Zwangspause

Snug Harbour/Kuna Yala, Panama, 10.02.2010

Wir haben Snug Harbour in Lumbago-Harbour umbenannt – nicht der schlechteste Ankerplatz fuer einen ausgereiften Hexenschuss beim Eigner, die Bedingungen sind wirklich „snug“; der Name stammt noch aus Zeiten, als vorwiegend schottische Segelfrachter mit Handelschwerpunkt Kokosnuss hier Zuflucht suchten. Selbst heute, wo es draußen etwas weht, herrscht „Ententeich“ hinter den Inselchen. AKKA verhaelt sich ganz ruhig und wackelt ueberhaupt nicht, das tut dem Ruecken gut, auch verkuerzen sich dadurch „jetzt verlasse ich die Koje“-Aktionen auf nur wenige Minuten. Wir hoffen nicht, dass uns die Diclo-Tabletten ausgehen, bis wir weiterruecken koennen (mit Betonung auf „ruecken“). Im Zweifelsfall muessten wir vielleicht unser Nachbarboot anpumpen: gut ausgestattete Apotheker, die ihre Hilfe anboten. Bis dahin ueben wir uns im Geduldsspiel, Waermflaschenwechseln, Rueckenmassage und Diclo-Gel-Auftrag.

Derweil hat die Eignerin Zeit, die ganz alten Langzeitprojekte zu beenden, und Heimkino ist natuerlich willkommene Abwechslung.

Und dann ist da ja noch der Haushalt. Gestern kam eine Staude Bananen vorbei, Kostenpunkt 1 Dollar; ein Kuna namens Karid ist unermuedlich mit seinen Angeboten, von Politur bis Muellabtransport. Was Letzteres betrifft, ist dies ein echter Geldschneidertrick: dem vertrauensseligen Segler wird vorgegaukelt, dass man in Playon Chico (oder anderswo) ein Muellfeuer entzuenden wird, und fuer eine kleine Servicegebuehr werde unser Muell mitgenommen. Aus berufenem Munde hoerten wir, dass NIEMAND hier seinen Muell verbrennt; was wirklich mit dem Muell passiert ist besonders an den windwaerts gerichteten Straenden offensichtlich. Waehrend ich schon ein Berechnungsmodell fuer Strandverschmutzung aufgestellt haben (sehr einfach: Anzahl der Flipflops pro Quadratfuß, man koennte auch die PET-Flaschen dazu heranziehen), vertritt Andreas die Meinung, dass dies eine natuerliche Gegenmaßnahme gegen die Folgen der Klimaerwaermung ist: der Muellanstieg am Ufer wirkt dem Anstieg des Wasserspiegels entgegen. Wohlgemerkt: dies ist nicht allein ein Kuna-Problem.

Achitup Muell

Achitup Muell

Wie auch immer, ein bisschen zu sehr an Kunazeitvorstellungen orientiert ist besagter Karid, so dass ich gerade gebacken hatte, als er mit Kuna-Broetchen anrueckte; die fuer den Vortag geplante Brotlieferung war nicht angekommen. Dafuer kam am Sonntag Dilion. Das war der, der die Gemuesezwiebeln liefern wollte, was auch geklappt hat; wir schließen allerdings, dass die Lueckenhaftigkeit der Zahnreihen proportional zu der des Gedaechtnisses ist: „… ah, bananas!“, er tippt sich an den Kopf. „…aber hier ist das Brot…“ – nur dass wir zu diesem Zeitpunkt explizit keines gewollt hatten. Und die Limonen? Kopftippen… Immerhin gab es 2 von 6 Gemuesezwiebeln – fuer die Differenz gab es aber einen Grund: kein Geld fuer mehr, Gemuesezwiebeln sammelt man nicht am Wegesrand… Dieser Tage gibt es dann mal Krabbensuppe, mit Spinat und Kokos, à  la „Callalou“: ab und zu sind Centollakrabben im Angebot, Riesenviecher. Wenn mal wieder das Ulu vorbeigepaddelt kommt. Kuna Maybe Time. Unsere Versorgung ist jedenfalls gesichert. Irgendwie.

Ihr seht, auch mit „Bewegungsslapstick“ kann es einem gut gehen!

Ferien in Kunaland

Snug Harbour, Kuna Yala/Panama, 6.2.2010

Wenn es einem ganz fremd wird in seiner Umgebung, dann ziehen sich Mensch wie Schnecke gern in ihr Haus zurueck. So machen es auch die Segler, besonders die in Kuna Yala. Wir auch – seit Mono Island sind wir ziemlich „mono“ (oder manchmal „duo“ mit der HIGH STATES aus Victoria BC/Kanada). Hier gibt es nur vereinzelte Fischer-Ulus und wenig Kontakt… Viele andere Segler hocken wiederum zusammen, veranstalten Potlucks und Muellverbrennungsparties und nicht zu vergessen, die taegliche Kurzwellenfunkrunde. Ja, genau, auch hier, unvermeidlich: allmorgendlich wird ganz Panama auf 8107,00 kHz beschallt; general check-in outside San Blas, general check-in in the San Blas, Bekanntmachungen oder Fragen fuer/an alle, kurz „qst“, oder „traffic“ von Schiff zu Schiff, hier werden Sie geholfen… So stellten wir fest, dass „wir“ wieder drei AKKAs sind, weshalb ich es mir nicht nehmen lassen konnte, am Mittwoch auch mal das Wort zu erheben: „AKKA Aleman in Mono Island – we are 2 boats over here…“. Letztere Bemerkung am Mittwoch besonders wichtig, denn es wird ein general boat count veranstaltet, quasi eine woechentliche Volkszaehlung in Kuna Yala, ein merkwuerdiger Kontrast zu der relativen Abgeschiedenheit, in der wir uns seit 2 Wochen befinden. Die AKKA „Virginia“ und die „West Coast“ AKKA haben wir noch nicht gesichtet, zu weitlaeufig diese Kueste, gluecklicherweise; man knubbelt sich lieber in den Cayos Holandeses (von Sabine „ENOLA“, ihres Zeichens Koechin, gern „Hollandaise“ genannt) oder in den ebenso „leckeren“ Lemons, auf Ankerplaetzen, die „Swimming Pool“ heissen oder „Hot Tub“. Das alles liegt zwar auf dem Weg zum Kanal, aber noch ist es weit weg. Rein optisch und topographisch soll es schoen sein, Marke „tuerkisfarbenes Wasser mit Palmenstrand“. Besonders attraktiv: es gibt das Veggie-Boat, den fahrenden Gemuesehaendler, der laut Bine anbietet, was das Herz begehrt, Fruechte, Kartoffeln, Eier samt den dazu gehoerigen Hennen. DAS waere ja was… Langsam geht uns naemlich die Frischware aus, Cartagena und seine Maerkte liegen 4 Wochen zurueck, und ich habe mich bei den Zwiebeln etwas verschaetzt; da ich neuerdings wieder Joghurt mache, wird auch das Milchpulver zwar noch bis Panama City reichen, aber doch schneller zuneige gehen als gedacht; also schreibe ich schon Proviantlisten fuer die langen Pazifikpassagen, vorsichtshalber. Wie gut, dass heute mal wieder ein Ulu laengsseits kam – hoffentlich kommt es morgen wieder, denn ich habe 6 Gemuesezwiebeln bestellt, 3 Kokosnuesse und ein paar Bananen. Die Gegenbitte fuer den Service ist allermeistens „pastilla“, Bonbons; damit koennen wir dienen (bezahlt wird natuerlich auch). Der Kassierer von Playon Chico, der heute die 2,5 Meilen gepaddelt kam, um die Kuna-Kasse aufzufuellen, fragte allerdings nach einem Bier. Gab’s nicht, dafuer einen Trunk aus dem AKKA-Wassertank mit einer halben Limone.

Aridup Lobster

Aridup Lobster

Gestern kam noch ein Ulu, man sieht es (demnaechst, Ali, dem Administrator sei Dank!) hier… Unser erster selbst gekochter „Lobster“, eine Languste. Als ich heute frueh aufstand, war unser gestriges Abendbrot (das Tier, eine Kartoffelroesti, eine Joghurt-Knoblauch-Mayonnaise) schon im Logbuch ver“zeichnet“. Skizze vom Eigner – eine Languste mit langen Fuehlern und daneben? Sah aus wie ein Plattfisch. ?!? Ah! Ist ein Plattfisch! Bemerkung: „… lieber Kutterscholle als Lobster…“ Aber man kann schliesslich nicht alles haben, und, zur Erinnerung: die skandinavischen Knechte und Maegde des 19. Jahrhunderts durften auch nicht oefter als 5 mal die Woche Lachs kriegen. An der Haeufigkeit der Langusten gemessen war das bestimmt nicht unsere letzte, auch wenn wir heute keine gekauft haben; so weit oben auf unserer Delikatessenliste werden die nie landen, hoechstens als Hummersuppe.

Wie man sieht, sind wir nach dem vorsichtigen Kontakt mit der Kuna-Welt wieder auf dem Boden der AKKA-Tatsachen gelandet: Funkrunden und Lebensmittelverknappung. Uebrigens, wenn es gar zu doll wird mit der fremden Umgebung, gehort zu den Schneckenhaustaktiken auch gern mal ein Filmeabend. Geschehen in Ustupu. An Land „Kuna“ pur – und die AKKA-Crew gackert ueber „Schulze gets the Blues“. Bundesdeutsche Maennerhuete, 50er-Jahre-Schlafzimmer und Heimatverein. Ferien in Kunaland? Das waren Ferien VOM Kunaland..

Nuchus und Neuzeit

Ailigandi/Kuna Yala, Panama, 1.2.2010

Sanft naehern wir uns dem westlichen Panama, und mit ihm wird der Einfluss der Kunakultur geringer, auch wenn wir hier vor der Schule stehen, die nach Semral Colman (viel schöner auf Kuna: Olo Kinbipilele) benannt ist, dem „großen Fuehrer“ der Revolution von 1925, damals lockere 85 Jahre alt. Revolution. Gemetzel eigentlich, ein Gemetzel, bei dem die Kunas dank der Intervention der USA die Oberhand in ihrer Provinz behielten, und seitdem ist gluecklicherweise Ruhe. Ailigandi heisst unser derzeitiger Standort: diverse Betonhaeuser erzeugen schon ein etwas neuzeitlicheres Bild von einem Kuna-Dorf; auch Ustupu hatte ein paar, aber hier sind es doch – ueber die Klassiker wie Klinik, Polizei (!) und Schule – hinaus ein paar mehr: der grosse Kramladen zum Beispiel, eine Bibliothek, sogar ein paar Wohnhaeuser. Dennoch sind die meisten noch traditionelle Huetten , und die sind wie überall: gestampfter Sandboden (erstaunlich fest und sauber!), ein paar Hartholzstuetzen aus dem Urwald mit den allgegenwaertigen Ulus herangeschippert, dazwischen Zuckerrohr als luftiges Wandmaterial, ein Dach aus den Blaettern einer ganz speziellen Palme. Letzteres ist wirklich bemerkenswert: Haltbarkeit 15 bis 20 Jahre, das ist VIEL länger, als ein schnoedes Blechdach hier in tropisch-mariner Gegend braucht, um dahinzurotten. Damit der Passant (Meriki oder nicht) keinen direkten Einblick erhaelt, sind die „Waende“ von innen oft mit Stoff zugehaengt; dass das eine akustische Sperre waere, kann man nicht unbedingt sagen. Campingplatzakustik, sozusagen. Die Gassen sind ohnehin so schmal, dass wir gerade mal so durchpassen, meistens jedenfalls, es gibt auch „Prachtgassen“… Auf dem Beton-Basketballplatz mitten im Dorf verbringt die Jugend den Samstagabend, den frühen zumindest, bis zum „Licht aus“ um 18:30; was sie tut, wenn irgendwann der Stromgenerator ansprint und hier und da ein elektrisches Licht aufleuchtet, wissen wir nicht. Volleyball und Basketball sind jedenfalls ungeachtet der geringen Koerpergroesse der Kunas sehr beliebt, aber all diese Ballspiele lassen sich offensichtlich besser in Jeans, T-Shirts und fetzigen Tops spielen. Nix Molabluse und Wickeltuch… Beim Schwaetzchen mit Morris Anecleto, einem älteren Herrn in den späten Siebzigern, angetan mit weißem „Marriott Panama“-Polohemd, kommen wir drauf, dass wir nun seit mehr als 3 Wochen keine Autos mehr gesehen haben (nichts gegen unseren Broetchengeber, aber autofrei ist auch mal fein). Anecleto erzaehlt aus alten Zeiten, als kurz nach der Revolution amerikanische Missionare nach Ailigandi kamen, die Marvels, er Kuna, sie Amerikanerin, und die jungen Leute mit Religioesem, aber auch mit medizinischer Versorgung und der Vermittlung englischer Sprachkenntnisse beglueckten. Das ist heute anders, wir konnten es hautnah beobachten. Die Missionare von heute vertreten die texanische Baptistenkirche und sprechen Spanisch mit den Kunas. Mittwoch kommen sie her, wir haben sie schon in Ustupu getroffen, 30 an der Zahl, Laien-Missionare auf 5-woechiger Kunareise; wir sahen es mit Skepsis. Wie uns aber der Pfarrer der hiesigen „Marvel Iglesia“ glaubhaft machen konnte, gibt es tatsächlich viel zu klagen, und darum ist ihm auch gleich, welcher Konfession Missionare oder andere Hilfswillige sind. Von den 2400 Dörflern paddeln nur noch wenige hinaus zur Feldarbeit auf dem Festland; kaum jemand geht zum Fischen. Reis gibt es statt Yams, Tomaten kauft man beim Kolumbianer, der gelegentlich mit dem Schiff vorbeikommt, stattdessen laesst man die Kochbananenpflanzen vergammeln. Das Geld fuer’s Alltaegliche kommt aus Panama City, wo viele Verwandte leben. Waehrenddessen verteilen finstere Gestalten hier auf den Inseln von irgendeinem Strand aufgelesenes Kokain, Bier ist sowieso frei verkaeuflich. Die Pfarr- und Lehrersfamilie versucht gegenzusteuern, und wenn denn kein Gottesdienst oder Schulunterricht ansteht, stehen alle mit auf dem Feld und baut mit einer Handvoll motivierter Doerfler Limonen, Orangen, Bananen und Kokos an, und versuchen neu zu vermitteln, dass man doch hier eigentlich im Selbstversorgerparadies lebt. Auch Yams gibt es von Pfarrers Feldern, und so gibt es morgen Yams auf AKKA – wir kriegten eine Probierportion geschenkt, mit einer Gebrauchsanleitung aus erster Hand.
Ein bisschen Bedauern schwingt nun mit, wenn wir an die viel zu schnell vergangenen letzten Tage denken – man braucht doch viel mehr Zeit, um mehr als nur einen fluechtigen Eindruck von wirklicher Kunalebensart zu gewinnen. Der letzte Abend in Mamitupu brachte uns ein paar Einblicke mehr. Da sitzen wir mit Pablo und Jacinto zusammen, hoeren ueber Mindesteinkommen (20 Kokosnuesse pro Monat = 20×25 US-Cent); waehrend die Kokospalmen und ihre Ernte einzelnen Familien gehoeren, sind die vielen Fruechte des Waldes frei fuer alle, und 20 an AKKA verkaufte Limonen (1 Dollar) sind ein gewaltiges Zubrot fuer eine Mamitupu-Familie. Guy von der MOANA hat einen Mamitupiano gebeten ihm Tagua-Nuesse zu bringen, zum Schnitzen. Als er die 50 Nuesse in Empfang nimmt und die verabredeten 25 Dollar uebergibt, rennt die Hausfrau mit einem bis Achitupu sichtbaren Lachen im Gesicht los: ein HUHN muss her an diesem Feiertag. 25 Dollar, das heißt „Monate lang ausgesorgt“. Pablo Nunez ist ein Kuna, der eine Weile in England gelebt hat und sogar mit einer Englaenderin verheiratet war (das ist absolut Kuna-Pfui!), und der betreibt auf der „boesen“, ich erwaehnte es bereits, Landspitze der Insel Mamitupu ein „Resort“. Fangen wir mal mit dem neuzeitlichen Teil des Resorts an: man koennte auch sagen, Pablo betreibt ein mit Porzellanschüssel, – handwaschbecken und Wasserspuelung ausgestattetes Toilettenhaeuschen, klassisch auf Stelzen über dem Wasser, und dazu gehoeren 4 Kuna-Huetten mit Haengematten; 100% Kuna, denn andere Moebel außer Sitzklötzen sind hier unbekannt; mal abgesehen von den Huetten der Baecker, da steht mittlerweile ein großer Gasherd neben einer Propangasflasche (übrigens zahlen wir in Mamitupu wie in Ailigandi einen Merikipreis für Brot: 10 Cent statt 5 für die Einheimischen). Pablos Resort gruppiert sich um ein offenes Gemeinschaftsdach mit zwei richtigen Tischen und Stuehlen – hier kocht sein Schwager, Jacinto, was er am Tage einheimsen konnte. Sollten mal Gaeste da sein – Yachties werden mehr nach dem Lustprinzip bewirtet. Wenn es nichts zu fangen gab, dann gibt’s Reis mit Kokosnuss oder Yams mit Kochbananen und Linsen. Sonst Fisch („…zu viel Wind!“), Langusten („…zu aufgewuehltes Meer!“), alternativ Meeresfruechte der leichter auflesbaren Art. Wir kriegten handgesammelte Meeresschnecken mit Tomaten-Bananensauce. Lecker. Getraenke: Wasser, Weisswein (AKKA, Tetrapak aus Chile), Rotwein (MOANA. Frankokanadier, klar: Pomerol. Zugegeben, nicht ganz – PomerolFLASCHE, gefuellt mit suedafrikanischem Chateau de Carton). Alkohol aus Kunahand (und in Kunablut) ist, bis auf die schon frueher erwaehnte Feiertags-Chicha, auf den traditionellen Kunainseln absolut verpoent. Nur auf unserem Plaetzchen da draußen, wo sowieso die boesen Geister hausen und nur Meriki-Boote ankern, spielt Alkoholgenuss keine Rolle, und so greifen Jacinto und Pablo bei den mitgebrachten Bierdosen (unsere letzte aus St. Vincent!) zu. Was die Nuchus wohl dazu sagen… Tja, Nuchus. Wir waren eben doch schon nah an den Kunas dran. Ein Nuchu ist ein Amulett, und das gibt es hier in jedem Haus, in vielfacher Ausfertigung, kleine, große, schwache, kraeftige. Nuchus kann der Tourist kaufen, aber gekaufte Nuchus haben keinen Geist und keine Macht. Ich las im Bauhaus-Sailing Guide, dass man vor einer Weile seiner Crew Nuchus geschenkt habe, und seitdem sei Schuldzuweisung an Bord leicht: Grundberuehrung?! Der Nuchu hat lange keinen Kakaodampf mehr gerochen. Streitigkeiten?! Nuchu im Seegang umgefallen. Kopfschmerzen? Nuchu guckt aus dem Fenster statt auf die Koje..
Zurueck nach Ailigandi. Gestern sind wir mit dem Dinghy den Fluss hinauf gepaddelt, dorthin, wo die Ulus verschwanden. Als wir uns in der Flussmitte an einem Baumstamm festmachen um zu verschnaufen und genießen, kommen zwei Frauen in vollem Kunagewand vorbei (nicht nur die Maenner paddeln gut und ausdauernd, auch die Frauen koennen das hervorragend). Das Ulu ist leer, also sind sie auf dem Weg zum Feld. Denken wir. Aber sie kommen bald mit ebenso leerem Ulu wieder vorbei… ?!?? Als wir eine Flussbiegung weiter sind, loest sich das Raetsel ihrer Fahrt: es tut sich ein weitraeumiges Friedhofsgelaende auf, mit – wichtig! – schoenem Blick auf den Fluss. Kein Mensch weit und breit, dafuer aber gedeckte Tische, volle Flaschen, Fruechte unter den Palmdaechern, die die Graeber beschatten. Das war wohl eine Fahrt zur Totenversorgung. Es ist ein bisschen – gespenstisch?! Haetten wir vielleicht ein Nuchu mitnehmen sollen?! Uebrigens sind wir gerade beim Dorfspaziergang zusammen mit der der Crew der HIGH STATES einem kleinen Desaster entkommen. So neuzeitlich die Ailigandianos sein moegen – der Initiationsritus fuer die Maedchen ist klassisch: eine große Chichazeremonie, und die ist heute. Neugierig stecken wir den Kopf in die Chichahuette – Alkoholdunst wabert uns entgegen, nicht unaehnlich deutschen Schuetzenfesten. Schon wankt ein freundlicher alter Herr, den wir gestern auf dem Fluss trafen, auf uns zu: „Ah, los Alemanes!“. Er hat zwei Trink-Kalebassen in der Hand… Mit knapper Not koennen wir darauf verweisen, dass wir erst mal unsere Yamswurzeln sichern muessen. Jetzt hoeren wir von fern Getrommel, mit dem schon der Tag begonnen hatte, abgeloest von tiefen Wummerbaessen Marke „Disko“. Neuzeit?! Ja. Nein. Ob Nuchus wohl gegen KATER helfen? Das wird uns so verborgen bleiben wie manches andere hier in Kuna Yala.

Monster, Molas, Mamitupu

Mamitupu/Kuna Yala, Panama, 29.1.2010

Eigentlich gehoert zu diesem Titel ein Bild – das wird nachgetragen: Eine Mama aus Mamitupu, eine Mola, ein Monster… Vielleicht kommt das Bild sogar ziemlich bald, denn es ist ein Projekt „AKKA-Blog-Administrator“ auf dem Wege, und dieser Admin kann demnächst per Funk gemailte Bilder online stellen; freiwillige Ersatzleute werden noch gesucht. Die Umlaute schreibe ich schon mal aus, damit das bald losgehen kann – ich hoffe, man kann den Text auch so lesen…

Monster, Molas ...

Monster, Molas …

AKKA rollt derzeit ordentlich in der Duenung; oben im Norden ist mal wieder typisches „except the Coast of Colombia“-Winterwetter, und dessen Gewelle erwischt uns hier vor der Ostkueste von Panama, auch wenn wir geschuetzt zwischen den Korallenuntiefen vor Mamitupu liegen. Seit zwei Tagen ist es dazu auch noch richtig truebe, der Darien haengt voller Wolken, ab und an regnet es sogar (…wie schoen, wie schoen! Der Dreck von Cartagena muss weg!). Was tut man bei solchem Wetter?! Man geht im Dorf Bro(e)t(chen) holen, 10 Stueck zu einem (teuren) Dollar, man besichtigt den „Flughafen“ von Mamitupu, landet mit dem Dinghy auf dem Festland an, um mal zu gucken, wohin eigentlich diese zig Ulus in der Morgendaemmerung fahren. Sie fahren natuerlich nur bis zum Strand, werden dort muehsam an Land gezogen oder im Fall einger Privilegierter an Stecken in der Brandungszone festgebunden. Da liegen sie dann, als viele kleine schwarze Striche und Punkte weithin sichtbar, den ganzen Tag, zwanzig, dreißig, fünfzig – sechzig zaehlten wir gestern vormittag. Was man NICHT sieht, sind Menschen. Herr und Frau Kuna steigen aus, nehmen ihre Machete und verschwinden im Unterholz. Der Pfad, dem wir folgen, ist zunaechst matschig und schmal, erweitert sich aber bald in einen Kokospalmhain hinein – ab und zu hoert man aus dem Gebuesch das Schlagen von Stoecken oder Messern, und dann kommen uns doch gelegentlich Leute entgegen: „…adonde vas?“. Wo gehst Du hin? Spazieren ist natuerlich in dieser Arbeitsumgebung eine befremdliche Antwort, und ich hatte zunaechst den Verdacht, dass dies eine Kontrollfrage sei, aber alle sind interssiert, nett, fragen nach dem Boot (auch AKKA ist ein „ulu“!). Der freundliche Mann, der uns am ersten Tag Langusten entgegenhielt, bietet heute handtellergrosse Krabben an; er zeigt uns wie’s geht: den Arm tief in die Gaenge stecken, Krabbe zuzwicken lassen und ziehen; ganz einfach. Eine Stunde spaeter treffen wir ihn, er strahlt: „Ya!“ Fertig! 15 Stueck hat er erwischt. Eine Gruppe junger Leute rodet ein kleines Feld fuer Yamsanbau. Die Familie, die uns ueberholt, ist leider des Spanischen noch weniger maechtig als wir, also versiegt die Unterhaltung im Gelaechter, aber schon an der naechsten Palme kriegen wir unsere Auskuenfte zu Kokosnuss und Co. Wie man den Bast abtrennt (Machete), wie man an die Nuesse kommt (raufklettern), wozu die Wasserloecher gut sind (Reservoir), wer die Nuesse kauft (Kolumbianer). Unsere Familie holen wir auch wieder ein, die sind dabei, eher winzige Krabben in der Uferzone zu sammeln, das Abendessen. Schoen nass werden wir in der Brandungsgischt, die Gummistiefel laufen mehrfach voll, aber wir sind ganz froh, sie zu haben – welcher Art die grasgruene Schlange ist, die sich da vor uns davonmacht, muss noch untersucht werden, aber sehr farbige Schlangen sind schon mal per se verdaechtig und noch verdaechtiger ist, dass die Maenner eigentlich alle Gummistiefel tragen… Der alte Herr, der uns mit einem Tragstock mit Kokosnussbuendeln entgegenkommt, ist vom Fotografieren nicht so angetan. Die alte Schule. In unserem 15 jaehrigen Segelfuehrer steht noch, dass Mamitupu eine der traditionellsten Gemeinden in Kuna Yala ist – eine Amerikanerin, die seit 15 Jahren hierher kommt, sagte sogar „… unfreundlichste…“. Im Buch steht: Fotos sind gar nicht erlaubt, man muss nach Sonnenuntergang das Dorf verlassen haben, Congresso findet taeglich statt… Aber in 15 Jahren tut sich ja viel, Congresso findet zwar regelmaessig statt, aber doch nicht taeglich, und ja, es gibt sie, die Frauen, die ganz fix ins Haus huschen, wenn sie unserer ansichtig werden. Aber noch mehr gibt es, die auch gleich wieder auf der Strasse stehen und mit bunten Molas winken. „Bakke mola?!“ Nein, vielen Dank, wir haben schon… . Ich gehe den Leuten nicht gern auf den Wecker und mag ihnen schon gar nicht auf die Fuesse treten, und so nutze ich lieber andere Anlaesse fuer Kontaktaufnahme, Yamile beim Heraufziehen des Ulus helfen, Brotkaufen oder auch Molas anschauen. Bei Yamile im Hof finden wir uns umringt von Kindern, Erwachsenen undefinierbaren Alters, klassische Molabluse steht neben Radlerhosen. Es ist schon fremd, und so kommt es dass man seine Kontakte doch gern mal bei den vertrauten Dingen beginnt: „…oink!“ Das Schwein in seinem Stelzenstall, gutes Gespraechsthema. Wann wird es geschlachtet?! Zum Kuna-Fest im naechsten Jahr! Aber dann kommen doch die Molas, stapelweise… Wir verabschieden uns mit dem vagen Versprechen wiederzukommen.
Und noch immer denken wir: Fotografieren ist nicht erlaubt. Mittlerweile johlen diverse kleine Freunde aber schon „Andrea, Andrea“, und Andreas „Andres“ schaekert ausgiebig mit aller Altersstufen – und siehe da, die Menschentraube, die sich um ihn versammelt, wird rasch groesser. Ich sage noch, als er die Kamera zueckt: „… lass mal..“, aber da geht schon eine offensichtlich bestellte Fotosession los. Jeder will drauf. Da heutzutage ja das Produkt sofort bewundert werden kann, ist das Geschrei gross, zig klebrige Finger grabschen nach dem Display, und ploetzlich stehen auch die Damen in Positur, mit Kindern auf dem Arm und ohne. Wundervolle Gesichter, wie wir hinterher sehen werden. Nur dem kleinen Sohn von Yamile ist der Typ, der sich da mit Mutter und Mola ablichten laesst, schwer unheimlich. Ein Monster aus der Suedheide, auf Kuna: „Meriki“, weisser Mann. Ist aber auch gruselig.

Die Monster schwingen sich uebrigens gleich ins Dinghy, Fotosession, 2. Teil: wir haben einen Kuchen gebacken und treffen uns mit den Frauen (und wahrscheinlich einem Rattenschwanz von Kindern) bei „la punta“, an der Inselspitze. Das ist da, wo keine Huetten stehen, denn angeblich wohnt dort „espiritu malo“, der boese Geist. Ein hervorragender Treffpunkt, um die versprochenen Ausdrucke der Fotos abzuliefern, mit einem kleinen konspirativen Touch. Mag sein, dass das mit dem Fotografieren in Mamitupu doch nicht ganz so im Sinne der Dorfaeltesten ist. Wir versuchen uns in monstermaessiger Zurueckhaltung. Im Zweifelsfall: Mola kaufen…

Weit, weit weg …

Ustupu, Kuna Yala/Panama, 24.1.2010

Da steh‘ ich auf dem Vorschiff und lasse mich begucken. „Hola“, „Buenos Dias/Tardes“ oder in der Kurzform „… buenos…“. Ein Einbaum nach dem anderen, „Ulu“ genannt, gleitet vorbei. Palmschoesslinge, Feuerholz, Baumaterial, Kochbananen. Wirklich fleissig sind die Kunas hier, in Ustupu, Kuna Yalas groesster Siedlung; der Segelfuehrer schreibt dazu: „8.000 Kunas plus the children“. Und eben diese Kinder sind wirklich zahllos. Noch mehr „Hola! Hola!“, zumal derzeit auch grosse Ferien sind.

Ustupu

AKKA-Ustupu 0124-1

Die 10 Schiffe, die mehr oder weniger zeitgleich aus Kolumbien hergekommen waren, haben sich aufgeteilt: AKKA plus 2 weitere sind von der Isla Pinos hierher gefahren, aber die Mehrheit hat sich gegen „hohe Bevoelkerungsdichte und fortschrittliche Lebensweise“ entschieden und sorgt nun daf�r, dass der Ankerplatz im wohl sehr traditionellen Mamitupu, ein paar Meilen weiter, aus den Naehten platzt.
Wir moegen es hier in Ustupu, auch wenn tatsaechlich 1 bis 2 mal am Tag ein Buschflieger auf dem nahen Airstrip landet; der ist nur mit Einbaum (wahlweise auch motorisiert), zu erreichen, das Abfertigungsgeb�ude eine palmgedeckte H�tte – das Plumpsklo, das nach Kunasitte auf Stelzen im Wasser steht, bitte nur mit g�ltigem Flugticket benutzen! Scherz beiseite: Gestern und heute habe ich in der Tat lange Zeit auf dem Vorschiff gestanden, meine kleine Plastikwaschmaschine betrieben und wie immer ein bisschen geflucht: Wasser einfuellen, Waesche auswringen, Wasser ablassen, Waesche wieder einfuellen, Wasser drauf, spuelen, wringen, spuelen… Derweil verwandelt der Wassermacher das Seewasser in Waschwasser,die notwendige Energie liefern Solarpanel und Windgenerator. Aber wenn dann diese Kunafrau vorbeipaddelt, muehsam gegen den starken Wind, das Ulu randvoll mit Kokosnuessen und ueberschwappendem Seewasser – dann wird mir schlagartig klar, dass es nichts zu fluchen gibt. Es ist mir fast unangenehm unsere Schaetze auf der Waescheleine zur Schau zu stellen: dicke Frotteetuecher, Bettlaken, all die Blusen, Hemden, Hosen. Jahrhunderte scheinen zwischen uns zu liegen – es mir noch nie so direkt vor Augen gef�hrt worden, wie reich wir doch sind, wir Segler alle miteinander, mit unseren voll ausgestatteten Schiffen, und seien sie noch so klein…

Die letzten Tage waren wir zum Abendessen drueben im Dorf – Wasser, Reis, Huhn, Linsen. Bier gibt es nach bester Kuna-Sitte nicht, nur Pepsi, das geht schon mal, oder richtig eklige Limonaden; Alkohol ist in vielen Kuna-Orten verpoent, nur zu Festivitaeten wird die Chicha angesetzt, ein angeblich sanft beduselndes Gebraeu aus vergorenem Zuckerrohrsaft… Kein Wunder, dass diese Festivitaeten angeblich eine betraechtliche Laenge erreichen! Wenn man Glueck hat, verfuegt das Restaurant ueber ein Solarmodul und kann eine Energiesparleuchte betreiben, ein Privileg in nur einer Handvoll unter Hunderten von Haeusern. Fisch, um zum Menu zu kommen, gibt es derzeit nicht – zu viel Wind zum Fischen; und die Langusten… Naja, die moegen wir nicht so, wir sahen die Kaefige mit dem Fang in der Lagune liegen, umrundet von Kuna-Huetten, vor jeder Huette das oben beschriebene Stelzen-Klo; ab und an ist auch noch ein kleiner Schweinestall dazwischen, echt praktisch, da selbstreinigend! Sehr nahrhaftes Wasser. Daher also Huhn auf unserem Teller. Aber, wo wir schon beim Essen sind: Kuna-Brot ist ein echtes Broetchen-Wunder. Und ausserdem verkauft der Baecker unseres Vertrauens auch noch viele andere Sachen, ein echter Kraemer halt: Stoffe f�r Molas, einzelne Windeln (nach denen immer die groesseren Geschwister geschickt werden!), Schulmaterial, Kochbananen, Desinfektionsmittel, Oel, Macheten. Und, als ultimative Geschaeftsidee, das Aufladen von Handy-Batterien. Steckdosen sind hier, wie man sich vorstellen kann, Mangelware, nicht so jedoch Mobiltelefone. Baecker Andres erklaert uns endlich auch die Sache mit dem Nationalsymbol der Kunas, dem „cruz gamada“… Das war VOR den deutschen Nationalsozialisten, darum ist IHR Hakenkreuz das richtige. Was er verschweigt, ist, dass das Kreuz wahrscheinlich von einem nordamerikanischen Siedler namens Marsh hierher gebracht wurde, und dass die Kuna-Revolution von 1925 Folgen hatte, die man als Rassenhygiene beschreiben kann; so wurden Kinder aus Mischehen zu Hunderten umgebracht. Ob es da einen Zusammenhang gibt? Wir sind der Wahrheit noch auf der Spur. Wie dem auch sei: keine „shakiras“ f�r die AKKA, das sind die breiten Perlenb�nder, die alle Frauenbeine und -arme schm�cken, in den Nationalfarben, rot und gelb und meist mit Hakenkreuz. Es ist ein Kreuz… Das sehen andere Seglernationen nat�rlich viel lockerer, und so weht es fr�hlich rot-gelb unter australischen und britischen Salingen. Mit Kreuz.
Dunkel, aber nicht duesterer Stimmung geht der Abend auf dem Dorfplatz zu Ende: auch hier eine Energiesparleuchte, die die versammelte Dorfjugend befunzelt. Und waehrend sich einige einen Spass mit und ueber uns machen, die wir uns im Dustern auf einer der Betonbaenke gepflanzt haben, werden wir von Naika ausdauernd und ernsthaft befragt. �ber den grossen Ozean, mit so einer Yacht!? Habt Ihr Karten?! Woher kommt das Wasser?! Der Proviant?! Wie weit ist das? Wie lang?! Wie ist das in Europa? „… ich dachte immer, dass all die Yachten, die hier anhalten, aus Panama kommen…“ Naika hat jetzt ein neues Lieblingsfach: Geografie, und er geht naechstes Jahr nach „Panama“ – in die hoehere Schule: “ …weit weg!“
Wir auch. Zurueck zur AKKA. Ganz nah und doch Jahrhunderte von einem Kunadorf entfernt.

Secretos del Mar

Isla Pinos, Kuna Yala/Panama, 21.1.2010

Secretos del Mar – das stand auf einem verfallenden, großen Fischerboot am Ufer der Insel Tintipan in den Islas San Bernardo, unserem letzten Ankerplatz in Kolumbien. So richtig viele „Geheimnisse des Meeres“ haben wir dort nicht lüften können, obwohl sich eine ganze Reihe von Fragen stellten. Unbewohnt hatte der Segelführer gesagt. Nun ja, zur Zeit zumindest. Man fragt sich aber, wem all die prächtigen nicht bewohnten Häuser gehören, die sich nach skandinavischer Ferienhausmanier im dichten Palmen- und Mangrovenbewuchs verstecken, alle paar hundert Meter eines. Oder auch, wem die verfallenden Anwesen gehört haben mögen, die sich dazwischen mogelten. Die Fischer der Umgegend kommen zwar offensichtlich zum Wasserholen herüber auf’s dicht bewachsene Tintipan, aber leben tun sie auf einem kahlen Felsen eine Meile vor der Insel. 40, 50 armselige Fischerhütten drängen sich dort. Dagegen hat jedes Haus auf Tintipan einen eigenen Anleger, meist prächtig auf Stelzen ins Wasser gesetzt, und auf dem Stegkopf schwebt ein offener doppelstöckiger „Empfangspavillon“ – unter dessen Palmblattdach immer eine Hängematte schaukelt, und darin der Wächter. Keine Chance zum Landgang für neugierige Segler… Der Betreiber der Tauchstation erzählt uns ein bisschen. „Reiche Leute aus dem Inland… Bogotá, Medellín…“ Hmh. Feriendomizile für kolumbianische Farmer mit der einen, ganz speziellen Ernte?! Der freundliche Fischer, dem das Benzin ausgeht, fragt jedenfalls nicht einen der „Hausmeister“, sondern kommt zu uns und bittet um ein Schälchen Sprit. Wir umrunden die Insel im Dinghy, tuckern durch die große Lagune und suchen uns einen Alterswohnsitz aus. Weiß-blau, ein bisschen griechisch-kubisch, das gefällt uns am besten. Wenn nur diese vielleicht fragwürdigen Nachbarn nicht wären, die es etwas protziger mögen. Andererseits: es muss das ganze Jahr ziemlich ruhig sein, nur zu den Festtagen, da wird hier der Teufel los sein.

Und nun? Kontrastprogramm Panama! Nicht Panama = Kanal, sondern „Kuna Yala“, eine sehr autonome Provinz, fast gänzlich unter Eigenverwaltung der indigenen Bevölkerung. Wir sind bei den Kuna-Indianern gelandet, wo Männer nach der Heirat ihre Machete nehmen und ins Gehöft der Ehefrau ziehen, wo ein „congreso“ tägliche Ratssitzung hält, und, wenn es sein muss, auch zu Gericht sitzt. Strandgut aufzusammeln wäre ein Vergehen, selbst eine angeschwemmte Kokosnuss ist Gemeingut. Jede Einbaumfahrt vom Dorf zu den Feldern oder zu den Fischgründen wird notiert – und, im Erfolgsfall, besteuert, der „segretario“ sitzt auf dem Dorfanleger. Ehen ausserhalb der Kunas? Bedeuten den Ausschluss aus der Gemeinschaft. Palmblattgedeckte Hütten mit gestampftem Lehmboden, der erste Einbaum, der zu uns kam, hatte zwar einen Außenborder – der „Gesandte“ des Sahila, des Dorfältesten, der seinen Obulus von uns forderte (natürlich mit offizieller Quittung!) – aber die anderen Einbäume werden gepaddelt, ordnungsgemäß nach Kanadierart. AKKA liegt vor der Insel Pinos oder besser „Tupbak“, Walinsel, deren Spitze (150 m) wir gestern schon erklommen haben; im Dorf Mamimulu haben wir in indianische Gehöfte geblickt und erste vorsichtige Tuchfühlung aufgenommen . Das zivilisierte Ende dieses Ankerplatzes ist mal wieder die kleine Seglergemeinde; uff – 10 Boote, es ist unglaublich, als wir ankamen waren es noch 4… Dazu traf gestern traf noch eine amerikanische Ketsch ein, voller Rucksackreisender – Segeln ist die einzige Alternative für Backpacker, die aus Zentralamerika nach Südamerika gelangen wollen, oder umgekehrt, wenn man denn nicht fliegen will. Dennoch ist es schön, und noch faszinierender als die kleine Insel Pinos ist für uns die gegenüberliegende Seite: man kann stundenlang dort hinüber starren, dahin, wo sich graue Regenwolken und Dunstschleier über Hügel- und Bergketten stauen. Der Darien – das unwegsame Urwaldgelände, das Panama und Kolumbien verbindet, Heimat für die Kunas (und für die FARC-Guerilla, auf der kolumbianischen Seite!). Dies ist die Gegend, wo die berühmte „Traumstraße der Welt“, die Panamericana, eine kurze Unterbrechung erfährt. Noch ein „secreto del mar“, oder, sehr frei nach Janosch: SEHR geheimnisvolles Panama!

Immer langsam…

Isla Grande / Los Rosarios, Kolumbien, 13.1.2010

Samstagmorgen, Abfahrt in Cartagena – was für ein „ankerauf“… Besonders die Ankerkette machte mir echten Spaß, mit all dem Bewuchs und Gematsche dran; und so etwas dauert… In einer amerikanischen Reisebeschreibung hatten wir gelesen, dass man „ernsthaft in Erwägung gezogen habe, den Anker im Hafendreck liegen zu lassen“. Ganz so schnlimm war es dann doch nicht, aber immerhin erwägen WIR nun in Panama eine Hochdruckpumpe zu erwerben, für weitere Eventualfälle… Dann Motoren und Wassermachen, und nach 5 Stunden: Platsch! Endlich. Schön war’s ja in Cartagena, aber die Wasserqualität…

Nun, nach 3 Tagen Ankern im klaren Wasser gibt es mal wieder eine Verschnaufpause, die einen Blogeintrag erlaubt. Wir haben wirklich ordentlich geschrubbt, begonnen mit einer Runde „Wasserlinie“ – und danach 3 Portionen „Freediver-Batterie leeren“, am erstaunlich dick bewachsenen Rumpf. Schaut man sich die Kruste an, die sich seit Spaanse Water angesammelt hat, könnte man meinen, dass unsere spezielle Art von „Hartantifouling“ nichts nutzt, aber die Kielsohle hatte schließlich gar keinen Coppershieldauftrag erhalten, und was AKKA dort angesetzt hatte, kann man getrost mit „Bart“ umschreiben. Die Rumpfflächen lassen sich ganz einfach mit dem Spachtel abziehen, Marke „Schneeschieben“, aber dieser Bart erfordert richtigen Kraftaufwand und erzeugt eine Menge feiner Schnitte und Kratzer an den Fingern (gegen die es ein einfaches Mittel gibt, stimmt. Handschuhe. Aber ich liebe es nun mal , wenn man beim Kochen den Einsatz von Limone und Salz so hautnah spürt …). Die BAERNE hatte uns in Curacao schon gewarnt, dass es in Cartagena so kommen würde, und als ich gestern zur Entspannung mal zur ENOLA rüberschwamm, gab es auch dort ein langes Gesicht: SO viel Bewuchs auf dem erst in Willemstad aufgetragenen Antifouling (und das ist ein wirkliches Schweinezeug, mit Zinn und all dem, was sonstwo nicht erlaubt ist…). Also sind wir mit dem Coppershield wieder versöhnt. Und ehrlich gesagt macht mir das Schrubben ja auch Spaß – ausgiebiges Schwimmen und Tauchen ganz ohne das Gefühl, die kostbare Zeit zu verdaddeln. Zu diesem Spaß trägt auch der stete Besuch bei, den wir ums Schiff versammeln – nicht so eine Augenweide wie in den Inseln, die hinter uns liegen, aber doch lustig anzuschauen: ein riesiger (!) Schwarm winziger Sardinen, dünn, kleinfingerlang, die in AKKAs Schatten Schutz suchen und im Gleichtakt alle möglichen Formationen einnehmen: in langer Kette rings um Schiff, locker um die Taucher gruppiert oder dicht gedrängt als dunkle Wolke, alles je nach Bedrohungszustand. Wild durcheinander heißt: „…haha! Kein Feind in Sicht!“ Aber fern sind die Fressfeinde nie: Unterm Kiel steht nämlich noch ein Schwarm kleiner Jacks, die offensichtlich kleine Sardinen mögen, und dann gibt es noch eine Gruppe halbstarker Toninos, die torpedoartig um ihre Beute pfeilen und ab und zu für gewaltige Unruhe sorgen. Da kann es schon mal vorkommen, dass die Sardinen in ihrer Panik die Taucher überrennen und man welche aus dem Ausschnitt grabbeln muss. Für die 5 Sardinchen, die wir zur Abendfahrt aus dem Dinghy lesen konnten, kam allerdings alle Hilfe zu spät.
Noch etwas Gutes ist an den Sardinen. Fischer Reynardo, der uns vor zwei Tagen schon einen Snapper verkauft hatte, zeigte uns vorhin, womit er den schönen Thun geködert hat, der jetzt in unserer Kühlbox liegt: Sardinen eben. Netter Mensch, der Reynardo, und freut sich, dass wir so ausdauernd hier liegen; sein Absatzmarkt für die nächsten Tage scheint gesichert. Außer Snapper und Thuns bringt er auch Papaya von der Insel; mal gucken, was er sonst noch so auf Lager hat. Wir freuen uns über den Fisch, er kassiert sicher gut bei uns ab und kriegt als Belohnung für AKKA- und andere Schmeicheleien noch einen Trunk aus dem bordeigenen Wassertank – für uns ein Vorgeschmack auf die San Blas Inseln, wo die Kuna-Indianer ganz heiß auf „selbstgemachtes“ Wasser sein sollen.
Für den Sprung hinüber warten wir noch das richtige Wetter ab. Und welches ist das richtige Wetter?! Viel Wind, wenig Welle?! Derzeit ist wenig Wind, viel Welle angesagt. Ist aber auch zu und zu schön hier…

Das war Cartagena…

Cartagena de Indias, 8.1.2010
Die Containerfrachter bemühen sich, die AKKA nicht zu überlaufen...

Die Containerfrachter bemühen sich, die AKKA nicht zu überlaufen…

Im Titel steht’s: Das war Cartagena. Für uns jedenfalls, denn morgen geht es weiter, zunächst mal zu den Islas Rosarios, das Unterwasserschiff reinigen. Es ist einfach unfassbar, was sich in dieser Großstadtlagune abspielen muss, um einen derartigen Bewuchs zu erzeugen. Vor zwei Tagen war ich mal kurz – jawohl, iiih! – tauchen, um wenigsten die Schraube von der dicken Muschelauflage zu befreien (Muscheln, das war jetzt für die Landratten und nicht-Biiologen, es sind nämlich keine Muscheln, sondern Krebstierchen!). Gehörgänge 5 mal mit Ehmscher Lösung spülen inklusive, aber ich habe es ohne Infektionen überlebt…
... denn AKKA liegt mitten in der Stadt - im Hintergrund die Highriser von Boca Grande

… denn AKKA liegt mitten in der Stadt – im Hintergrund die Highriser von Boca Grande

Ein bisschen traurig ist es schon, dass wir abreisen, und daher kommt jetzt das, was ich der BAJU versprochen hatte nicht zu tun: ein paar schöne Sachen über Cartagena aufzulisten, Andreas sucht seine Bilder dazu aus – wer Lust hat, kann sich auch hier eine  „wilde Bildmischung“ anschauen.
Am Markt - im Hintergrund die himmlische "Mandarinade"

Am Markt – im Hintergrund die himmlische „Mandarinade“

Gesamturteil: unbedingt anschauen! Und, BAJU, wenn Ihr nach Kuna Yala wollt, dann macht den Umweg – es ist nach so viel Inselei und Karibikleben einfach umwerfend. Historische Architektur, eine mehr als lebendige Altstadt, Straßenmusik und Museen.   Gemüsemarkt und Shoppingmalls, Kino, Straßenhändler mit „Limonada Natural; einfach: ganz viel südamerikanisches Leben.
Allein die Busfahrten (ich weiß, ich weiß! Immer die Busfahrten, aber es ist das am besten fassbare, normale Leben…). Die Schaffner, die in bester Geisterbahnmanier vom fahrenden Bus auf und abspringen und versuchen, Fahrgäste zu keilen. Ohne übervollen Autobus hätte mir niemals so nahen Kontakt zu dem jungen Kolumbianer bekommen, dass ich den Arm zerkratzen konnte an einer Gelfrisur, von der Andreas meinte: „… toll! Hält eine Woche, macht aber leider Löcher ins Kopfkissen…“. Ohne Busfahrten hätte man nie die Gelegenheit, sich von fliegenden Händlern Bonbons in die Hand drücken zu lassen, die man vor der nächsten Station (man weiß ja nie, wann oder wo jemand „Parada!“ ruft!) in aller Eile (wahrscheinlich teuer) bezahlen muss. Es sei denn, man gibt sie halt zurück. Wenn man sie noch nicht ausgewickelt hat. Das „agua! Agua!“ der Wasserverkäufer klingt manchmal ein bisschen wie „aua, aua“. Der Kaugummihändler lässt die Chiclets in der Pappschachtel rappeln. Ob der alte Mann mit den Antriebswellen auch was verkaufen…?? Quatsch, der wollte tatsächlich nur zur Autowerkstatt…
... wahlweise Obst vom Straßenhändler

… wahlweise Obst vom Straßenhändler

Vorgestern haben wir noch einmal das Abend-(von „Nacht“ wollen wir mal nicht sprechen) Leben aufgesogen und uns ins Familiengetümmel gestürzt; alles was Beine hat, ist abends in den Straßen unterwegs (und was keine hat, ist es trotzdem. In Kutschen gepackt oder auf dem Arm getragen…)
Das Tor zur Altstadt

Das Tor zur Altstadt

Kinder in allen Wachheitszuständen, Rollstuhlfahrer, Flitterwöchner. Hausfrauen mit Einkaufsbeutel, feine Gringos, der schlichte kolumbianische Tourist oder der ganz normale Cartageno.
Blog cartagena Nacht
Aus allen Löchern quillt die Musik, in stilleren Seitenstraßen geht man nur durch hölzerne Fenstergitter getrennt an den Wohnzimmern der Cartagenos vorbei und wirft verstohlene Blicke in geräumige Innenhöfe, begrünte Salons, möchte man sagen. Zum gelben Straßenlicht kommt ein Geräusch, das stets wahrnehmbare ist, mal fern, mal ganz dicht: das  Klippediklapp der Kutschen sorgt dafür, dass man sich in eine andere Zeit versetzt fühlt. Dann sitzen wir mal wieder „auf der Straße“. An einem wohlgedeckten Restauranttischchen: „A la ordén!“ wird mir immer in Erinnerung bleiben – gleich ob das gerade der Kellner sagt, der uns liebevoll bewirtet, der Halskettchenabieter, der Obstverkäufer, es klingt immer höflich und ist auch so gemeint. „Zu Diensten“.
Es ist gut, dass wir weiterfahren, und es ist ein Jammer – wir hätten früher kommen und doch die geplante Landreise unternehmen müssen. „Colombia es pasión“ heißt es derzeit überall. Auf einem der großen Kunststoffherzen, auf denen man sein Autogramm hinterlassen kann, steht: „Colombia  – el riesgo es que quieres quedar!“ – es besteht die Gefahr, dass Du Dir wünschst zu bleiben. Mehr als nachvollziehbar – schnell weg hier…