Flinders Ranges

Stuart Highway, 8.4.2012

… unterwegs nach Coober Pedy. Wir sind auf dem Weg nach Norden, Fernziel Alice Springs, 1.530km. Im Osten werden die Flinders Ranges kleiner und kleiner. Schade. Da hätten wir noch ein Weilchen bleiben können. Mit einem geländetauglichen Auto.

Ge(n)i(a)ler Übernachtungsplatz, Spuds Roadhouse. Viele interessante Gesichter...

Ge(n)i(a)ler Übernachtungsplatz, Spuds Roadhouse. Viele interessante Gesichter...

Wer Adelaide, wie wir vor einer knappen Woche, verlässt, fährt zunächst mal auf die Ebene hinaus. Schafland, Weizenland und große irgendwas-Farmen/Fabriken mit riesigen geschlossenen Hallen. Hühner vielleicht, oder Schweine?!  Das geht so bis Port Pirie, einem Bleiabbau- und -schmelzstädtchen am Spencer Golf, und ab dort geht es in die sanfte Hügellandschaft der Southern Flinders Ranges über. Matthew Flinders hatte 1801 die Berge nur von Ferne, aus Port Augusta angeschaut und als unwirtlich, kahl und wirtschaftlich uninteressant beurteilt  so ganz Unrecht hatte er damit nicht, zumindest nicht, was die mittleren und nördlichen Berge betrifft. Schwieriges Land!
Quorn empfängt uns mit einer verschlafenen Tankstation, die Benzinpreise steigen schon deutlich, wir nähern uns dem Outback. Nix los hier – auch wenn hier früher der Ghan-Express von Adelaide nach Alice Springs und Darwin angehalten hat, um Wasser und Kohle zu bunkern, danach kam dann nicht mehr viel, nur das, was heute die Freizeitfreude von Abenteuerreisenden ist, der Oodnadatta-Track. Das war halt früher, als der Ghan noch auf Schmalspur fuhr – „Ghan“ übrigens angeblich eine Verballhornung von „Afghan“, es kamen immer die afghanischen Kameltreiber für die Stationen mit diesem Zug an. Wir machen aber in Quorn außer den frühabendlich (oder: nachmittäglich) geschlossenen Läden doch ein Café aus, Emilys Bistro, die sich in einem alten Kolonial- und Eisenwarenladen eingenistet hat. Man spielt Buddy Holly, zeigt Mode aus den 40ern und Ladentechnik aus den 20er jahren (irgendeine schwer nachvollziehbare Drahtseilkonstruktion zum Kassenschalter ?!) – aber Kaffee und Kuchen waren von heute, erfreulicherweise. Wir verdaddeln die Zeit ein bisschen und dabei sind es nach Hawker immer noch 70 km – wie gut, dass „2 Degrees“ aus Neuseeland einen Roamingvertrag mit Yes Optus ** hat und noch besser, dass es hier Antennentürme gibt: wir können unsere Ankunft auf dem Campingplatz zum Sonnenuntergang voranmelden. Und kommen kurz davor auch in Hawker an. Eindruck: heiß! Fliegen!
Das mit den Fliegen hat sich bald nach dem Sonnenuntergang, da geht ihnen die Energie aus, alle Tage wieder, und darüber wollen wir nicht meckern. Trotz der Hitze versuche ich auszuhandeln, dass wir in der Nacht die Schiebetür des Vans schließen; während Andreas eher unbesorgt ist, fürchte ich, dass sich hier, unter den Eukalyptusbäumen, vielleicht eine „Redback“-Spinne einschleichen könnte oder anderes lästiges bis giftiges Krabbelzeug. Als ich um Mitternacht mal wach werde, ist aber alles schön kühl, und die Tür steht auch offen. Angeschmiert – aber da das auch ganz angenehm ist, bleiben wir dabei; man muss dann auch nicht den Anbautisch wegnehmen. Obwohl diese wie alle folgenden „Nächte der offenen Tür“ eine günstige Gelegenheit gewesen wäre, das Weite zu suchen, bleibt uns die schon erwähnte Beutelmaus erhalten.
Hawker bietet nicht so sehr viel, wir bestaunen das 360° Panoramagemälde vom nahegelegenen Wilpena Pound, eine wilde Mischung aus Fotorealismus, Fleißarbeit und Kitsch. Der alte Bahnhof beherbergt heute das Ghan-Restaurant: geschlossen. An der zentralen Tankstelle hängen wir eine Weile herum, sie ist das Ortszentrum, die Touristeninformation, Heimstatt für das lokale Outbackmuseum und, interessant, Standort für eine seismologische Station. Man kann den Seismographen sich drehen sehen und beobachten, wie der vorbeifahrende Roadtrain ein „Erdbeben“ verursacht. Aber wenn es wirklich wackelt, das erkennt man dann schon. Und es wackelt, regelmäßig, zuletzt Ende März im Bereich der 150 km entfernten Uranminen! Die Flinders Ranges heben sich bis auf den heutigen Tag, und das macht kleine Beben – aber natürlich werden auch die ganz großen gemessen, die Vorläufer zur Tsunamikatastrophe 2004 zum Beispiel und andere. Wir verbringen einen fast so geruhsamen Tag wie die beiden Kiwis, die an ihrem frisch entliehenen APOLLO-Geländewagen einen Getriebeschaden erlitten haben und nun darauf warten, dass ein neues Getriebe geliefert und montiert wird. Nicht die schlechteste Standort für eine Getriebereparatur – da gibt es in Australien Orte, die weiter von einer funktionierenden Werkstatt abgelegen sind.

Tags drauf machen wir uns auf nach Wilpena, quartieren uns – in National Parks kann man nicht wild campen! – im Wilpena Pound Caravan Park ein, weit unter den großen Eukalyptus verstreute Stellplätze, und man merkt schon: langsam wird es Ostern. Adelaide und Melbourne blasen zum Ferienbeginn, zunehmend laufen Camperfamilien ein. Die Ranger sind nett, empfehlen Wanderungen und auch Straßen für die Weiterfahrt; zum Abend unternehmen wir noch eine kurze Wanderung zu „Hills Homestead“, einer alten Schaf- und Weizenfarm am Rande des Pounds, einem sanft eingesunkenen Tal zwischen zwei halbmondförmigen Bergzügen, die sich fast zu einer Ellipse schließen – kein Krater, auch kein Meteoriteneinschlag. Aufschrift auf einem T-Shirt, das für das Wilpena Pound Resort wirbt: „800 million years old, 17 km long and 1 good experience!“  Stimmt, tolle Erfahrung. Die Geschichte von Hills Homestead erfährt man am Ende des 1stündigen Ganges durch den Wald, wie häufig sehr schön aufbereitet mit großen Infotafeln, die auch an ökologischen Seitenhieben nicht sparen. Das Problem der Siedler war zunächst, dass die Regen nicht so regelmäßig kamen (und noch kommen) und gleichzeitig die Pacht vergleichsweise unverschämt hoch war – also füllten die Pächter die Stationen bis zum Bersten mit Tieren. Dann kamen die Kaninchen, die ein findiger Farmer 1864 in Victoria (also viele hundert Kilometer entfernt) ausgesetzt hatte, um von der Terasse aus seiner Jagdlust nachgehen zu können. 24 Stück waren es. Nicht lang…  Die Kaninchenplage zog immer weitere Kreise, es wurde alles abgefressen, die Regen blieben aus und die Schafe gingen ein. Pleite, auch im Wilpena Pound und auf den umliegenden großen Stationen.  Dann die zündende Idee (es hatte mal wieder geregnet!): Weizenanbau im Pound, und das klappte, dank mildem Mikroklima, auf Anhieb. Wenn nur nicht diese steilen Berghänge gewesen wären… Irgendwie musste man die wirklich ansehnlichen Ernten ja dort heraus bringen – also: Straße bauen. Von Hand! Das haben die Brüder Hill auch geschafft, im Schweiße ihres Angesichtes und in mehrjährigen Bemühungen, mit einem kleinen unüberbrückbaren Knick in der Straße, der dazu führte, dass man die Ernte von den Ochsenkarren abladen, um die Ecke tragen und wieder aufladen musste. Das ganze, um Anschluss an den einigermaßen fahrbaren Weg nach Hawker zu finden, weitere 55 km immerhin. Was für Mühen.  Kaum war die Straße fertig, blieben die Regen wieder aus, für lange Zeit – und dann regnete es am Weihnachtstag 1902 sintflutartig. Während die Familie auf der Stammstation in Aroona saß, spülten die Fluten die lebensnotwenige Straße in den Wilpena Pund fort… Pleite 2.  Das sind die Geschichten, die diese Gegend ausmachen.

Von den Geschichten zur Geschichte: Auf dem Gang in den Sacred Canyon können wir uralte Felskratzungen von Aboriginals sehen. Wir schauen uns auch das Old Wilpena Homestead an, wieder eine alte Schafstation, wieder all die unendlichen Mühen, diesem halbtrockenen Land Gewinne abzuringen – und in der Mitte der alten Station gibt es ein Aboriginal-Kunstwerk, einen stilisierten Versammlungsplatz. Sofort fällt einem ins Auge, was man sonst so leicht übersieht: wie alt die Geschichte der Aboriginals ist, älter, als alles was sich die Siedler damals so gedacht haben und älter, als es mancher moderne Australier wahrhaben möchte. Ein kleines Lamento zu diesem Thema füge ich demnächst in den Blogeintrag zum Mungo-Park ein…

Aber es gibt noch ältere Sachen als nur die Geschichte des Menschen, der ja nur ein hauchdünnes Strichlein auf der Tabelle der Erdzeitalter darstellt. „Flinders Ranges“ ist auch gleichbedeutend mit Erdgeschichte – und wir haben an den letzten beiden Tagen eine Fahrt durch die Zeit erlebt.
Man empfahl uns, den Rückweg durch die Brachina Gorge anzutreten, und das war ein ziemlicher „Hit“, schließlich führt die (Schotter)Piste in schöner Abfolge durch 100 Millionen Jahre Erdgeschichte, von 620 bis zu frischen 520 Millionen Jahren Alter. Toll. Am Trezona Campsite richten wir uns zur Übernachtung ein und machen nachmittags einen 8 km-Gang durch die Zeit. Ach je, hätte bloß das tote Känguru gleich da gelegen, wo die Ediacariumschicht ans Licht tritt – aber bei dem Gestank mochte ich nicht so lange verweilen, dass ich eine Spriggina- oder Dickensonia-Versteinerung gefunden hätte.
Aber auch so war es eine schöne, informative Wanderung, häufig überschneidend mit dem 1.200km Heysen-Fernwanderweg, manchmal mit „Steine-Raten im Bachbett“, bis mal wieder eine Markierung auftauchte. Scheue Kängurus, Emus – und alles bei bedecktem Himmel, also ohne große Schweißanfälle. Auf die letzten Meter wird einem ganz jugendlich unter den Füßen, eine kleine Schwemmebene aus der letzten Eiszeit, nur 20.000 Jahre alt tut sich auf. Da haben hier schon die Aboriginals gesessen… Siehe oben.

Die Weiterreise sollte eigentlich eine weitere Übernachtung in dieser tollen Landschaft bringen, aber der Weg war doch recht steinig im wahrsten Sinne des Wortes – nicht nur durch, nein auch im Bachbett entlang. Nicht auf Dauer was für unser Britzomobil, und als wir den letzten Campingplatz in Augenschein nehmen, ist klar, dass wir abends noch weiter nach Hawker reisen, so ungemütlich ist es dort: keine schönen Eukalyptus weit und breit. Wir fahren ein paar Kilometer zurück und gehen bei Kaffee und Buch in Lauerstellung: hier sollen am späten Nachmittag die seltenen Gelbfuß-Felskängurus ihren Auftritt haben. Und sie haben!  Weit weg und scheu, aber wir sehen sie genau – man muss nur nach gelben Füßen und einem gelb-schwarzen Ringelschwanz Ausschau halten; kleine Kängurus, die orstfest in Gruppen leben und ihre Kinder im Beutel schaukeln und wiegen. Ungelogen…

Und dann raus aus der Schlucht. Letzter atemberaubender Blick auf die sich aufwölbenden Schichtungen. Wirklich ein Erlebnis.
Hawker empfängt uns wieder – und im Schaltkasten für den Elektroanschluss sitzt endlich „meine“ Redback-Spinne. Es gibt sie also doch. Heute bleibt die Türe zu!

——–.
**  Telefon in Australien – wir haben uns keine eigene SIM-Karte für Australien besorgt, sondern unsere „2 Degrees“ aus Neuseeland mit ausreichend Prepaid-Kredit ausgestattet (mittlerweile kann man das ja auch ganz leicht über Internet nachfüllen!)
Lediglich für unseren mitgebrachten VODAFONE-Stick für die Datenverbindung haben wir eine australische SIM gekauft und nutzen einen vergleichweise günstigen Tarif, 3 GB für 1 Monat zu 29 AUS$. Auch das leicht nachzu“laden“ per Internet.

Was allerdings die Abdeckung im Land betrifft: wir haben den Eindruck, dass die Reihenfolge von unten nach oben so lautet: Yes Optus (unser Roamingpartner und Billiganbieter), sodann VODAFONE und ziemlich weit vorn, mit guter Abdeckung in ländlichen Gebieten die gute alte TELSTRA (die für mich gut und alt ist, weil das die erste Telefongesellschaft meines Lebens war, von der ich ein „Handy“ hatte, in Perth, 1990. Damals hieß so etwas noch „sprechender Ziegelstein“. Talking brick).
Wer also eine TelefonSIM möchte, sollte eine englische Bescheinigung mit einer gültigen Adresse vorlegen können und damit bei TELSTRA vorstellig werden. VODAFONE vergibt (zumindest am Flughafen in Sydney) die SIM-Karten ohne Adressnachweis.

Übrigens: wer einen VODAFONE-Stick hat, kann den (wahrscheinlich) in allen VODAFONE-Netzen der Welt mit der jeweiligen Landes-SIM benutzen, auch wenn einem die Vertriebsleute gern einen neuen Stick andrehen wollen. Bislang waren alle unsere VODAFONE-Sticks Net-locked, nicht SIM-locked. Die Verkäufer wissen das weder in Deutschland, noch in Neuseeland oder Australien – oder zumindest tun sie so.  (Zu deutsch: VODAFONE ist doof…)

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