… und ein seltsames Erbschen Hirn

Minerva Nord, 25.11.2011

Hieß es beim letztem Mal noch, dass Minerva ein merkwürdiges Fleckechen Erde sei (bemerkenswert ist es allemal!), so muss ich heute zugeben, dass mein Gehirn ein bemerkenswert kleines Erbschen sein muss.
Die Funkerei… ich habe kaum den Funken einer Idee. Die VELA verhalf uns zwar zum Download der Wetterdateien – Holger schmiss für uns sein Satellitentelefon an, aber das war ja keine Dauerlösung, und die Schwierigkeit „Mailausgang ja – Maildownload vielleicht/eher nicht/manchmal“ bestand weiter.

Die Aussage, dass die Ausbreitungsbedingungen für die hiesige Gegend offensichtlich schlecht sind, bleibt zwar bestehen, aber die Lösung war doch recht einfach. Auf dem Weg von Opua nach Tonga hatte ich mich im August an einige Leute um Hilfe gewandt, an die Winlinkbetreiber (häufig Amateurfunkpuristen mit einer latenten Antwortschwäche und einem Hang zu „Du Dussel“-Tiraden), an Len von der PRESENT, der wiederum André einschaltete, der das gleiche Problem von einem Funker aus der Arktis berichtete; MAHUINI und wir waren also nicht die einzigen. Aber eine Lösung brachte damals erst die geografische Änderung Richtung Tonga. Jetzt hatte ich „Funkfreund“ Martin vom Pactor-Hersteller SCS angeschrieben, nicht weil ich dachte, dass etwas mit dem Modem falsch sei, sondern ich mir von den Winlinkern nicht wieder ein „if something went wrong YOU made a mistake“ einholen wollte und die Reihe der übrigen Ansprechpartner nicht allzu groß ist. Zur Erklärung: die Zahl der „Sailmail“-Funker ist deutlich größer als die der Winlink-Nutzer. Sailmail ist ein kommerzieller Funkmail-Dienst mit wenigen, aber starken Stationen, das Winlinknetz wird von den Amateurfunkern betrieben, auf der gleichen technischen Basis, aber nur wenn der Amateurfunker genügend Energie, Zeit und Geld in den Betrieb steckt, sind die Stationen wirklich gut. Meine Helden im Pazifik betreiben Stationen wie Atwater (Kalifornien, 4900 Meilen von hier!), Hawaii, Melbourne. Sydney, Wellington etc. fallen schon deutlich ab, da ist Geduld gefragt, und der Wecker, der einen früh oder auch in der Nacht erinnert, dass es „propagation time“ ist, man kann nur hoffen, dass nicht allzu viele andere sich zum gleichen Zeitpunkt wecken ließen. Einsamer König in der Winlinkstationenrunde war André in Belgien, mit einer gigantischen Richtantenne und gleich 4 Pactormodems, die gleich 4 Funkern gleichzeitig Zugang bieten (ein fünftes Modem hat vor einiger Zeit ein Blitzschlag erwischt…), aber André ist leider hier nicht mehr zu erreichen. Da aber meine Geduld nicht die längste ist und die Sailmailer ihr System so loben, hatten wir auch schon mal daran gedacht, 250 US$ im Jahr bei Sailmail einzuzahlen, für den Seelenfrieden. Andererseits gab es – bis auf den selten aufglimmenden Neid auf gleichbleibend starke Sailmail-Funksignale – bislang keine wirklichen Schwierigkeiten, bis eben auf die Minerva-Gegend.

Der äußerst freundliche und zugängliche Martin von SCS maulte ein bisschen, weil mein Problem kein eigentliches Pactormodemproblem sei, aber er ging dennoch auf die Frage ein – und schloss mit dem Hinweis, dass es vielleicht doch Einstrahlungen sind. Hmh. Das kenne ich wohl – wenn ich nach SPRECHverkehr die Ausgangsleistung nicht zurück regele, „kackt“ auf manchen Frequenzen die Verbindung ab; die Versuchsanordnung ist ja: ein Computer ist via USB-Kabel mit dem Pactormodem verbunden, dieses wiederum auf kurzem Weg mit dem Funkgerät. Der Rechner schickt seine Befehle ans Modem und das Funkgerät bläst sie dann gewandelt in den Äther, nur dass volle Leistung teilweise in die Bordkabelage zurückfließt. Kurz, mit meiner eigenen Funkerei störe ich u.U. den Verkehr zwischen meinem Computer und dem Modem; aber das war nur selten ein Problem – unter 30% Leistung tun’s auch und sind eine Wohltat für Nachbarn, deren Radio anderenfalls ein fröhliches „krrchhh-krrchhh-krrchhh“ von sich gibt (über Minuten und Minuten, ich liebe die „full blast“ Kollegen…), gut auch für die eigenen Leuchtdioden an unserer Schalttafel oder für rhythmisch aufglimmende Glühbirnen. Viele Funker kennen diese Art Diskobeleuchtung, die man dann in der Nacht gern beobachten kann.

Peinlich, was Martin mir nun anriet: In Neuseeland das Modem auf Bluetooth umzurüsten. Kein Kabel, keine Störung. In Neuseeland?! Nun ja. Seit Bonaire ist das Pactormodem Bluetooth-geeignet, seit Cartagena bin ich im Besitz eines Bluetoothadapters für die Rechner – aber die vorsichtige Amateurfunk-Hausfrau befolgt halt gern die alte Weisheit: „… never touch a running system!“ Gestern war es dann so weit – mitten im Minerva-Riff. Ran an den Feind. Das (Ver)Sicherungssystem sieht auf AKKA vor: einen Ersatzrechner, einen Ersatz-Ersatzrechner und einen in Funkdingen funktionstüchtigen Altrechner. Das nennt man auf fein-deutsch „Redundanz“!
Rüdiger Hirches („Amateurfunk an Bord“) Anleitung zur BT-Installation, erst kürzlich nochmals hervorgewühlt, funktionierte auch nach Jahren noch und das Suchen der Treiber-CD war die schwierigste der Aufgaben (wer hätte es gedacht, im Ordner für Programm-CDs). Installation, Neustart, ein bisschen Spannung und Rumspielen – fertig.
Unnötig zu sagen, dass wir wieder uneingeschränkt empfangsbereit sind. Erst ratlos, nun drahtlos. Kleine Hirne finden (unter Anleitung) auch manchmal eine Lösung.

Für die technisch nicht Interessierten: Heute genießen wir noch einmal das Blau – der Ebbe-Riffspaziergang gestern war unglaublich: Der erste Eindruck ist „Wüste“. Mitnichten! So viele Nacktschnecken! Kammmuscheln, die in Panik die Schalen zuklappen und die Kinder von der benachbarten PEGASUS vollspritzen. Alle möglichen Fische flitzen in den flachen Tümpeln umher und warten auf die Flut. Und dann die 3 Papageienfische riesigen Ausmaßes, die am Außenriff in einem tiefen Koralleneinschnitt in der Brandung schwappten: strahlend türkise Brocken im Tiefblau, vor glasig-grünen Wellenkämmen und blau-blau-blauem Grund. Und morgen geht es weiter. Neuseeland ruft.

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