Opua, 28.12. 2010
… es weht, ganz schön böig, und wir überlegen schon, ob vielleicht das Sonnensegel eingeholt werden muss, das wieder einmal eher als Regensegel gedacht ist. Und da kommt noch mehr an Wind gefahren, kurzfristig nur; es ist eine schöne Squash Zone, aber das Tief rückt mehr nach Süden und beschert der Südinsel einen kräftigen Sturm – 55 Knoten wurden heute für den Marlborough Sound vorhergesagt. Viel Spaß beim Zelten allen Weihnachtsurlaubern!
Den wunderschönen, strahlenden Zweiten Sommer-Sonnen-Weihnachtstag haben wir mitten unter Ausflüglern und Urlaubern verbracht und sind mit der Fähre nach Russell gefahren. Strandspaziergang, spielende Hunde und Urlauber beobachten, Salatessen, über glitzernden Pfützen mit hunderten von Schnecken träumen und nicht zu vergessen unter’m „New Zealand Christmas Tree“ sitzen.
Russell ist die älteste, weiße Siedlung Neuseelands, hier steht die erste Kirche inmitten eines uralten, schönen Friedhofes, moderne wechselt sich mit alter Bebauung ab – ausgesprochen hübsch. Und mit einer mörderischen Geschichte. Wie kann es nur passieren, dass Häuptling Hone Heke, erfreut über die Ankunft der Briten, ihnen einen Flaggenmast verehrt, den er dem englischen König widmet – und ein paar Jahre danach bricht dann das aus, was man den „flagstaff war“ nannte. Die Geschichte ist wohl so einfach wie wiederholbar: die Interessen der Maoris waren nicht die Interessen, die die Briten hatten. Wollten die einen freundliche Handelspartner und Naturalien gegen Musketen tauschen, hatten die anderen Landnahme im Sinn. Und so stehen in Russell wie der gesamten Bay of Islands Zeitzeugnisse der Briten neben denen der Maoris. Friedlich, wie in Kerikeri, oder noch immer von in Russell ansässigen Maoris bissig kommentiert.
Wie dem auch sei – in Russell hat „Neuseeland“ politisch begonnen, mit dem Vertrag von Waitangi, der sich dann als so seltsam missverständlich erwies, und in Kerikeri ökonomisch, denn hier enstand das erste kleine Handelszentrum, natürlich betrieben von den Missionaren; im „Stone Store“ steht man noch heute auf dem alten Kopfsteinpflaster und es riecht nach Eisennägeln, Teer und Jutesäcken – und nach dem ganzen Souvenir-Kleinkram, den dieser alte Laden heutztage verkauft, Stoffe, Honig, Blüten-Seifen mit Pohutukawa oder Manuka oder nach Sandseife für die schmutzigen Töpfe.
Zum krönenden Abschluss haben wir auf einer Wiese die Zelte aufgebaut. Erst das alte, liebgewordene Fjällräven Everest („… wieso haben wir eigentlich ein Neues gekauft…“) und dann das neue von Katmandu („… das ist ja wirklich geräumig! Oh wie nett, dass wir ein neues Zelt gekauft haben…“)
Der Besitzer vom Bus im Hintergrund maulte uns ein bisschen voll – er hatte den Verdacht, wir seien vom „Council“ und wollten „schöne Fotos“ machen und dann den Platz als offiziellen Campingplatz verkaufen. Ganz augenscheinlich lebt die Familie dauerhaft in diesem Bus und sucht nach kostenfreien Plätzen. Eine lange Tirade folgte, über die Gier der Mitmenschen, und dass wir ja mit dem schicken Auto, dem modernen Zelt und den Isomatten, die er im Auto erspäht hatte, keine „richtigen“ Camper seien. Auch in Neuseeland gibt es Leute mit ’nem Hackenschuss.
Den Ausflug nach Kerikeri haben wir uns gestern vom etwas graueren Wetter nicht trüben lassen und sind über alte Maori-Terrassen gestiegen und über deren Leben sinniert: Haupt-Handelsinteresse waren in der Tat die Musketen, und die sollten nicht vorrangig auf die Briten gerichtet werden, sondern auf die benachbarten Stämme, was man dann auch blutdurstig und erfolgreich tat.
Außer dem Geschichtlichen gab es eine Einführung in Neuseelands Pflanzenwelt im „Discovery Garden“, und an der Furt durch den Fluss kann man Viecher beobachten, und ich versuche sogar, das mit der dicken Spiegelreflex einzufangen. Mit mittlerem Erfolg – 5 von gefühlten 100 Bildern sind in Ordnung…
Genug der Geschichte(n). Zeit für … High Tea ?! Quatsch. Für einen abschließenden Kaffee. Einen „Flat White“ bitte, und einen Cappucino! Schließlich sind wir in Neuseeland…