Molas, Brasilianer, Kakadus

SYD Opera+Bridge

Sydney, 29.2.2012

07 Uhr morgens. Der Regen rauscht durch die (trockenen) Platanenblätter vor dem Fenster, unterm Lodge-Balkon rauscht der Stadtverkehr über den nassen Asphalt.  Mittendrin sind wir mit unserem „Kaminzimmer“ in der Macleay Lodge, mitten in Sydney, und mittendrin, wo der Bär steppt. Angeblich. Kings Cross – Sydneys Rotlichviertel. Da ich wegen Schlafmangels heute nacht mal kurz aufgestanden war, dachte ich gleich an Naturbeobachtung und Bärensteppen, aber irgendwie war niemand zu sehen, der steppt, und auch kein Bär.
Dennoch lässt sich hier, mitten in der Stadt Natur beobachten, denn die ersten Kakadus sind uns schon um die Ohren geflogen. Und Bäume voller Flughunde gab es auch schon zu sehen – im Botanischen Garten.

Also, wir sind gestern in Sydney eingeschwebt.  Aerolineas Argentinas – sehr nett, endlich mal wieder ein paar Brocken Spanisch in den Ohren. Molas scheinen in Südamerika jetzt Mode zu werden – ich musste alas notorische Leute-Ansprecherin erst mal fragen, wo die Damen ringsum die Handtaschen mit den kleinen Mola-Applikationen haben – um festzustellen, dass die Damen keinerlei Ahnung haben, was überhaupt eine Mola ist und was die „hübschen Stoffflicken“ zu bedeuten haben.
Brasilianisch gab es auch, denn die beiden jungen Herren, die uns so trefflich einrahmten, kamen aus Porto Allegre und tauschten sich verbal und essensmäßig miteinander aus: „So pao!“  – ja klar, ich musste nur das Brot weiterreichen. Und als der Co-Pilot der Kabinenmannschaft die Landung mit dem schönen Wort „aterrizacion“ ankündigt, fiel mir gleich wieder ein dass „landen“ zumindest in Ecuador nicht „aterrar“ heißt sondern caer. Fallen. Nomen est omen, aber Argentinier landen ganz normal.

Irgendwie geht es hier in Australien ein bisschen stringenter ab als im freundlichen  Neuseeland. Schon zum Einreihen in die Passkontrollschlangen wurde ein bisschen gebellt, der „City Ranger“ blafft den Taxifahrer an, der uns vor der Lodge ablädt. Oder sehe ich das selektiv, weil ich „schon immer“ Australier ein bisschen sehr geradeaus fand? Wir sind gespannt.  Jedenfalls ist Sydney eine ziemlich große Stadt, muss der Provinzler vom Inselstaat nebenan feststellen. Hektik! Verkehr ohne Ende!  Aber dann auch wieder glasklares Meer mitten in der Stadt, ruhige Seitenstraßen. In Wooloomooloo lagern rund um die Polizeistation (samt Apotheke und Arztpraxis) die Gestrandeten der Zivilisation. Nee, keine Aborigines (davon gab es bislang nur einen schicken End-Teen zu sehen, mit Skateboard…). Die Konsumenten von Alk und anderen Freudenbringern. Dafür zwischen Oper und Potts Point ein wunderschöner Botanischer Garten.  Ein ganz normaler Moloch.

Wir werden es uns angucken.

Zum Schluss noch unser Sonntagsnachmittagsspäßchen aus Auckland.  Da tut sich ja auch einiges – die Viaduct Harbour City, frisch in Glas und Stahl  fertiggestellt und mit dem Rest der Stadt durch eine Fußgän ger-Klappbrücke verbunden, beeilt sich gerade, das VOLVO OCEAN RACE zu bewillkommnen. Also liegen wir auf riesenhaften Hartholzliegen herum und lassen Auckländer wie Touristen an uns vorbeistreifen, genießen den Blick auf den Hafen – bis Andreas auffällt, dass der Fernsehturm versetzt wird… Donnerwetter!

AKL Tower Crane
Ein Turm am Kranhaken…

Und dabei waren wir am Vortag noch oben drauf und haben den Blick auf diese wunderschöne Stadt genossen. Diese Lage im/am/ums Wasser ist unschlagbar.

AKL Tower View

AKL Skytower1Es kostet ein bisschen Überwindung, sich in 200 m Höhe auf diese Glasplatten zu stellen…
Noch mehr Überwindung hätte es allerdings gekostet, sich am Bungee-Seil in die Tiefe zu stürzen.

Bulletins und Pläne

Opua, 15.2.2012

Nun sind wir doch nicht weggekommen vom Wellenbrecher, obwohl wir doch gern ein paar Tage hinaus in die Bucht gefahren wären. Aber nee, wir kriegen es immer wieder hin, den rechten Zeitpunkt zu verpassen.

Am Freitag war Ausflug nach Whangarei angesagt, denn nach dem Dahinscheiden einer weiteren Batterie war nun doch der Austausch der Verbraucherbatterien dran, und der freundliche Pierre von AA Solar in Silverdale wollte sie uns direkt in die Hand drücken, „um 17:00 Uhr“.  Neuseelandzeit. Offensichtlich haben wir es mit einer Zeitverschiebung von 2 Stunden zu tun, die Zeitgrenze muss zwischen Auckland und Whangarei verlaufen.  Aber immerhin, mit 6 neuen AGM-Batterien beladen – ächz, armer Mitsubishi! –  schritten wir noch schnell zum Einkauf bei „Pak ’n Save“ und zur abschließenden Kaffee und Fish ’n Chips mit den Velanern.

Dann tröpfelte der Samstag so dahin, Sonntag, Montag …   „Ist sowieso besser wenn wir mit dem Segeln warten, bis Dein Fuß begutachtet ist…“. Ich bin’s in Schuld!

Aber nun ist der Fuß begutachtet, ich muss nicht mal mehr zu einer weiteren Kontrolle einrücken, sondern darf noch eine Woche Aircast-Schiene tragen, auch die Krücken habe ich noch nicht von mir geworfen (wie die Freifrau von Droste-Vischering, die ja zu diesem Behufe zu-hum Heil’gen Stuhl von Trie-hier ging, tri, tra, Trier ging!) , aber ich nutze beides nur noch sporadisch. Das Physiotherapieangebot habe ich ausgeschlagen. „Gehört aber zur Behandlung!“ Den Grund für die Ablehnung sieht man weiter unten…

So richtig verdödelt haben wir die Zeit nämlich nicht, ich näh‘ mir einen Wolf an verschiedenen Dingen, Seitenteile aus Plastipane-Scheiben, ein neues Biminituch und eine Rückwand dazu, alles mit der Fuchsschen oben-unten-innen-außen-rechts-links-Schwäche und unter entsprechendem Fluchen gefertigt. Ich brauche dann demnächst wieder ein paar Kilometer V69-Polyestergarn und ein Schock Nahttrenner! Während der Eigner sich den Freuden des Internettens ergibt – und die Pläne für die kommenden Wochen der Verwirklichung näher bringt.

Jappadiduu!  Da mit dem Hinkefuß Wandern in Neuseeland leider ins Wasser fällt, gibt es eine „Ferienreise“. Her mit den Rücksäcken! Leihauto! Leihauto?! Leihauto-s, zwei an der Zahl… Ein Campervan und dann noch für 10 Tage ein Vierradler.  What for?! Paul von der GIGI meinte gestern,  dass wir den 4WD gleich brauchen würden… er muss es wissen, denn er kommt aus… AUSTRALIEN!  Aber er hatte mich missverstanden, ich hatte angekündigt, dass wir den Backpacker Camper von Sydney nach Alice Springs benutzen wollen, aber verschwiegen, dass die Reise nicht ganz direkt geplant ist, sondern via Melbourne und Adelaide. Coober Pedy kommt auch vorbei – mal wieder ein Kindheitstraum, denn Cousine Christel war damals in den 60ern dort. Und jetzt wir. Der Vierradler ist dann für die Gegend um den Uluru gedacht. dem sattsam bekannten „Ayers Rock“. Der Welt zweitgrößter Monolith – mit eigenen Augen!  Wir freuen uns.

Flüge sind gebucht, billig billig mit Aerolineas Argentinas, und ein Hotelchen in Sydney gibt es auch schon.  Jetzt muss ich nur noch wieder lernen auf dem Hacken zu gehen.

Bis bald!

A upane, ka upane!

Maoritanga. So san's, die Maori

Maoritanga. So san's, die Maori

Opua, 6.2.2012

6. Februar – neuseeländischer Nationalfeiertag, genannt „Waitangi Day“. Waitangi ist der Ort, an dem – zum Schutz gegen mögliche Territorialansprüche der Franzosen auf der Südinsel – die Briten den Maoris einen Vertrag unterjubelten, über den heute noch gestritten wird. Die Maori-Version entspricht „nicht ganz“ der englischen, aber im Endeffekt war das Waitangi Treaty  der Startschuss für die Selbständigkeit Neuseelands.  Was Maoris heute dazu sagen?!  Das konnten wir in den letzten Tagen an einem Bus an der Brücke nach Waitangi lesen:  „Nur Verräter verkaufen ihr eigenes Land!“

Waitangi liegt gleich hinter Paihia, unserem Einkaufsdorf, also: AKKA quasi mittendrin. Im Rummel. Denn zum Waitangi Day gibt es verschiedenerlei Ansichten.

Ansicht 1, Segler: „… ach, die rudern mit ihren Kanus an den Strand, dann machen sie „uuh“ und blasen auf einer Muschel. Danach gibt es was zu essen, weil sie ja schon so lange unterwegs waren, und dann ist es gut. Muss nicht, kann aber…“
Klingt ja nicht so berauschend…

Ansicht 2, ein Südinselbewohner (und der wahrscheinlich die Kiwi-Bildzeitung liest):  „…oh, ganz vorsichtig! Da sind immer Unruhen und viel Polizei und Gewalttätigkeiten!“

Ansicht 3, die AKKAnauten. In Opua liegt, wie schon im vorigen Jahr, eine Fregatte der NZ Navy, zwischen Russell und Waitangi eine weitere –  ist doch Militärschutz nötig?! Quatsch, der Waitangi Day ist ursprünglich eine Erfindung der Marine , der Tag ist erst seit den 70ern (umstrittener) Nationalfeiertag und hat sich erst seitdem zu dieser Art Volksfest entwickelt. Auf dem Weg zum Waitangi Treaty Ground stellen wir also fest: … ganz schöner „Rummel“ hier. Zuckerwatte, Fastfood, Kitschstände und laute Musik. Immerhin gibt es eine Hüpfburg für das notleidende (Maori-)Kind.

Aber dieser Gang war ja schon NACH dem Erlebnis des Tages.  Ortseinfahrt Paihia – Andreas lässt mich raus, weil am Strand 3 große Wakas liegen, Kriegskanus und es versammelt sich auch Volk, Gucker zumeist, am Strand dagegen die „Aktiven“.

Wakas, Maoris - ist hier was los?!

Wakas, Maoris - ist hier was los?!

Man hört Muschelhorntöne, klingt gut und verlockend. Ich lasse mich ins Gras plumpsen.. Nicht lange danach geht es „ab“…

A upane - ein Schritt vor

A upane - ein Schritt vor

Ein echter Haka! Wechselgesang aus Anführerkommandos und dem Chor der Antwortenden. Ihr dürft mich hauen – aber ich finde das umwerfend! Die Grimassen, die Stimmen – das macht Gänsehaut. Als der Tanz vorbei ist, wischt sich die Neuseeländerin neben mir ein Tränchen aus dem Augenwinkel: „… ist das nicht fantastisch?! Was für eine Kraft – ich habe mein ganzes Leben hier verbracht, aber ich bin immer wieder überwältigt!“  Passt zu meinem Kloß im Hals, und ich kann mir gut vorstellen, wie einschüchternd so etwas auf Gegner wirken mag.

Zum Schluss wurden wir eingeladen mit den Maoris in die kleine anglikanische Steinkirche zu gehen, wo eine Rede zur Waitangi-Historie und zum Verhältnis zwischen Maoris und Pakeha (den Weißen) gehalten wurde. Und eine weitere Rede, von der man nix verstand. Maori eben. Bis auf eines. Die Rede neigte sich wohl dem Ende entgegen, es wurde auch gekichert, sodann riss der Redner die Augen auf, kam auf uns zu, dazu tief und rauh und sehr laut: „A upane! Ka upane! UUAAAH!“. Wie auch immer der Zusammenhang war – die Maoris lachten, die zuschauenden Touristen inklusive der Schipperin zuckten vor der martialischen Geste zurück.  Huch! Ein Schritt, vor! Noch ein Schritt vor!

Ein bisschen Demo gibt es dann doch: am Flaggenmast. Wo man sonst gern versucht, die alternative Maoriflagge über der von Neuseeland und besonders der Navyflagge zu hissen, hatten sich heute die Umweltschützer versammelt, Maorifahnen mischten sich mit Aufforderungen „moana“, das Meer zu retten und Ölbohrungen einzustellen.

Alle auf einen Blick. Die Navyflagge, links die United Tribes of New Zealand und rechts die Queen. Nicht zu vergessen unten in schwarz-weiß-rot die moderne Tino Rangatiratangafahne.

Alle auf einen Blick. Die Navyflagge, links die United Tribes of New Zealand und rechts die Queen. Nicht zu vergessen unten in schwarz-weiß-rot die moderne Tino Rangatiratangafahne.

Ich belausche dann noch, während wir das etwas kompliziert anmutende Anlanden des großen Kriegskanus auf dem Waitangi Ground beobachten, ein Gespräch zwischen zwei jungen Neuseeländerinnen über Multikulturalismus, Benachteiligung von Rassen in Neuseeland und über Maoritanga im Allgemeinen: „… schade, dass es davon nicht mehr gibt, aber die Zeit wird das schon bringen… “ Irgendwann ist das Kanu dann an Land, bis zum nächsten Jahr. Ich würde mir das alles wieder anschauen, von wegen „… machen uuh, und das war’s dann“.

Danach noch eine größere Kaffeeklatschpause im Waikokopu-Café. Die Whangarei-Truppe hatte sich eingefunden, VELAs und ENOLAs, lustig. Segeln statt „maoritanga“.

Immerhin brachte der Tag mir endlich einen Hei Matau ein, zum Umhängen. Der berühmte Fischhaken, mit dem Maui, der Schöpfer, die Nordinsel aus dem Meer gefischt hat. Wohlstand und Stärke soll der Haken bringen und stets eine sichere Seereise garantieren. Passt genau.

Und a upane, ka upane… an Schritten vorwärts, wenn auch an Krücken, hat es heute nicht gefehlt.