Falehau, Niuatoputapu/Tonga, 15.10.2011
Wat is‘ dat heiß inne Tropen! Wir hatten ganz vergessen, wie es auf 15 ° Süd ist, und man fragt sich rückblickend, wie wir das immer ausgehalten haben in den vergangenen Jahren, eigentlich seit Gambia?! Als wir gestern etwas platt in Niuatoputapu ankamen – es ist völlig egal, ob man 3.000, 800 oder nur 180 Meilen läuft, ob man 20, 6 oder nur eine Nacht „durchwacht“, man ist platt! – war „was trinken!“, „Sonnensegel aufspannen!“ und „in die Ecke plumpsen!“ angesagt. Wir liegen vor Falehau, den beeindruckend regelmäßigen Vulkankegel des Tafahi, mit Wolkenhütchen, im Hintergrund. Nicht allzu lange konnten wir gestern „plumpsen“, denn da das Wochenende droht, mussten wir noch schnell einchecken, national zwar nur, aber es ist ja gleich, welches Büro am Freitagnachmittag schließt, und dazu galt es 4 km Landstraße von Falehau zum Verwaltungszentrum nach nach Vaipoa zu laufen. Siehe oben – ist das heiß in den Tropen… Recht lange mussten wir allerdings nicht gehen, an einer der ersten Kreuzungen hielt ein Toyota Double Cab, eine fröhliche Frau winkt: “ … you want a lift?!“ Oh, gern! Paea Fifuta nimmt uns mit, wir werden später noch mehr über sie erfahren und der Leser dann auch – Paea ist die „nurse practitioner“ auf Niuatoputapu, sie leitet die Gesundheitsstation, in Ermangelung eines Arztes. Viel zu schnell für längere Schwätzchen sind wir an den bescheidenen Verwaltungsräumen, die sich in Behelfsgebäuden nahe der High School in Vaipoa befinden. Paea lädt uns aus und kündigt an, dass sie uns auch zurückfahren werde – was wir aber ablehnen (malo pe, heißt das hier), wir müssen schließlich auch mal was gegen Segler-Stöckchenbeine tun. Einklarieren geht in unserem Fall extrem einfach, wir geben unser Papier aus Neiafu ab, erklären woher, wohin und wann und sind entlassen. Nach ein paar Schritten Richtung Hauptort Hihifo* machen wir kehrt. Wir haben noch eine Frage zu stellen… Wer ist Muli?!
An diesen Inseln ist – außer, dass Niuatoputapu „besonders heilige Kokos(insel)“ heißt – nämlich etwas Besonderes; darum hatten wir aus Neiafu einen Auftrag mitbekommen: ein österreichisches Boot bat uns, besagtem Muli eine kleine Fotodokumentation zukommen zu lassen, eine Dokumentation mit gruseligen Bildern. 30. September 2009, 06:45 – wie so oft hier in der Gegend, am Rande des Tongagrabens, „wackelt die Wand“. Man denkt sich nichts dabei. Eines von vielen Erdbeben… In Neiafu hatten wir vor ein paar Tagen ein Funkgespräch aufgenommen, wo eine Frau sich beklagte, sie habe kein Wasser mehr in der Zisterne habe, die Leitungen seien wohl defekt, und der Ehemann fragte lakonisch: „… did we have any little quakies lately?!“ Little quakies. Das klingt richtig niedlich: ein Erdbebchen. Aber hier in Niautoputapu denken sich an jenem Morgen doch einige etwas, dieses Beben war mit 10 Minuten ziemlich lang. Wir lesen später in einem Büchlein über die Geschehnisse, dass unsere freundliche Fahrerin Paea ihre Kinder rausschickt, sie sollen doch mal das Wasser beobachten; es soll ja schon mal zu Tsunamis gekommen sein. Es dauert nicht lang, bis Kaleni schreiend zurückkommt: „… es sieht ganz komisch aus, es kocht!“ Und kurz drauf ist die erste Welle da – so um die 2 Meter, schon ziemlich viel für diese Lagune, sie schwappt in die Gärten und die Häuser am Strand und über die Straße. Kalenis und anderer Zuschauer Geschrei schreckt die anderen Bewohner auf, aber bis eine wirkliche Fluchtreaktion erfolgt, ist die zweite Welle da, geschätzte 5 m hoch. Um 07:10, also eine Viertel Stunde nach dem Beben, kommt es dann ganz dicke, die letzte Welle wird mit bis zu 15 m Höhe angegeben, fatal für 9 Menschen, die es in diesem kurzen Zeitraum nicht in die Sicherheit schaffen, die meisten davon auf einem Truck, der Flüchtende aufsammeln will und und genau deshhalb nochmals umkehrt. Zerstörerisch für Falehau, Vaiapo und Hihifo. Besonders von Letzterem ist kaum noch ursprüngliche Bebauung zu sehen, wenn, dann mit deutlichen Schäden – und der Rest sind neue Gebäude, Behelfsheime, Zelte unter Mangobäumen. Nicht, dass Hihifo und Vaiapo besonders prächtige Orte gewesen wären, aber nun gibt es dort kaum noch etwas. Keine Bank, kein Supermarkt, keine Verwaltungsgebäude, aber es hatte doch sogar ein „New Millenium-Building“ gegeben. Alles dahin Paeas Krankenstation ist ins Hinterland gezogen und die nette Kindergärtnerin, die uns ihr „Tsunami-Heftchen“ in die Hand drückt, sagt so gelassen wie sehnsüchtig: „Wir warten! Wir warten darauf, dass das Dorf umzieht – wir sollen an den Bergrand…“ Aber bis dahin ist alles „Tonga“, wir merken es. Die Kindergärtnerin betreibt nebenbei einen kleinen Laden, wir kaufen Zwiebeln aus ihrem Garten, aber – Tonga! – wir bekommen besagtes Heft geschenkt, und als wir unvorsichtigerweise nach Mangos fragen, schreiten wir mit 6 ebenfalls geschenkten Mangos von dannen: Tonga eben – was man hat, wird geteilt. Und, wie unser (empfehlenswertes!) Büchlein „Making Sense of Tonga“ beschreibt: wer Gefallen an etwas äußert, muss sich nicht wundern, wenn er mit dem Gegenstand oder eben mit den gelobten Mangos in der Hand weiterzieht.
Wir werden noch mehr erfahren, zu Inselgeschichte und Tsunami, zum Leben hier allgemein. Sia war die junge Frau, die uns unsere Frage nach besagtem Muli beantwortete, und Sia lud uns spontan zum Essen am Sonntag ein. Umu … Da hatte der Eigner doch von geträumt. Vorhin kamen Sias Schwestern und Schwäger im Boot vorbei – Sia hatte gefragt, ob wir vielleicht ein bisschen Benzin für den Außenborder beisteuern könnten, für den Erdofen muss noch gefischt werden. Tonga – was man hat, wird geteilt! Also los – die einen fischen, die anderen kochen. „… und wenn Du Kuchen backen kannst, dann mach doch bitte einen Schokoladenkuchen…“ Klar doch. Ich wollte den Salon sowieso mit etwas Brotdunst anheizen, da spielt die um einen Schokoladenkuchen verlängerte Backofenzeit keine Rolle.
Puh, ist das heiß in den Tropen…
Bis bald!
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* Danke Brigitte, jetzt macht Dein Mailbetreff „Unterwegs nach Hihifo?“ Sinn. Was bin ich für eine Pennerin; das war ergoogelt, oder?? Klar, unser Hauptort heißt „Hihifo“! West… Aber vom Standort Vava’u aus war das „tokelau“. Nord.