Wo die Zeit beginnt... In Tonga, natürlich
Pangaimotu, Nuku’alofa/Tonga, 9.11.2010
Wir sind noch hier, und … es mag auch noch dauern. Ringsum rappeln zwar einige Leute mit den Ankerketten, man will zumindest bis zum Minerva Riff vorstoßen, aber der Wetterbereicht ist nicht so sehr erquicklich. Hier erwarten wir in den nächsten Tagen auch eine Portion Wind, aber noch rätselvoller ist, was da weit im Süden hockt, ziemlich ortsfest. Ein Hoch, das sich ausdehnt und uns mittlerweile mit besonders wenig Wind auch nicht gerade zur Abreise lockt. Hmh. Wir warten mal noch ab. Und machen morgen mit den Larabecks eine Inseltour. Geduld ist die Tugend der Stunde – eine erste Stimme dazu sagte heute schon „… nicht vor dem 20.11. …“ Urrgs.
Ach, noch was zur Zeit – wir sind hinter der Datumsgrenze, und endlich haben wir Euch Europäern was voraus, einen halben Tag nämlich. Die Zeitzone heißt UTC +13, die Stunde ist die gleiche wie jenseits der Grenze, in Niue zum Beispiel, nur eben einen Tag weiter.
Muschelernte
Neben Vorbereitungsarbeiten am Schiff (und ein bisschen Abhängen) waren wir schon zweimal „schick aus“, in Sachen Kultur. Zunächst mal der Donnerstagabend, da ist im Ohulei Beach Resort (bzw. dem, was nach Cyclon René im letzten Jahr davon übrig gelassen hat) ein sogenanntes „Tongan Feast“, ein Muss für jeden Touristen. Man wird um 17:00 vom Fährboot abgeholt, direkt an der AKKA, Weiterfahrt mit dem Taxibus, so eine gute halbe Stunde durch Tongatapu bis ans südliche Ufer. Zwischen koralligem Gestein klettert man eine steile Treppe hinab, wo sich am Strand mehrere Höhlen auftun, und aus einer dröhnt einem schon „fetziger“ Schrumm-Schrumm-Rockverschnitt entgegen, verbrämt mit ein paar Hawaii-Einsprengseln. Oh, Mann, wo bin ich hier hingeraten?! Ich setzte mich erst mal an den Strand, genieße den Blick über das bewegte Meer in Richtung der Insel Euaund lasse die Sonne untergehen. Eine Weile setzt sich Sharon von der LARABECK dazu, gute Gelegenheit, ihr ein paar Feinheiten der deutschen Sprache näherzubringen, die sie ansonsten wirklich gut beherrscht, aber diese Musik „geht mir über die Hutschnur“, das war neu. Auch, dass mir bei so was der „Kragen platzt“. Reisen bildet! Nach einer Weile wird die musikalische Untermalung aber schon ein bisschen tonganischer, der Besitzer des Resorts hat seinen Auftritt und singt ein paar, soll ich sagen: Schnulzen?! Jedenfalls kommen wir alsbald zum Hauptgegenstand des Abends und eines jeden solchen „Feasts“. Das Essen. Und das ist lecker. Über die Tische hatten wir uns schon gewundert, grobe Holzbänke an 30 cm schmalen Plankentischen, gedeckt mit Bananenblättern, nicht gerade die Tiefe für große Buffetteller! Aber die gibt es dann auch gar nicht, gespeist wird aus halben Bananenstammabschnitten, und sind nun mal nur 10 cm breit. Und was darauf gehäuft wird, ist umgekehrt proportional gut zur Musik: knusprigste Schweinepelle, saftiges Ferkelfleisch, Ita Oka, der bekannte polynesische rohe Fisch, marinierter Oktopus, frische Seealgen, Süßkartoffeln, Kochbananen und viel Salat … Endlos. Und sehr gut.
Tongan Feast
Und noch dazu wird man von den Bediensteten am Buffet äußerst freundlich bedient und zur Völlerei aufgefordert. Meine abschließende Bitte um je ein Stück Melone und Ananas endet in einem neuen Bananenblattstück, gehäuft mit Früchten und Kokos-Donuts… Man kann es gar nicht ablehnen, vielleicht darf man es auch gar nicht. Dann rasselt das Schlagzeug los, ein langgezogener Trommelwirbel – Zeit, in die Nachbarhöhle zu wanken. Nach diesem Essen könnte man sich auch rollen lassen! Dort erwartet uns die Band von vorhin. Und ich erwarte schon gar nichts mehr – zumal man auf dem Weg schon sehen konnte, dass es die Bedienung vom Buffet ist, die sich in Schale wirft, um tonganische Tänze vorzuführen. Das hatten wir ja schon in Niue, und vor Jahren in Fiji… Aber, bezahlt ist bezahlt, das tun wir uns nun an!
Tonganische Tänzerin
Was passiert?! Gleich beim ersten Tanz – im Sitzen vorgetragen – hocke ich gebannt uf meinem Bänkchen, lasse mich von der wirklich mitreißenden Ukulele-Gitarren-Trommelmusik wegtragen und bewundere die lebendig und energievoll „tanzenden“ Männer, und die ebenso bewunderungswürdigen, aber zurückhaltend graziösen Frauen. Das ist KLASSE! Und andersherum wird ein Schuh draus: hier tanzt nicht das Restaurantpersonal, sondern es haben uns die Tänzer aushilfsweise am Buffet bedient! Es folgt Tanz um Tanz, meist abwechselnd Männer und Frauen, ich versuche, diese grazilen Handbewegungen und diese eine, witzige Spick-Bewegung des Kopfes in mich aufzusaugen. Ich bin wirklich gebannt… manchmal duftet es intensiv nach Kokos: die Frauen – sehr züchtig bekleidet übrigens, und ohne jedes Hüftschwenken, ein missionarischer Erfolg der Kirchen?!? – sind dick eingeölt, und auf das Öl darf man traditionsgemäß Geldscheine kleben, die anwesenden Tonganer machen es uns vor. Übrigens gibt, wer kein Geld hat, klassischerweise Kuchen, Blumen oder Süßigkeiten, aber geben MUSS man etwas. Zum Schluss gibt es einen spektakulären Feuertanz der Männer – ich hoffe, wir erfahren in den nächsten Tagen noch ein bisschen mehr, was es mit den Tänzen auf sich hat und welche Entwicklung die im Laufe der Zeit genommen haben. Es gibt ein gutes Kulturzentrum hier, das uns aufklären soll.
Und dann war da ja noch der zweite Kulturtermin, wenn man das so sagen kann. Wir haben am Sonntag den Gottesdienst der Free Wesleyan Church of Tonga besucht.
Der freundliche Herr, der uns gleich die Europäerplätze in der Kirche zuweisen wird. Dress Code: Tupenu und Ta'ovala
Sonntags ruht Tonga nämlich, und es ist schon ein Wunder, dass überhaupt das Fährboot zum Anleger fuhr. Ab 09:30 versammelten sich die Schäfchen so langsam, der Chor samt Bläsergruppe sorgten schon mal für einstimmende Gesänge. Mich interessierten am meisten die Kleider und da muss ich mich korrigieren…
Taa'ovala und rechts ein Kiekie
Was ich beim letzten Mal als „lap lap“ bezeichnet habe, heißt hier „ta’ovala“ und besteht meist aus weicher, fein gewebter Pandanusfaser, je feiner, desto teurer. Oder aus Tapa, dem Baumrindentuch. Darunter hat „Mann“ den Tupenu, ähnlich dem Lavalava weiter westlich, ein Wickelrock aus mehr oder weniger feinem Tuch. Die Frauen tragen über knöchellangen Röcken auch eine Ta’ovala, teilweise wunderschön gemustert, oder ein „kiekie“, ein Gürtel, von dem 10 lange Streifen hängen. Die bestehen im einfachsten Fall aus schlichten, langen Pandanusblättern (mein „Bastrock“ aus dem letzten Beitrag!) oder aus allen möglichen anderen Materialien, Nylon- oder Jutekordeln mit Perlen oder mit blattförmigen Tapa-Stücken verziert. Ich hatte also was zum Gucken, und nebenbei auch zum Hören, der Chor ließ Händelsches hören, fast professional anmutend und beeindruckend. Dass nun die Gemeinde kräftig mitsang, wie es in Führern kolportiert wird, kann ich eigentlich nicht bestätigen, dagegen, dass die königliche Familie (ein bisschen dünn) vertreten war und bei jedem liturgischen Personalwechsel durch Verbeugungen gegrüßt wurde. König George Tupou V. wurde in einem älteren, aber umso glänzenderen Humber vorgefahren und später durch eine Reihe von Damen mit höflichen Verbeugungen und Winken verabschiedet.
Ihr seht, wir haben uns wie die Touristen benommen, zumal man von der Predigt nichts verstehen konnte – tonganisch, mit wenigen énglischen Einsprengseln für die Europäer (damit sie nicht vollends einschlafen, sagt Sharon!). Die Tonganer kennen das alles aber schon – erstens haben sie für uns „Palangi“ eine eigene Ecke in der Kirche eingerichtet, damit wir uns in jedem Falle kollektiv daneben benehmen, und außerdem kann man von dort die Königsloge beobachten, des Touristen schönster Sport. Außer nach andererleuts Klamotten zu schielen.
Von Big Mama's Terrasse auf's Ankerfeld geschaut