Sydney – Stadt und Leute

Blue!! Mountains. Der blaue Dunst ist Eukalyptus-Dampf...

Blue (!!) Mountains. Der blaue Dunst ist Eukalyptus-Dampf...

Katoomba, 7.3.2012

Das ist der Fluch der bösen Tat – oder der Säumigkeit: der Blogger weiß schon nicht mehr, wo er, wo sie anfangen soll.

Sydney liegt hinter uns, wir stehen da, wo wir nicht hinwollten, nämlich in einem BRITZomobil, wie wir die Dinger in Neuseeland (wir sind ja echte Kiwis mit einem richtigen Kiwi-PKW*) verächtlich genannt haben, und Britzomobile stehen halt auf Campingplätzen alle zusammen. Huh. Wir gehören zur Herde. Wir hatten einen „Backpacker“ gebucht, das sind die abgelegten Campervans von Britz und Maui, Apollo und so fort, und kriegten gestern doch tatsächlich einen BRITZ Voyager vorgesetzt – dabei hatte ich getönt: „… nee, aber bitte kein BRITZ!“  Never say „never“…

Das Mobil ist jedoch von der Firma sicher gut ausgewählt, der gemeine Australien-Campervanfahrer leiht sich das Ding für 2, max. 3  Wochen und hätt’s gern schön und sauber; unsere  Pläne sehen eher die „harte Tour“ vor, und so sieht unser Voyager zumindest innen auch aus: definitiv ziemlich gebraucht, Marke: „… den können wir gut nach Alice Springs schicken!“  Uns soll es recht sein. Eine Nummer größer als gebucht, aber alles in allem recht für unsere Zwecke.  So what. We hit the road. Zwar hatte der Eigner mit Leatherman und Grips eine Reparatur schon „ausgeführt“, ein frei baumelndes Relais, das wir bei der ersten Ölkontrolle entdeckten, aber wir waren heute trotzdem mal vorsorglich in der Werkstatt; Diagnose: alles bestens. Suuper.

Zurück auf Null dieser Australienreise. Zunächst mal meine Entschuldigung an alle Australier, die ich mit „Gebell“ und „direkter Art“ getroffen hatte: bislang waren alle sehr nett.
Und ein paar waren besonders nett.  Sydney war natürlich viel „Rumlaufen in der Stadt“ und die derzeitigen Regenfälle hier in New South Wales haben es ja wohl sogar bis in die deutschen Nachrichten geschafft, also könnt Ihr Euch denken, dass es auch viel „Rumgelaufe in Museen“ war. Und anderen Sehenswürdigkeiten.

Nummer eins: Mittwochnach(t)mittag – der Himmel wird schwarz und schwärzer, wir nähern uns dem Maritime Museum und die aufmerksame Ticketverkäuferin mahnt uns, doch bitte zuerst die Schiffe im Hafen anzuschauen – es könnte schließlich „etwas regnen“.   Wohl wahr (wir haben uns für den Rückweg dann Plastiktüten zum Überstülpen geleistet!). Auf den Schiffen trafen wir auf die erste Serie begeisterter Freiwilliger, die in Sydneys Museen Dienst tun und mitreißende Führungen veranstalten, hier Peter, Paul und – nein, nicht Mary! – John.  Zerstörer, Gewürzhändler, UBoot.  Voller Begeisterung, voller Spaß an der Geschichte der beiden gar nicht mal so alten Navyschiffe, voller Geschichten um „Blockadebrechen“ bei großen Manövern und Gruselstories über das UBootfahren rund um die Technik. Und dann Paul auf dem Gewürzhändler  „Duyfken“ (einem Nachbau) voller Freude an Geschichte und Entdeckungsreisen, mit einem dicken Stein im Brett für Heinrich den Seefahrer und die Portugiesen im Allgemeinen, voller Witz.  Es war ja nicht  Cook, der als erster Europäaer australischen Boden betreten hat, und Paul hat zur Duyfken, dem holländischen Gewürzhändler (so um 1600) gleich eine Aborigines-Geschichte beizusteuern: der Kapitän, Willem Janszoon, wurde nämlich, als er im Golf von Carpentaria Wasser bunkern wollte, von den Aborigines zunächst mal nett empfangen. Bis er nach eben solchen Mengen von Wasser verlangte, nämlich fässerweise, dass es den Aborigines merkwürdig vorkam: das kann man doch nicht alles auf einmal trinken!  Nein, so viel Wasser gibt es nicht! Und schon flogen die Speere.  Recht hatten sie…  Und damit war die erste „Entdeckung“ Australiens beendet. Und Janszoon keinen Schimmer, dass er da einen neuen Kontinent betreten hatte.

Damit war Tag 1 1/2 geschafft, wir waren so platt wie unsere Füße (ja, danke, der Ferse geht es ziemlich gut! Dank Crocs…).

Joern Utzon - zur Eröffnung der Oper keiner Silbe wert...

Joern Utzon - zur Eröffnung der Oper keiner Silbe wert...

Tag 2 (den ersten halben lasse ich ab jetzt weg…) hatte schönes Wetter für uns bereit, also: Botanic Garden zwo (denn der liegt auf dem Weg) und dann  THE OPERA HOUSE. Oder anders: nette Guides, 2. Teil.  Megan.  Wieder voller Freude für dieses besondere Bauwerk, Sympathie für den ursprünglichen Architekten, den man zur Einweihung nicht nur nicht eingeladen hatten, sondern den man nicht einmal erwähnt hat. Das ändert sich mittlerweile. Jörn Utzon ist zwar mittlerweile gestorben, aber man übernimmt für die Renovierung des Opernhauses mehr und mehr die alten Pläne Utzons, hat dazu seinen Sohn engagiert und Megan meinte hoffnungsfroh: „… und dann haben wir irgendwann ein originales Utzon-Operhaus“.  Es war aber auch so beeindruckend genug, die Größe, das Design. Die Urteile schwanken zwischen „Gruppensex von Schildkröten“ zu Bill Brysons „Reiseschreibmaschine gefüllt mit Austern“. Der Welt modernstes „Weltkulturerbe“-Gebäude, der Wiedererkennungswert liegt auf dem zweiten Platz. Hinter „Mickey Mouse“! Megaan konnte übrigens noch eine besondere Eigenschaft der Australier belegen: die Spielfreude. Die Oper überstieg die geplanten Baukosten um 90 Millionen Dollar – die Diskussion war groß, wie man das wohl bezahlen sollte, bis man auf die Idee kam, eine Opernhaus-Lotterie zu starten. Ganze 18 Monate hat es gedauert, bis die spielfreudigen Australier ihre Ikone bezahlt hatte. Aber nicht nur vom Opera House konnte Megan schwärmen, sondern auch von Veranstaltungen… Und dazu später mehr.

Sydney Opera House. Beeindruckend

Sydney Opera House. Beeindruckend

Freitag, 3. Tag in Sydney, Regen, Regen, Regen. Und „nette Guides“, die nächste: Diana, voller Witz für Sydneys Siedlungsgeschichte in den „Hyde Park Barracks“, den restaurierten Unterkünften für die Verbannten. Unglaubliche Geschichte(n) konnte Diana produzieren, von der Tatsache, dass fast 30 Jahre vergingen, bis überhaupt eine Unterkunft für die Verbannten geschaffen wurde (bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Sträflinge, oder wie man sie nennen will, am Nachmittag um 15 Uhr frei, damit sie sich eine Unterkunft suchen konnten; natürlich musste man bei diesem System nach Sonnenaufgang erst einmal nach diesen Leuten suchen, die hier doch eine Kolonie für das Britische Empire aufbauen sollten – sehr effektives System). Bis der Schotte MacQuarie kam (jetzt weiß ich endlich, wie man den ausspricht!) und für „Ordnung“ sorgte. Die Sträflinge waren über die neue Unterkunft begeistert und bauten sie in Windeseile und bester Perfektion, bis sie merkten, dass es nun mit der schönen Freiheit vorbei war… Zu spät. Die „Siedler“Geschichten endeten bei Dianas Mutter, die die Sträflingsvergangenheit der ersten Bewohner (85% waren Diebe, und eher Mundraub als gelegentlich mal ein Pferd…) standhaft negierte; aber, so Diana, sie wurde nicht müde zu betonen: „… we are 6th generation Australians – and… WE ARE BRITISH!“.
Ach, schön ist es, sich Geschichte so plastisch vorführen zu lassen, und zu sehen wie Diana, liebvoll und bedauernd die kleine Holzsilhouette ihres Lieblingssträflings in den Arm nahm. Johnny Johnson. Der ließ keine Zweitstrafe aus, ein renitenter Bursche, der Einzelhaft absaß, Fußeisen bekam  und bis zu 100 Peitschenhiebe mit der neunschwänzigen Katze bekam (die hier besonders dünn war – man hatte kein Interesse, Häftlinge an der Arbeit zu hindern!). Die 100 kriegte er übrigens, weil, wie Diana vermutet, dem Richter bei der x-ten Verhandlung gegen Johnny der Kragen platzte: Maximalstrafe wegen… Na, was wohl?! Wegen „anstößiger Sprache“.  Johnny wurde übrigens nach 10 Jahren entlassen, nicht aus der Kolonie, das stand nur den wirklich reinen Westen zu, aber aus der Haft. Was aus ihm geworden ist?! Keine Ahnung, sagt Diana – „wir“ haben damals einen Strich gemacht und uns um die Vergangenheit nicht mehr gekümmert. Vorwärts schauen, das ist australisch.

Samstag. 4. Tag. Langsam wird’s fad… Es ist grau, schwülwarm – und es regnet. Spaziergang auf die Harbour Bridge, vorbei übrigens, wie jeden Tag, an der Wooloomooloo-Bay, wo wir immer „Rüssel, Rüssel“ rufen. Die alten Lagerhäuser sind zu schicken Appartments und einem Luxushotel umgebaut, aber Russell Crowe lässt sich leider nicht blicken. Durch „The Rocks“, die Wiege der Stadt Sydney, „oh“ und „ah“ für die weniger mutigen als zahlungskräftigen Besteiger der Brückenbögen und ein Abstecher ins “ The Rocks Discovery Museum“, sehr schön, aber dieses Mal leider ohne freundlichen australischen Führer – uns fehlt schon was.  Früh daheim, denn am Abend… Concert Hall. Ich darf es gar nicht sagen. Es war „interessant“, wir genießen ein bisschen Opera House-Atmosphäre, denn es gibt außer Polohemdträgern auch durchaus wohlgekleidete Damen und Herren, die der Zauberflöte zustreben – die hatten wir abgewählt. Nein, wir hatten „Sydney Symphonie Orchestra“ gewählt, in der riesigen Concerthall, und das Orchester war nicht allein – nein, auch Olivia Newton John sang sich durch ihr (ur)altes Repertoire, von Grease bis Xanadu. Ein bissel schade, dass wir doch die Geduld für das Ukulele Orchestra of Great Britain nicht aufgebracht haben. Die spielen heute, und ich hätte mir eine Ukulele zum Mitspielen besorgt.
O.K. . Concert Hall abgehakt. Es war nett, aber ohne Gänsehaut. Vielleicht hätte es mehr Gänsehaut bei der Alternativ-Veranstaltung des Abends gegeben, denn Sydney barst an diesem Wochenende vor wild verkleideten Menschen und vor allem gleichgeschlechtlichen Pärchen. Das nennt man hier „Mardi Gras“ und hält eine äußerst beliebte, wilde  Parade ab – danach lässt man die Sau raus. AKKAnautenspaß?! Na, jaaa…  Immerhin bekamen wir – als mittlerweile routinierte U/S-Bahnfahrer noch ein paar lustige Szenen mit, 16-jährigen Playboy-Bunnies und ein paar Dragqueens und so.

Sonntag, 5. Tag. Es regnet?! Ja, am Abend, ein paar Tropfen, ansonsten ein herrlicher Sonnentag; Frühstück bei Eleni, die freundliche Griechin aus dem Potts Point Deli neben unserem Hotel empfiehlt uns einen Gang zur Elizabeths Bay, und plötzlich sind wir weg von den Touristen am Kings Cross oder der Innenstadt.  Nur noch Sydneysiders, wie die Leute sich hier nennen. Hunde, Segelboote, schicke Häuser, alte Häuser. Spielende Kinder, Strandspaziergänger. Ein Fischschwarm in der Bay! Schnell die Angel vom Balkon geschmissen! Das normale Leben. Übrigens sind Sydneysiders alles Mögliche, wie wir feststellen, mit einem Schwergewicht auf  „asiatisch“, aber viele schwere Akzente sind zu hören, namentlich griechisch. Unglaublich.  Ob eine weitere der Leiteigenschaften, die wir feststellen, „typisch Sydney“ ist, muss sich noch herausstellen, aber wahrscheinlich ist es mehr die Tatsache, dass wir als Pazifikreisende und Bewohner des ländlichen Neuseeland die neue Mobilphonmanie noch nicht so hautnah erlebt haben. ALLE haben so ein Ding am Ohr, vom Bürohengst (in Office-Bermudas!) bis zur höchsthackigen Plateausohlenträgerin im kleinen Schwarzen auf dem Weg zu Oper. Die Konzentration, die man dem Telefon zuwendet, fehlt allerdings häufig an anderer Stelle. Der „Slow-Man“, der doch mit seinem Slow/Go-Wendeschild eigentlich den Verkehr an der Baustelle regeln soll, schaut  konzentriert auf sein Display, und noch nie haben wir so viele Kollisionen zwischen Fußgängern beobachtet. Und dementsprechend weit fliegende iPhones gesehen. Sehr lustig, zumindest für Simpel wie uns.

Nun gut. Der Sonntag sollte unser letzter Tag in Sydney sein, bevor wir die Stadt verlassen. „Going bush“, wie man hier sagt.  Zur Feier des Tages hatten wir uns „Oper, die zweite“ gegönnt, dieses Mal „Studio“, die Experimentalbühne. Megans Empfehlung (siehe oben, mit Oliva NJ hatte sie nix zu tun!), und sie hatte uns gebrieft: um die Bühne ist gut, aber die ersten 3 Reihen sind gefährlich. Kapiert und gebucht – eine Sitzplatzreservierung findet nicht statt. Um halb 7 ist Einlass, man lässt alle auf einmal ins (Manegen)Rund, wir sitzen ungefährlich in der 4. Reihe – und können nun beobachten, wie die Mitarbeiter der „Soiree“, so heißt die Show, augenscheinlich Zuschauer lenken, strategisch platzieren. Die Musik (der Aufwärmer am Vorabend war Alfie Boe gewesen, ein Poptenor mit lauen Scherzen) ist ausgesprochen lustig, Zirkusmusik zwischen Radetzkymarsch River Kwai.
Und dann geht es los. Da „die erzählte Cabaretshow“ an dieser Stelle sicher ein Flop wäre, nur so viel: sollten „La Soirée“ oder „La Clique“ irgendwo auftreten – unbedingt anschauen. Wir haben schon lange nicht mehr so anhaltend gelacht, Tränen gelacht! Captain Frodo, der (urkomische) Schlangenmensch. Mooky, die Clownin. Die „British Gents“, Balancekünstler. Nicht zuletzt Mario, der jonglierende „Freddy Mercury“-Verschnitt. Wusstet Ihr, das „Another one bites the dust“ eigens für Jonglage-Künstler geschrieben wurde? Bei Mario/Freddy zumindest fallen Bälle immer zu diesem Refrain…. Der Abend war einsame Spitze und wenn etwas spitzenmäßig ist, muss man schnell abhauen.

Haben wir gemacht. Wir sind in Katoomba, in den Blue Mountains und freuen uns auf Busch und Outback und Melbourne, auf Aborigine-Kultur und Pinguine. Und ein bisschen auf die Rückkehr nach Sydney. Vielleicht gibt es ja nochmals ein Highlight.

Bis denne – Bilder folgen…

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* zu dem Kiwi-Auto, unserem Mitsubishi Grandis, muss man Freund Doug zitieren, seines Zeichens AUDI-Importeursmitarbeiter…  „That’s  a real Kiwi Car – for the Polynesians!“  Genau. Japanschlurre.

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