun auch wieder nicht…