Magnum, Dingos, Todesottern

Ormiston Gorge. Manchmal ist Fliegenschutz unerlässlich!

Ormiston Gorge. Manchmal ist Fliegenschutz unerlässlich!

Kings Canyon, 17.4.2012

Doch, gefällt mir gut, der Titel…

Wir sind drin im Roten Zentrum, und hätten wir vorher uns ein bisschen besser informiert, hätten wir deutlich mehr als die veranschlagten 10 Tage eingeplant. Jedenfalls ist das pauschaltouristenübliche 3-Tage-Notprogramm (Alice-Uluru-KingsCanyon-Alice) weitaus zu kurz, und die richtig eiligen machen sowieso nur einen Tagesausflug zum Ayers Rock (heute: Uluru). Dabei gibt es hier ein ganzes Füllhorn an überraschenden, an schönen und imponierenden Ecken!

Könnte das Motto der Reise sein: Unbelievable. Unglaublich!

Könnte das Motto der Reise sein: Unbelievable. Unglaublich!

Am Mittwoch waren wir von unserer letzten größeren Station, Coober Pedy, in Alice Springs eingetroffen – Übernachtung unterwegs „unter Australiern“, nämlich am Grenzposten zwischen South Australia und den Northern Territories („NT“).  Bemerkung am Rande: NT ist kein Bundesstaat sondern eine autarke Region Australiens, mit ganz merkwürdigen Verwerfungen im Wahl- und Selbstbestimmungsrecht. Weswegen angeblich die Leute zumindest aus Alice immer neidisch auf die South Australians gucken…
Am Park/Campingplatz sorgten die anwesenden Australier für so etwas wie Bushcamping-Gefühl, denn am Rande des Asphalts wurde gegen Abend- wie Morgenkühle ein Holzfeuer angefacht, so dass man mit der Kaffeetasse (oder dem „Cuppa“, kurz für „a cup o‘ tea“, der Tasse Tee) im Rauch stehen und Dommtüüch reden konnte. Australier sind immer an Europäern interessiert und daran, welche Schlösser man auf seiner Traumreise nach Deutschland alle sehen muss… Aber auch über Bücher kann man schnacken, mit Liz vom uralten Winnebago-Wohnmobil über Alice und Trucking – oder mit dem Busfahrer, der eine Horde von Uluru zurückkehrenden Chinesen vor dem Doppelklo abwirft.  Lustig!

2 Klos, ein Bus voll gackernder Chinesinnen

2 Klos, ein Bus voll gackernder Chinesinnen

Alice Springs.  Das muss einem ja gesagt werden... Einbruch zwecklos!

Alice Springs. Das muss einem ja gesagt werden... Einbruch zwecklos!

Alice Springs. Weniger lustig. Man fährt am Todd River entlang (an dem es es im „Winter“ ein schönes Rennen namens „Henley-on-Todd“ gibt.  Googeln macht schlau und fröhlich!) und sieht Gruppen von Aboriginals am Ufer sitzen, wie sie die Beine ins (virtuelle) Wasser baumeln lassen, der Fluss ist schließlich ein furztrockener Sandkasten.  Campsite beziehen, Infotour in die Stadt – und das ist wirklich schwer zu ertragen. Fast alle Ur-Australier sehen zumindest betrübt aus, wenn nicht gar grimmig.  Alice ist eine semi-trockene Stadt, Alkoholverkauf auf bestimmte Tageszeiten beschränkt, es besteht eine Ausweispflicht zum Erwerb von Alkoholika, der Konsum ist im öffentlichen Raum absolut verboten.  Und dennoch: Trunksucht, wohin man schaut, und was in den zur Schau getragenen Cola- oder Fanta-Flaschen ist, möchte man gar nicht wissen; wir werden angebettelt, man hört aggressive Töne. Benachbarte Camper – ganz harmlose, aus Tasmanien – werden am Abend über ihren spuckenden Vergaser klagen, denn sie haben „Opal“-Benzin getankt, das ist die hiesige unverbleite Sorte: keine Aromaten, also kann man das Benzin nicht schnüffeln – eine rauschquelle weniger. Kurz: es ist ein wahres Elend, und wir sind schon ganz schön irritiert, immerhin aber so irritiert, dass wir anfangen, „Aboriginality“ zu thematisieren und Australier zu befragen. Der Buchhändler vom Australiana Buchladen empfiehlt uns Bücher zum Thema, wir entscheiden uns erst einmal für ein schmales Heftchen: „Whitefella Culture“ – eigentlich für Aborigines geschrieben, die mit Weißen leben wollen/müssen, aber auch so herum ist es interessant zu lesen, dass zum Beispiel Weiße brüskiert sind, wenn sie auf eine Bitte oder Frage keine Antwort bekommen, sondern der Angesprochene sich weg dreht. Das ist die Aborigine-Reaktion für „einverstanden“. Muss man wissen. Viele solche Dinge gibt es, die die beiden Kulturen meilenweit trennen, auch über den Alkoholgenuss bzw. -missbrauch hinaus.  Aber alles in allem: Aborigines bleiben, so wie wir reisen, für uns weitestgehend unsichtbar, und da, wo sie sichtbar sind, werden wir gebeten, nicht hinzuschauen, nicht mit dem Auto vorbeizufahren, und schon gar nicht zu fotografieren.  Jetzt hoffen wir, dass wir auf irgendeine Weise nochmals Kontakt zu jemandem finden, der den Weg in die andere australische Gesellschaft gefunden hat. Wie Graham, der uns Mungo Park gezeigt hat oder die freundliche Rangerin aus Mildura.

Thema vertagt und damit zurück zum vergnüglichen Teil der Reise.
Wir übernehmen nämlich am Freitag unser 4-Radfahrzeug und geben den Campervan ohne Mann, aber mit Maus zurück (Andreas schiebt ihr zum Abschied noch ein Stück schwarze Schokolade unter die Bodenbretter. Herr/Frau Beutelmaus soll ja nicht darben. Auf dem Heimweg ein längerer Stopp an der „School of the Air“ – eigentlich noch anrührender als die „Flying Doctors“, da es sich ja um die Schulkinder im Outback handelt, die noch bis 2005 über Radio unterrichtet wurden, nun aber via Satellit und Internet.  Empfehlenswert anzuschauen!
Da das Umräumen von Gepäck für 9 Wochen in das deutlich kleinere Fahrzeug etwas Zeit braucht, beschließen wir, eine weitere Nacht in Alice Springs zu bleiben, zumal sich auch mal wieder eine Überraschung auftut, die da heißt: National Road Transport Hall of Fame.  Was kann das schon sein?! Kaum beworben,  aber gucken kann man ja mal. Wir rücken um 16 Uhr an und werden freundlich belächelt: „…das wird vielleicht ein bisschen knapp bis 17 Uhr!“  Wie wahr… zunächst mal tut sich eine Fülle von Fotobelegen und Geschichten auf, vom frühen Automobilismus in Australien (die erste Reise Adelaide Darwin findet schon 1907 statt, 45 Jahre nach der ersten Durchquerung zu Pferde durch Stuart) bis zur Erfindung des heute allgegenwärtigen Roadtrains und seiner Entwicklung. Das Ende vom Lied ist ein „Outpass“ für den heutigen Tag und der Entschluss, sich den „Rest“ (das sind die verbliebenen 90 % der Ausstellung) am Folgetag anzuschauen. Was wir tun, und ergehen uns in rätselvollen, lustigen und imponierenden Automodellen, Techniken – und das Herz des Ganzen ist für uns ein Film über E.G. Kruse, genannt Tom Kruse, der der Postbote auf dem Birdsvilletrack war. 1954 hatte man einen  Film über ihn gedreht, der einen goldenen Löwen in Venedig gewann, der den sein Revier nur allzu treffenden Titel „Back of Beyond“ trug, die Rückseite von Nirgendwo – Mitte der 90er machte man seinen alten Truck ausfindig und spannte den über 90jährigen Kruse noch einmal für dessen Restaurierung ein und organisierte mit ihm am Volant seines alten Trucks eine „letzte Postfahrt von Birdsville“, die mit 7.000 Fanbriefen in Adelaide endete und eine Karawane von Campmobilen eben dieser Fans nach sich zog – der wirkliche Postdienst für die Handvoll Leute in der Gegend wird schon lange auf dem Luftweg erledigt, aber diese Dokumentation machte Gänsehaut und Tränchen. Toll. Australisch, irgendwie.
Und dann nichts wie weg und hinein in die West MacDonnell Ranges. Zum Eingewöhnen planen wir einen kurzen Spaziergang am „Simpsons Gap“, einer Gebirgsklamm, die der arme Herr Stuart – unterwegs, um einen gangbaren Weg für die Errichtung der Telegraphenleitung von Adelaide nach Darwin zu finden – damals nicht fand. Und stolpern in einen „Heritage Talk“, eigentlich zum Thema „Simpsons Gap und seine Weidewirtschaft“, aber der direkt hier ansässige Ranger vermag so fesselnd zu erzählen, dass wir 1 1/2 Stunden gebannt über Stuarts Expedition, kleine und große Agrarkatastrophen, gigantische Farmgrößen und allerlei Anekdoten hören. Dazu gibt es Tee aus dem „Billy“, dem legendären Wasserkessel der Viehtreiber. Mal wieder so ein Glücksfall.
Nun war es natürlich spät, so dass wir den nächsten Parkplatz anlaufen, an dem Camping erlaubt ist (wir befinden uns schließlich im Nationalpark) und machen „Bushcamping“ zum Sonnenuntergang. Und so geht es nun immer weiter… Kleiner „Hike“ an der Serpentine Gorge, ganz schön steil bergauf… Kleiner Gang an der Ormiston Gorge zum Wasserloch, in dem die tapferen Leute auch schwimmen. Brrr. Nachtlager „unter Australiern“, siehe oben. So ganz „bush camping“ ist es nicht, weil man den Campern solar gewärmtes Duschwasser anbietet, aber sonst ziemlich „Natur“.  Morgen“marsch“ auf dem Ghost Gum Walk,  weit hinauf über die Schlucht, mit schönen Blicken auf die „Ghost Gums“, die roten Felsen und nicht zuletzt auf Schwarzfuß-Felswallabies, die durch die Gegend hüpfen.

Weiter! Weiter!Pause am Glen Helen Resort, einer alten Viehstation, die man zum Touristen-Camp umgebaut hat. Irgendwie ist die Stimmung dort etwas – hektisch?! Aber nein, wir setzen uns mit einem Kaffee aus dem Automaten auf die Bank über dem Finkeriver, schlotzen ein Magnum und genießen den Ausblick auf die roten Felsformationen. Immer wieder beeindruckend. Als wir zum Auto zurück gehen, liegt auf einem großen Stein ein weißer Bogen Papier und darauf eine Schlange. Tot… Beschriftung: „Temporäre Ausstellung…  Und ja, sie sind sehr giftig. Dies ist eine Wüsten-Todesotter!“  Huh! Grusel!

Vom sicheren Auto aus lassen wir diese gigantische Berglandschaft vorbeigleiten, besuchen einen ziemlich alten Kometeneinschlagsort, das Gosse Bluff, und sind am Nachmittag in Hermannsburg (nicht ohne Scherzchen zu machen, dass wir gar nicht durch Celle oder Lutterloh gekommen sind). Hermannsburg / Südheide ist Andreas‘ Schulort, sein Gymnasium gehörte ursprünglich zur Hermanssburger Mission. Und hier nun die Spuren eines Missionierungsversuch in Australien, das muss man sich anschauen. Butterkuchen gibt es jedenfalls nicht, aber das teuerste Diesel der Reise, ein Permit, am Folgetag den Mereenie-Loop zu befahren (das ist alles Aboriginal-Land). Die alte Mission ist interessant bis merkwürdig anzusehen, aber bis auf ein paar Arbeiter und die „Nanny“ für die Kinder bleiben Aborignes wieder einmal – unsichtbar, auch auf den Fotos von 1890 ff. Nur ein paar auffällige Namen können wir vermerken: Gerhard, Otto usf.  Im Ort – das Gleiche, und keine Kontakte, dafür große Warntafeln zum Alkoholgenuss, und Banner auf denen „Häusliche Gewalt muss aufhören“ steht. Bedrückend.

Drum verdrücken wir uns rasch 24 km weit auf einer echten 4-Rad-Piste ins Palm Valley, und werden für Gerumpel und Staub reich belohnt. Der Wagen steht gleich am Finke River, es sind nur eine Handvoll anderer Camper hier, es ist friedlich und so völlig anders als wir uns das „Rote Zentrum“ vorgestellt hatten – eben eine Oase in der Wüste. Wir genießen den Sternenhimmel und lauschen dazu auf die Erzählung von zwei Mitcampern, die uns die Auflösung zur o.a. Schlangengeschichte geben können: In Glen Helen hatte kurz bevor wir ankamen, eine Bedienung die letzte Dose Bier aus der Kühlung holen wollte, und ergreift…  eine Schlange. Die junge Dame wusste sofort was das für ein Tier war. Ziemlich giftig – aber eben glücklicherweise weit heruntergekühlt. Was nichts daran änderte dass die Dame in einen leichten Schock verfiel und zu unserer Ankunft ein bisschen angestrengt wirkte.

Jetzt muss ich mich mal um unser neues Wagentier kümmern – gerade kommt ein Dingo vorbei, der sich für die verbliebenen Würstchen interessiert.  Schnüffler.

Das neue Haustier...

Das neue Haustier...

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