Te Anau, 11.3.2011
Zurück auf… 200 m Höhe über dem Meeresspiegel, am Lake Te Anau, und wir haben einen „Great Walk“ hinter uns gebracht, einen der „Großen Wanderwege“ Neusselands. Groß, und auch großartig, „great“ eben.
Letzten Sonntag, bevor wir einen Trainingsspaziergang zu den Seeschleusen zwischen Lake Te Anau und dem Manapouri-See machten, hatten wir gebucht, den „Kepler Track“, online, wie sich das gehört: die 3 Hütten am Weg, Luxmore, Iris Burn und Moturau waren verfügbar, los.
Das mit dem Trainingsspaziergang war sicher eine gute Idee, aber es hätten doch ein paar mehr sein dürfen- meinen unsere Muskeln und Knochen. Am ersten Tag geht es erst mal 8 km bergauf (die Flachstrecken lassen wir jetzt einfach mal außer Acht), durch den schönen Scheinbuchenwald von Brodbay zur Luxmorehütte.
Naja, das war schon ein bisschen anstrengend für die Seglerbeine, vor allem meine, denn man schleppt ja nicht nur den Rucksack, ondern auch sich selbst. An der Baumgrenze ordnete Andreas eine Verschnaufpause an, es ist saukalt, ziemlich schnell mir auch, denn die Anstrengung lässt einen schwitzen. Eine strahlende Gruppe von Touristen, Kamera, Jäckchen, sonst nix, kommt uns entgegen: „… ein schöner Weg, und so einfach zu gehen!“ Ja danke. Können wir uns vorstellen, wenn man sich mit dem Helikopter dort hinauf fliegen lässt.
In der Hütte beziehen wir zwei Kojenbetten in den Gemeinschaftsräumen, mitten unter 55 schnarchenden Australiern, lustigen Israelijungs und der in Neuseeland unvermeidlichen deutschen Gemeinde. Die Gruppe tasmanischer Männer ist zwar altersmäßig wenig definierbar, wir scheinen aber nicht nur die untrainiertesten, sondern auch die ältesten Wanderer zu sein. Well, well…
Ich wache am Morgen mit einem kräftigen Husten auf, aber da kann ja nix machen – ging ja gestern auch ganz gut. Und nun kommt’s. Der Anstieg zum Luxmore Saddle, direkt unter dem Gipfel. „… Du kannst gerne vorlaufen!“ ist mein Standardspruch in den nächsten Tagen. Außer wasserfesten Hosen, die wir gar nicht brauchen werden, habe ich mir einen Satz Wanderstöcke gemietet – je älter der Wanderer, umso lieber mit Stöcken. Die Aussicht oben auf dem Kamm ist , zu beiden Seiten, umwerfend, bei gutem Wetter und wenig Wind, aber dennoch… Die Regel heißt wohl: „nicht raufgucken“, was ich natürlich nicht lassen kann – rauf ist ja nicht so schlimm, viel weiter rauf müssen wir ja nicht, aber vorausgeschaut ist genauso deprimierend. Man sieht auf Meilen, dass es runter geht, über den Kamm, rauf, runter… Es scheint endlos, aber mit Schrittzählen, Tempo drosseln, Trinkpausen schaffe ich es bis zum „Hanging Valley Shelter“. Schnauf.
Wir treffen einen jungen Arzt aus Invercargill, der dort auch Mittagspause macht, es ist mittlerweile 15 Uhr. „Was ist DAAAS denn da unten, diese Serpentinen!“ Ach, sagt der Arzt, das ist nur eine kleine Steigung.. Gut das wir aneinander vorbeigeredet und ich außerdem in Fuchsscher Manier oben und unten, rauf und runter verwechstelt hatte. Zumindest sprechen wir von unterschiedlichen Steigungen. Ein munterer Mensch kommt vorbeige“hikt“, dicker Rucksack – „och, ich komme gerade von den Gates“. Toll. Sehr aufbauend, der hatte also keine Pause in Luxmore gemacht. Er lobt uns noch für unserer Mut, dass wir nach 30 Jahren mal wieder eine Mehrtageswanderung machen, wirft die Beine und verschwindet bergab. Und wir dann schließlich hinterher, Gerölliges wechselt sich mit kleinen Steigungen ab und geht in Bohlenwege und -treppen über, und schließlich in enge Serpentinen, die die ich von oben gesehen hatte.
Jetzt machen sich die Stöcke bezahlt – ich wusste ja, dass meine Knie „bergab“ nicht so mögen. Jeff, der junge Ranger auf der Luxmorehütte hatte erwähnt, dass man ab der Baumgrenze bis zur Wieselfalle 44 gehen müsse – das sei tröstlich zu wissen, wenn man müde werde. Hatte ich jedenfalls so verstanden, aber ich kann es dann unterwegs nicht glauben. 1, 2, 3 – nach 1 1/2 Stunden sind wir bei Nummer 12. Das darf einfach nicht wahr sein, meine Muskeln schreien „Pause“ und „weitermachen“ abwechselnd, und ich greine mit Andreas rum ob er auch nur die geringste Ahnung habe, wie weit es wirklich noch ist. Er ist natürlich cool wie immer, ein bisschen mitleidsam schon, aber es hilft ja auch nichts – es muss jetzt sein. Bei Falle 24 dann sehen wir im Tal ein Dach und wanken auf die Hüttenterasse. Iris Burn erreicht. Die jungen Deutschen, die natürlich längst angekommen sind, frage ich, ob sie mal gucken können, ob meine Beine noch dran sind. Sie sind’s. Der Ranger von Iris Burn ist Robbie, der eine gute Rangershow abzieht, mit lustigen Geschichten zu hinterlassenen Männerunterhosen, Abfallpolitik auf Berghütten, Anekdoten von Keas, die ihr Unwesen auf dem Gelände treiben und dass Frauen gern auf dem Kamm Steine sammeln, die aber ihre Magie verlieren, so bald der neue Morgen graut, die Steine, nicht die Frauen; also bleiben die Gipfelsteinchen in Vielzahl an, in und um die Betten liegen. Zwischendrin brauen wir uns Leckeres aus der Alutüte, zum Beispiel etwas zu scharfes Thai Chicken Curry, Beef Teriyaki oder ähnliches. Mit Wasser aufgießen, stehen lassen und nach 10 Minuten genießen. Nicht die schlechteste Küche, wirklich. Aber im Endeffekt falle ich nur zu gern nach dem Hut Talk sofort ins Bett.
Aufstehen nach dem Sonnenaufgang – die ersten Eifrigen sind schon los – heute geht es zur Moturau Hut, und für die Eifrigen gleich zurück nach Te Anau. Mal abgesehen davon, dass wir keinen Zeitdruck haben, wäre es schade, die schöne Moturau-Hütte auf der Wanderung auszulassen. Die liegt (sandfliegenumschwärmt) im Wald am Manapouri-See, der leise plätschert, die Berge grüßen ringsum – hätten wir nur nicht, trotz weitgehend ebenerdiger Strecke den Fluss entlang, derartige Puddingbeine, die jeglichen Drang zu zusätzlicher Bewegung, und sei es nur ein Kaltwasserbad, ersterben lassen. Im Gegensatz zum Vortag hatte mir zwischenzeitlich das linke Knie hübsch weh getan. In der Tat sind die Beine so, dass ich jede noch so kleine Steigung – von denen es natürlich dann doch eine Handvoll gibt, die erste direkt nach dem Abmarsch von Iris Burn – lautstark beklage ,und dass ich dann am Abend in Moturau sitze und froh bin, dass die Knieschmerzen zeitlich begrenzt waren und der Großzehennagel nicht so blau wie befürchtet; all das führe ich wirklich auf den Pudding zurück. Keine Übung, keine Ausdauer = schlackerne Gelenke und rutschende Füße. Ach ja – auf der Terassenbank neben mit saß der Arzt aus Invercargill. Solche Blasen wie seine haben wir noch nicht gesehen, und der linke Großzeh blau wie ein Veilchen.
Der letzte Tag ging dann schon routiniert und vergleichweise leichtfüßig vonstatten. Die Flußbrücke in Rainbow Reach queren wir in hinterlistiger Absicht – ab hier gibt es einen Bus, der einem die letzten 9 km erspart. Wir sind ja nicht im Wettbewerb…
Ach ja, Wettbewerb. Wir haben mit Übernachtungspausen 3 Tage und 6 Stunden für die knapp 60 km gebraucht. Tja.
Doug schrieb uns kürzlich eine Mail: „… hatte ich Euch mal erzählt, dass ich den Kepler Trail auch schon mal gelaufen bin?!“ Gelaufen. Gelaufen ?! Nein, hatte er nicht, und er hat uns auch glücklicherweise nicht gesagt, was so ein mittlerer Kepler-Trail-Runner für die Runde braucht. Der Rekord liegt bei …
4 Stunden und 37 Minuten.
Wir sind HELDEN, die Helden vom Kepler Trail!