Invercargill, 26.2.2011
Da sind wir. Immer noch. Die Stadt bietet nicht so irrsinnig viel für den sensationshungrigen Touristen, aber uns war in den letzten, durch das Erdbeben belasteten Tagen auch nicht nach leichtherzigen „Abenteuern“, dazu brütet Andreas an einer Tonsillitis, also haben wir es uns in unserer „cabin“ auf dem Campingplatz in Invercargill gemütlich gemacht. Ab und zu scheint die Sonne, wenn nicht, können wir, anders als im Zelt, eine Warmluftheizung anstellen. Und wir können fernsehen, das heißt, die stete Informationsflut zum Fortgang in Christchurch verfolgen. Eine Nachfrage bei der SOLEIL in den Bahamas ergab, dass Klaus und Heidi keinerlei Ahnung von dem Erdbeben hatten und es gab ein paar ungenehme Stunden des steten Mailabrufens, bis klar war, das Tochter und Enkelin wohlauf sind. Andere Bekannte oder Verwandte haben die Stadt mittlerweile verlassen, Kommentar: „… das Haus steht, aber innen ist alles kaputt…“ So nahe und intensiv haben wir Erdbebenfolgen noch nie verfolgen können, umso größer unser Entsetzen über die Bilder von einstürzenden Arkaden, Supermarktregalen, die binnen Sekunden allen Inhalt in die Luft schießen. Und natürlich die entsetzlichen Bilder vom CTV-Building, der Kathedrale, den zerdrückten Bussen. Ganz harmlos, aber für uns Sinnbild des Erbebens, ist das Bild der Timeball-Station in Lyttleton: der „timeball“ steht noch, wenn auch seit dem letzten Beben (das ja das eigentliche war – dieses war „nur“ ein Nachbeben!) nicht in Funktion, aber das schöne, weithin sichtbare Funktionsgebäude überhalb der Stadt ist zu weiten Teilen zerstört. Hier hatten wir eine Woche vor dem Beben unsere Mittagspause gemacht.
Einen kleinen Anteil an Erdbebenfolgen tragen auch wir hier unten im Süden der Insel – als ich gestern Trinkwasser kaufen wollte, waren die Regale leer, Brot rationiert, Mehl ausverkauft – es werden alle Mittel genutzt, Versorgungslücken in Christchurch zu stopfen. Und dennoch: wenn man im Fernsehen verfolgt, wie effektiv und souverän dieses Disaster gehandhabt wird, wie systematisch man – mit Hilfe vieler, vieler Hilfskräfte aus dem Ausland – versucht, das Leben in die Stadt zurückzubringen, aufzuräumen, weitere Schäden zu vermeiden, bleibt uns viel Bewunderung für all die direkt Betroffenen.
Trotz all dem Schrecken wollen wir aber doch berichten, wie unsere Reise in Dunedin weiterging. Vorbereitet hatte ich das schon, aber wir waren „anderweitig“ beschäftigt, also kopiere ich das jetzt hier herein…
Cannibal Bay, 20.2.2011
Da fährt sie hin, die „Europa“, oder was auch immer für ein Hapag Lloyd Cruiser gerade an diesem breiten, schönen Sandstrand vorbeifährt. Den Hooker€™schen Seelöwen stört das wenig – und wir wollen ihn nicht stören, also gibt es kein Photo von Wildlife mit Hightec im Hintergrund.
Dunedin hatte zwei Geschenke für uns bereit, und die Otago Halbinsel noch ein weiteres. Der Besuch des Royal Albatross Centers auf Taiaroa Head war jeden Cent wert – ein schön gemachtes Infozentrum (und guter Kaffee), nette Führer; freundliche Albatrosse, nämlich nördliche Königsalbatrosse, sitzen auf ihren Nestern (24 an der Zahl) und zeigen einem mitnichten die bereits geschlüpften Küken. Wie gemein!
Man betrachtet die Kolonie aus einem Unterstand heraus in beträchtlichem Abstand. Wäre so viel Wind gewesen wie gerade am Cannibal Beach, dann hätten wir sicher auch Fütterszenen gesehen, aber das war mal schlechtes Timing: kein Wind, kein Flugverkehr, oder nur wenig, denn Flügelschlagen ist nicht unbedingt des Albatross€™ größtes Vergnügen€¦ Das Betrachten der Ausstellung mussten wir auf die Rückkehr vom zweiten Programmpunkt verschieben, nämlich Besuch einer Pelzrobbenkolonie (sehr putzige Jungrobben!) und danach der Strand der Gelbaugenpinguine. Das alles war für uns „business as usual“, Robben konnten wir auf Galapagos schon näher angucken, und die Gelbaugenpinguine sind zwar schön anzuschauen, auch aus der Distanz, aber erzeugen wenig „oh!“ Und „ah!“. Sie stehen halt in den Dünen umher, eine sehr kleine Population, dazu kam nochmals schlechtes Timing, denn etwas später wären vielleicht ein paar mehr von der Jagd heimgekommen – aber diese Pinguinart lebt auch eher solitär – ich denke, die oh-und-ah-Pinguinkolonien leben sicher auch von der Masse Tier, die man von manchen Bildern, zum Beispiel aus der Antarktis oder von subantarktischen Inseln gewohnt ist. Aber als wir damit fertig waren und zum Albatross Center zurückfuhren, sahen wir schon den Klumpen Touristen in die Luft starren€¦ Flugvorführung der Albatrosse. Andreas behauptet ja, dass die Pinguine aus Holz seien und für uns Betrachter in den Dünen verteilt wurden – ich denke wiederum, dass man die Albatrosse dressiert und zu unseren Ehren hat aufsteigen lassen. Wie auch immer: ein Geschenk der Natur.
Dann kam der Samstag in der Stadt. Kalt und regnerisch – der Besuch auf dem Farmers Market am Bahnhof erbrachte ein paar köstliche Haselnüsse (mit Chili und Limone, ganz leicht kandiert), Haselnussbutter, organisch-dynamische Zucchini für die Zeltküche, mit deutscher Bedienung. Aber diese kalten Füße… Lass uns in die Innenstadt gehen und einen Kaffee trinken. Da pfeift es uns schon um die Ohren. Nicht der Wind – eher die Hinterlassenschaften der schottischen Gründerväter von Dunedin…
Ein Pipe Band Wettbewerb! Schei… was auf die kalten Füße, das ist toll. Wir lassen diverse Bands an uns vorbeiziehen, laufen die Stuart Street bergauf und begucken den „Aufwärmplatz“. Da werden Sequenzen wieder und wieder neu gespielt – irgendein Trommler ist von der Rhythmus-Rolle, ein Dudelsack quiekt, statt zu pfeifen, irgendeine Pfeife ist falsch gestimmt. Rohrblätter für die Spielpfeifen müssen gewechselt oder neu geschnitten werden und mit elektronischen Messgeräten geht man reihum und testet jede einzelne Tonhöhe. Faszinierend.
Allerletzte Generalprobe – ich habe immer noch nicht mitgekriegt, wie der „Pipe Sergeant“ die Band dazu kriegt, das Stück auf die Zehntelsekunde zu beenden. Die Spannung in der Band steigt, und dann marschiert sie los. Wir verfolgen eine Band aus Queenstown, die eine makellose Vorstellung gibt – die Schiedsrichter umkreisen während des Vortrags die jeweilige Band, machen Notizen und ich kann bei einem ungnädige Bemerkungen zu einem unsauberen Schluss mitlesen. Bei unseren geht ist der Schluss aber wie abgehackt – und ich kann es sehen: der Sergeant macht einen winzigen Schritt vor – noch ein Takt, noch eine kleine Vorwärtsbewegung und „zack“. Aus.
Ceol Mor – große Musik. Das war Geschenk 1.
Für das 2. Geschenk hatten wir schon am Morgen Tickets gekauft. Wir waren im Kino und es war wunderbar: „The Kings Speech“, ein Film über den entsetzlich stotternden Vater der heutigen Queen und seine Wandlung zum – einigermaßen – routinierten Redner. Geholfen hat ihm der freche Australier Lionel Logue, der zum Schluss der ersten Kriegsrede kritisiert: „.. you still stammered on the „w“!“ und King George IV. antwortet: „… well, I had to throw a few in, so they knew it is me…“ Witzig und frech, schockierend „royal“ und sehr anrührend, eine unbedingte Empfehlung.
Danach kam wieder Natur, die Weiterreise in die Catlins. Cannibal Bay mit hohen Windgeschwindigkeiten und viel, viel fliegenem Sand, Seelöwen und … dem Kreuzfahrer im Hintergrund. Purakaunui Beach, unser erster „DOC“-Zeltplatz, Meeresrauschen und (sehr komfortables) Plumpsklo. Die Purakaunui Falls.
Curio Bay – ein Zeltplatz mit Einzelzimmern aus Agaven, und nachts hämmert unter einem die Brandung ans Kliff. Hectors Delfine, Gelbaugen-Pinguine und ein versteinerter Wald. Wenn nur das Wetter besser wäre!
Und nun Invercargill. Nicht schlecht! Der Queenspark, die Volieren für Papageienvögel, das Southlandmuseum und seine einzigartige Ausstellung zu den subantarktischen Inseln, den Aucklands, die Campbells, die Snares und die Antipodeninseln – nicht nur naturhistorisch, sondern auch viel Interessantes zum menschlichen Leben in dieser wahrlich abgelegenen Welt; vom Pinguinölproduzenten über Farm-Versuche bis zu den vielen Schiffbrüchigen, die wegen schlechter Kartierung auf den Aucklands gelandet sind.
Naja, und dann doch noch ein ganz aktuelles Exponat. Sir Anthony Hopkins… Ein Rennmotorrad… Alles klar?!
Unser Zeltplatz liegt ganz in der Nähe der Banfield Street, und in dessen Nummer 105 hat Bert Munro gehaust. Und gebastelt. An seinen Motorrädern, die man nicht nur im Museum zu sehen kriegt, sondern viel besser noch woanders. Ich habe ins Gästebuch geschrieben: „The most enjoyable hardware store ever seen“. Die Brüder Hayes hüten die Munro’schen Motorräder und stellen sie an Invercargills Haupstraße zusammen mit allerlei anderen technischen Exoten aus – inmitten von Rasenmähern, Kochtöpfen und Schraubenschlüsseln. Nicht nur der Film – „The World’s Fastest Indian“ (deutscher Titel, völlig dämlich: „Mit Herz und Hand“) – ist ein Muss für den Südinselreisenden, ein Besuch von Hayes‘ Hardware Store ist es allemal.
Das war’s zunächst mal. Morgen geht es weiter nach Stewart Island. Halsschmerzen kann man auch zwischen Kiwis und Kakas auskurieren.