O-o-o-opua, 21.7.2011
Happy Birthday nach Berlin, lieber Neffe, mal am Rande bemerkt, alles Liebe, viele gute Ideen für’s neue Lebensjahr!
Im Süpazifik wenig Neues. Heute ist richtig spätes Frühstück dran, AKKA wackelt im Starkwind, da fällt einem wenig anderes ein. Ganz im Gegensatz zum Wochenende…
Da war ja für Northland schönes Wetter vorhergesagt und im Radio hatte es seit Tagen einen Werbeclip für „The Whangarei International Rally“ gegeben, also: nix wie hin zum ASIAN PACIFIC RALLY CHAMPIONSHIP-Lauf, am Sonnabend. AKKAnauten-Geschichte…
So richtig spektakulär war es ehrlich gesagt nicht, und der „Flexi-Service“ in Whangarei ein vergleichsweise ruhiges Plätzchen. Wir denken halt 20 Jahre und mehr zurück, als im Rahmen unserer Weltmeisterschaftsläufe Mobiltelefone noch Pilotenkoffergröße einnahmen und mein Macintosh Computer einer der wenigen weit und breit war, dafür aber viele Mechaniker umeinander wirbelten und ein Haufen Fahrzeuge zu koordinieren war.
Immerhin war Alister McRae da und knödelte mit Andreas auf schottisch, und an der nächsten Wertungsprüfung stand neben uns ein alter Kiwi-Ford-Mechaniker, mit dem man lustige Geschichten aus diesen zauberhaften alten Zeiten austauschen konnte: „GREECE, The Acropolis Rally…“! „…and PORTUGAL… Remember those spectator crowds?!“ So richtig wie im Altersheim. Da standen wir im Kuhscheiß auf matschigen Weiden, im peitschenden Regen und ließen unter uns Rallyeautos vorbeifahren. Schön zu sehen und nett sich zu erinnern, und – weit, weit weg.
Sodann: am Sonntag die nächste Portion „history“. Das Wetter ist fein und verspricht auch so zu bleiben, also ist dies der Zeitpunkt, den kleinen Ausflug dorthin zu machen, was hier in Northland als „the far north“ bezeichnet wird; mancher wird es nicht glauben, aber wir hatten immer noch nicht die Gelegenheit, Cape Reinga zu besuchen. Auf dem Weg dorthin Picknick mit Pferden (unsere Kiwi-Braeburn-Äpfel werden sehr gern genommen, wir vertilgen derweil mitgebrachten Nudelsalat…), allgemeines Gedankenschweifen über die erdgeschichtliche Entwicklung dieser dramatischen, aber so schönen Landschaft – und dann holpern wir 15 km durch’s Gehölz. Kauri Sanctuary steht da, Schutzgebiet für Kauris. Es wird ein kurzer, aber wunderbarer Marsch durch den bergigen Wald, und allen diesen dicken Bäumen, leichthin 1000 und mehr Jahre alt, wünschen wir von Herzen noch ein langes (über)Leben. 4000 Jahre können diese dicken Riesen werden, wirklich ehrfurchtgebietende Wesen, übrigens einhäusige Bäume, Herr und Frau Kauri gaben sich die Ehre.
Wieder mal bin ich dem – von all den Jägern und Anglern und sonstigen Naturnutzern (Seglern!) – so geschmähten DOC dankbar für seine Arbeit. Dankbar für den schönen Schotterweg hier herauf, vor allem für die Schutzbemühungen. Ob Kauris wohl die Chance haben, weitere 190 Millionen Jahre Erdgeschichte zu überleben? Wahrscheinlich nicht… Die aktuellen Bemühungen wirken schwach, wenn man sieht, mit welcher Geschwindigkeit die Kauri-Wälder von uns modernen Siedlern vernichtet wurden, wie viele einzelne Individuen noch übrig sind.
In Kaitaia beziehen wir ein Zimmer im Northerner Hotel – mit einer Warmluftheizung! Und weil Neuseeland am Sonntag in einen Halbschlaf verfällt, gibt es den Spätnachmittagskaffee bei McD… The Far North schläft besonders tief, denn das gepriesene Steakrestaurant ist auch geschlossen. Immerhin hat das benachbarte Schrottartikel-Wunderland namens The Warehouse offen („… where everyone gets a bargain…“ ! Schlechtes Zeichen: wenn man all diese Radiomelodien mitsingen kann, ist es Zeit zurück in die Inseln zu segeln. „… and come back any Kerikeri time!“ ), wir erstehen einen Brenner für Crà¨me Brulée (für festsitzende Schraubenverbindungen…) und eine Plastikkiste, die meinen Seegraskorb für Plünnen am Niedergang ersetzen soll. Was man eben alles im Fernen Norden am Sonntagabend so macht.
Der nächste Tag – Frühstück mit belgischen Seglern mit der gleichen Idee, und einer deutschen Familie dazu („…unbedingt Gumdiggers Village besuchen!“) – bringt noch schöneres Wetter, wir machen uns auf den 150 km langen Weg zum Ende der Kiwi-Welt. Viel Sumpf, viel Rinderzucht, und immer wieder Wald, Vulkanreste, Weiden, bis wir endlich den Punkt „Cape Reinga“ auskreuzen können.
Man sagt, es sei ein besonders deutsches Bemühen, diesen – eben nicht nördlichsten – Punkt von Neuseeland zu erreichen, aber dem ist nicht so: erstens gibt es viele Touristen, insbesondere die Kiwis selbst, die zumindest im Sommer bis hierher vorstoßen, schließlich beginnt hier der „90 Mile Beach“, ein mit dem Fahrzeug befahrbarer Strand, egal, ob mit Auto oder Strandsegler, und außerdem locken die Dünen zum Sand Tobogganing, Dünen-Surfen, mit dem Brett oder mit Schlitten. Ziemlich „kiwi“-mäßiges Sommervergnügen!
Wir schauen uns mit Genuss, da zu dieser Jahreszeit ziemlich allein, die Südsee an, die sich nach Norden erstreckt, gucken hinüber zum North Cape, das noch ein paar Meilen weiter hinaus reicht und zu den Three Kings Islands, die Abel Tasman 1643 entdeckt hat, am 3-Königstag, daher der Name. Und erfahren, dass es nicht nur die ausländischen Touristen (ich sag nur: China…) sind, die es herzieht, nein, das Kap ist – wie die Inseln – Teil der Maori-Mythologie, und darum gibt es auch einige Maori, die hierher pilgern. Leicht zu unterscheiden, wie immer. Touristen: Fleece und Windjacke. Maori: Flipflop, Bermudas, Spaghetti-Trägerkleid… Kiwis eben, um das Vorurteil zu bedienen.
Rückfahrt! Da Kaffeestationen – ohnehin selten auf dieser Strecke – in der Winterzeit eher geschlossen sind („New Zealands northernmost tavern“ ebenso wie andere), kriegen wir unseren Nachmittagskaffee erst in Awanui, im Gumdiggers Park. Zunächst sitzen wir (leider ein bisschen zu lange, wie sich herausstellen soll) auf der Terasse, schlürfen den Kaffee und ratschen mit dem Besitzer über etwas ganz Wichtiges, „garden gnomes“, Gartenzwerge. Die Zeit geht uns dann im wirklich interessanten „Park“ ab, Geschichte, 3. Teil: nicht gar so weit zurückliegend, denn Gum Digging, die Gewinnung von Kauri-Harz, ist ein Teil der Siedlungsgeschichte, und doch ganz, ganz weit zurückliegend, denn den Großteil des Harzes gewann man, bis in die 50er Jahre hinein, aus sogenanntem „Ancient Kauri“. Das sind Bäume, die durch Katastrophen wie Tsunamis, Vulkanausbrüche o.ä. gefällt im Sumpf versanken und Hunderte, Tausende und Abertausende von Jahren hier lagen. Und endlich verstehen wir, warum Gummistiefel in Neuseeland „gum boots“, freundlich auch „gummies“, genannt werden.
Das hat nichts mit Gummi oder rubber zu tun, sondern: man brauchte hüfthohe Stiefel, um in der Matsche nach „gum“, dem Kauri-Kopal zu graben, zu stochern, zu fischen. Diese Art Kauri-Bernstein wurde exportiert und in der Lackherstellung verwendet, ein sehr einträgliches Geschäft. Wenn man mit Aufmerksamkeit an den Farmen in der Umgebung vorüberfährt, kann man von den Postkästen ablesen, wer hier die Hauptarbeit geleistet hat: Illich heißen die Farmer zum Beispiel, oder Matulich. Dallies werden die hier genannt, arme „Dalmatiner“, die ihr Auskommen für die Familie in Europa verdienten – und die machen noch immer einen großen Teil der hiesigen Bevölkerung aus.
Schwein gehabt mit dem Wetter auf dem Ausflug – schönster Sonnenschein, zauberhafte Ausblicke und viel Geschichte.
Und nun?! Ist das Wetter bescheiden – heute hängen wir in der Ecke, lassen AKKA an der Mooring zerren und warten ab, bis die vorhergesagten stürmischen Winde abflauen. Abreise?! Nächste Woche? Wir haben gestern einen unserer Kiwi-Meteorologen, Bob McDavitt, getroffen und natürlich übers Wetter gesprochen… und nun kommt noch einmal der magische Teil aus dem Blogtitel. Zu den Wetterfakten kommt, wie er sagt, eine Prise Zauber. Ganz so, wie Winfried, unser deutscher Wetter-Guru sagt: „… sieht so und so aus… könnte klappen … bin gespannt, wie Ihr’s macht!“ Wir auch.