Kleine Kinder, kleine Wale

Neiafu, 28.6.2012

So ein Mist! Der Mensch mit der Kühltruhe ist nicht mehr am Markt, es gibt keine gefrorenen Rinderfilets mehr und keine Salamiwürste€¦ „€¦verzogen nach Nuku€™alofa€ hieß es. Immerhin sind „meine€ Gemüse- und auch die Eier-Frau noch am Platz. Alles in bester Ordnung also.
Wir sind in der Vava€™u-Gruppe gelandet und haben heute, außer einzuklarieren und die Visa zu verlängern, auch gleich noch eine weitere Portion Pilz-Medizin für unsere kleine Patientin in Ha€™afeva besorgt.
Schön war€™s dort, denn obwohl wir doch den Exodus erwartet hatten, war außer Auka alles noch vor Ort. Der erste Ha€™afeva-Scherz war gleich mal, dass wir als alte Inselhasen die vermeintliche Abkürzung durch Wald und Gärten nehmen wollte, die uns Linda beim letzten Mal gezeigt hatte. Netter Spaziergang, ziemlich lang, mit interessanten Schweinegehegen, abgelegenen Waldhäuschen und so fort. Bis sich der Palmenhain lichtet und wir so um und bei 200 m vom Ankerplatz der AKKA wieder am Strand landen. Schöne Abkürzung, das. Der anschließende Strandspaziergang, halb um die Insel herum zog sich dann etwas und so waren wir wirklich froh, am Anwesen der Mataeles in die ungläubigen Augen von Ma€™ima zu schauen, die im Hinterhof gerade Kokosnüsse von den Palmen holt. Kurz drauf sitzen wir auf eine schönen Polynesiermatte unter den Bäumen, die verwurmten Hunde ringsum, lassen uns erläutern, das Auka nur zeitweise in den USA ist, zum Geldverdienen (in Salt Lake City, der Mormon-Mammon€¦) und lassen uns von Oma und Ma€™ima Trinknüsse öffnen. Unterhaltung ein klein bisschen schwierig, aber das Wesentliche kriegen wir doch heraus: weit gefehlt, dass Linda in Vava€™u ist, sie ist gerade mit den ganzen anderen Gemeindemitgliedern in der Kirche€¦ Huch?! Mitten in der Woche? Jawohl – am Wochenende ist Insel-Mormonenkonferenz, da muss alles blitzsauber sein. Ach je€¦ In tonganischen Dörfern ist eigentlich die Mormonenkirche grundsätzlich das einzige, was immer sauber ist, aber wenn€™s schee macht.
Jedenfalls hüpft uns auf dem Gang in Lindas Richtung dann schon Af€™a in die Quere, wir freuen uns gegenseitig, und dann kriegen wir endlich die kleine Ana präsentiert, Lindas Tochter, die am 5. März geboren wurde. Na also – Schwangerschaft auf Ha€™afeva geht doch€¦ (klar geht das, sonst wäre da nicht so viele Kinder unterwegs€¦).

Am nächsten Tag kriegen wir auch Lupe samt Bein zu Gesicht – der Erfolg der Behandlung ist halbwegs da, aber zwei handflächengroße Stellen haben sich wieder gebildet. Ach, Mensch. Ein bisschen müsste man da auch mal auf mehr Sauberkeit achten – kleine Entzündungsstellen vom Kratzen sind nicht zu übersehen€¦ So richtig haben wir das mit der Gesundheitsberatung noch nicht raus. Also auf ein Neues – nach Rücksprache mit dem hiesigen Arzt heute geht nächste Woche wieder ein Medizinpäckchen auf den Weg und dieses Mal wird Sioni das mitnehmen und wir werden seine Frau, die Volksschullehrerin, in Aufklärung und Behandlung einspannen.
Sioni wieder hatten wir kennengelernt€¦ man mag es gar nicht erzählen. Auf dem Weg zum Pass nach Ha€™afeva kommt uns am Montagmorgen aus der Ferne ein offener Fischerkahn entgegen. Grottenlangsam – und wir machen noch unsere Bemerkungen, dass man mit so einem offensichtlich kranken Motor vielleicht nicht zwischen den Inseln unterwegs sein sollte. Kaum liegen wir vor Anker klopft es€¦ Eben jener Sioni – ob wir nicht einen unserer Außenborder abbzweigen könnten, mit dem existierenden, der wirklich auf der allerletzten Rille röchelt, könne er kaum noch fischen fahren. Man hat wirklich ein schlechtes Gefühl, wenn man sich anschaut, was wir alles so redundant mit uns rumschleppen: kleiner Außenborder, großer Außenborder, x Segel, verschiedene GPS und der ganze Rest an elektronischem Overkill, alles doppelt und dreifach. Und hier schmeißen die Leute im hundersten Versuch ihr Motörchen an und begeben sich mit einigem Gottvertrauen auf See damit. Es hinterlässt ein flaues gefühl in der Magengegend – aber immerhin, auch wenn wir keinen Motor beisteuern wollen und können, Mike und Dani von der MIRABILIS, die werden wohl behilflich sein können; die beiden sind Kurzzeit-Cruiser aus Neuseeland und daher nicht ganz so auf ihr zweites Aggregat angewiesen.

Zur Entspannung legen wir nach den Ha€™afevatagen noch einen Stopp in Uoleva ein und genießen Unterwasserwelt und Sanndstrand. Dann zwei Tage Panga€™i – Magda freut sich auch, uns wiederzusehen, und wir freuen uns, köstlichen, frischen Ota ika aufgetischt zu bekommen.
Und nun Vava€™u. Die Wale sind auch schon da – ob wir die Kuh mit dem frischen Kalb zu Gesicht bekommen, von der wir heute hörten? Noch müsste Mama ja stattlicher Figur sein (obwohl die 5.000 Meilen aus der Antarktis herauf sicherlich schlauchen€¦). Und Babylein – na, das wird jetzt tüchtig wachsen. Hat ja auch mit 1,5 Tonnen Geburtsgewicht ordentlich aufzuholen, Mama trägt mit rosafarbener, leckerer Milch dazu bei. 50% Fettgehalt. Blörrrrps.

Eine Kokosnuss!

Ha’afeva, 19.6.2012

Wir betrachten gerade etwas, was wir in Ha’afeva noch nicht gesehen habe: die ‚Otaunga’ofa wird entladen. ‚Otaunga’ofa ist das Schiff, das nach der Fährkatastrophe von 2009 in Dienst gestellt wurde *, und kommt wöchentlich einmal hierher, üblicherweise in der Nacht, so um 1 oder 2 Uhr – nur heute hatte sie ein bisschen Verspätung, und so konnten wir das Schauspiel beim Frühstück genießen. Schon putzig, wenn man sieht, dass auf See (nun gut, ruhiger See, denn wir liegen ja im Windschutz der Insel und innerhalb des Riffes…) die große Roll-on-Roll-Off-Rampe abgelassen wird, um den längsseits gehenden Kleinstbooten Gelegenheit zu geben, Kinder, Omas, ein Sofa, Gemüsesäcke und allerlei anderes zu laden und zu entladen. Und nochmals spannend zu sehen, wie die nun abenteuerlichst beladenen Kleinstboote an Land tuckern: weil sie so buglastig sind, müssen dann auch noch vorn zwei Leute stehen, damit die Ladung nicht über Bord geht. Was wiederum die Buglastigkeit nicht gerade veringert. Heil angekommen, freut sich die an Land stehende Dörflermenge: „… die Schwägerin aus Vava’u hat uns eine Kokosnuss geschickt!“ oder so ähnlich. Zu den „Schwägerinnen aus Vava’u“ gehört, wie wir gestern zu unserem Bedauern schon hören mussten, auch unsere Freundin Linda, die nach der Geburt ihres Kindes dort geblieben ist. Aber immerhin ist sie für uns in Reichweite, nur ein paar Inseln weiter, während die Tatsache, dass Bruder Auka nicht ans Telefon geht, einen anderen Grund hat: neue Rufnummer, neue Vorwahl +1. USA. Wir hatten es im letzten Jahr schon geahnt, dass der Exodus aus Ha’afeva bei den Mataeles im vollen Gange ist und sind jetzt gespannt, was heute nachmittag Afa und Mary zu erzählen haben.

Am Sonnabend hatten wir noch einmal Nuku’alofa genossen, das sich zum Wochenende hin kaum vom Samstagsbesuch bei Real-Kauf Altwarmbüchen unterscheidet: voll und laut, viele Autos, die durcheinander kurven, hier allerdings auf dem ziemlich bunten Fisch- und Melonen/Taro/Maniok-Markt am Anleger. In der Stadt(?!) plärrt es marktschreierisch und polynesisch aus den Lautsprechern vor der neuen Filiale des MOLISI-Supermarktes; mehr Markt als super, aber für hiesige Verhältnisse und für uns ganz prima. Wie viele der modernen Gebäude war auch der Supermarkt den Unruhen 2006 zum Opfer gefallen, und obschon die Zeitung dieser Tage gerade „Tonga in Crisis“ schreit, werden doch viele Gebäude nach und nach neu errichtet. Das neue „Café“, das zu diesem Supermarkt gehört, ist eigentlich eine dem Eiskrem-Tresen („TipTop New Zealand“) angeschlossene Espressomaschine. Und zu beobachten, wie man versucht, dieser Mschine nun die von uns bestellten „Flat White“-Kaffees zu entlocken, war allein schon einen Ausflug in die Stadt wert. Ich war, während Andreas die Bestellung aufgibt, beim Bäcker UND auf dem Markt, um noch ein paar Äpfel und Möhren zu ergattern, und als ich zurückkomme, steht er noch immer diskutierend da. Schließlich wird aus dem Hintergrund die Frau herangerufen, die ich vom „alten“ Molisi als die kenne, die mir Gemüse abwiegt und außerdem im Kämmerlien das Fleisch verpackt – die auch gleich mit der Milch wieder nach achtern verschwindet – wer weiß, wie diese Milch erhitzt wird?! Mit der großen, glänzenden und fauchenden Maschine jedenfalls nicht. Bis wir endlich im Besitz unseres Kaffees sind, haben wir reichlich Zeit, in tonganische Rhythmen gehüllt, das vorbeiblubbernde Leben zu begutachten. Ein paar Touristen in Bergstiefeln, jede Menge Dorf- und Landbevölkerung, tonganische Nobles, die Kindermädchen und ihren noblem Nachwuchs im Schlepptau haben, Trauermatten aller Art (was mich ja doch immer wieder fasziniert), dicke Damen, die mit uns an den Tischen sitzen, ihre dicken Sitzpolster im Takt über die Ränder ihrer (tonganertauglichen) Plastikstühle wippen lassen und zur hawaiianisch angehauchten Musike ein TipTop-Eiskrem schlecken. Schön! Ach, was die dicken Sitzpolster betrifft… Das liebe ich so an Tonga – man fällt als Übergewichtige kaum auf. Als ich im Kramladen anstehe und warten, dass Caroline Schneider (!! „I am half German!“ erzählt mir die junge Frau später…) mir Stoffe zuschneidet, die ich den diversen Damen auf den Inseln zugedacht habe, lasse ich mich nebenbei von einer anderen Kundin beraten, wie viel Stoff man denn für einen „wrap-around“, einen Rockwickel, braucht. 1 Meter 80 ist die Auskunft, und dann: „… or is it for you?! Then 1.50 m… You are not fat!“ Ich habe es im Kalender vermerkt.

Abends ein letztes Bier mit Fish and Chips bei Ana „Big Mama“ und Earle – wir hatten viel länger in Nuku’alofa gesessen als gedacht, aber das Wetter war einfach zu bescheiden. Landesgerecht werden wir verabschiedet mit einer Tonganer-Einladung: „… wenn Ihr nach Niuatoputapu kommt: die Insel im Norden vom Ankerplatz ist meine – Ihr könnt sie benutzen…“, sagt Ana.

Sonntagmorgen bei bester Laune in Nuku’alofa ausgelaufen, erreichten wir unser Tagesziel gegen 15 Uhr und freuten uns schon auf möglicherweise ein Ferkelessen am Strand… aber was wir sehen sind lediglich Brecher vor der Insel. Südschwell und – wie wir jetzt im Nachhinein denken – Hochwasser lassen uns nicht mal die kleinste Möglichkeit, die Riffdurchfahrt auch nur zu erkennen. Ein bisschen zögerlich laufen wir drauf zu um dann, etwas gedämpfter Stimmung, abzudrehen. Keine Chance, durch diese Roller durch den Pass zu laufen. Und da dieses ein ekelhaftes Seegebiet ist, mit reichlich Riffen gespickt und nicht unbedingt 100%igem Verlass auf die Seekarten, laufen wir ein Stück ab Richtung Westen, drehen, als die Distanz uns sicher erscheint, für die nächsten Stunden bei und laufen in der Nacht langsam nach Norden, Ziel Ha’afeva. Und da sind wir nun. Lange werden wir dieses Mal nicht in Ha’apai bleiben. Samoa ruft – heute früh kam schon die erste Vorschau via Kurzwelle von der CUL8R: „… heiß ist es! Das Wetter in Tonga fanden wir besser!“ Alles klar: hier regnet es…

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* ein Mahnmal für dieses Fährunglück zwischen Tongatapu und den Ha’apais kann man auf dem kleinen Friedhof gegenüber dem Anleger in Nuku’alofa ansehen. Die Geschichten, die man sich erzählt sind gruselig: Gieriger Noble schickt eine Fähre auf die  Reise, deren Reparatur noch nicht abgeschlossen war.

Schon wieder!

Panga’imotu, 6.6.2012

Es ist jetzt gerade 00:07 UTC, und seit zwei Stunden wandert sie, die Venus.  Vor der Sonne hindurch nämlich, das Ereignis, das uns im Endeffekt Neuseeland und Australien beschert hat – denn Cooks erste Expedition galt ja zunächst einmal dem Venustransit im Jahr 1769, den er am „Venus Point“ in Tahiti beobachtete  – die geheimen, weiterführenden Befehle zum Erforschen des Südpazifik durfte er erst danach öffnen. Wissenschaftlich war das übrigens nicht so ertragreich wie erhofft… Seine „Kontaktzeiten“ hatten bis zu 40 Sekunden Differenz zu anderen Beobachtern auf dieser Welt – er konnte die Venus nicht so scharf sehen was genauere Messungen in Tahiti unmöglich machte.  Übrigens war ja ein rechter Naturforscher an Bord: der mit Cook berühmt gewordene Joseph Banks (Stephen Maturin lässt grüßen). Der fühlte sich am Stichtag lediglich bemüßigt, 3 schönen Tahitianerinnen den Versuchsaufbau zu zeigen. Venusdurchgang, das gibt es alle 105 +  8 Jahre, da heißt es Prioritäten setzen  – und Banks  Prioritäten lagen offensichtlich auf den (Natur)Schönheiten Tahitis. Das wäre Aubrey und Maturin nicht passiert.

Wir haben heute unseren Sextanten rausgeholt (der freut sich auch mal über’s Lüften!) und schauen uns das Schauspiel durch dessen Schattengläser an, das ist der einzige Augenschutz, den wir an Bord aufbieten können. Man sollte tatsächlich eine „SoFi“-Brille dabei haben – immerhin kommt der nächste Venus-Transit am 11.12.2117, dann wären wir gerüstet.

Jedenfalls können wir es sehen –  und wer nachher in Berlin gleich früh die Sonne ausmachen kann, vielleicht auch! Falls nicht: es  sieht genauso aus wie beim letzten Mal, nur in Gegenrichtung.  4. Juni 2004.  Und noch ein Unterschied zu damals: wärmer ist es hier…

Venustransit! Schon wieder!

Killick!

Panga’imotu, 1.6.2012

Home, sweet tropical home… Genau, recht heimelig fühlt es sich an, wenn man in Nuku’alofa an die Tankstellenpier fährt und allerseits ein freundliches: „… malo e lelei!  Welcome back!“ entgegenschallt.  Die Leinen werden angenommen und ratz-fatz hat der Tankwart – dem nun endgültig mal ein selbstgebackener Kuchen gebührt! – die Einklarierungsbehörden angerufen. Und, Donnerwetter, nach 40 Minuten stehen sie auf der Matte, 4 Mann hoch, 1 mal ein neuer Immigrationbeamter, in Tupenu und Ta’ovala samt dickem Wollschal (eine tropische Variante der bekannten Bakterienschleuder, ist ja auch Winter hier, nur 27 Grad!), Zoll (dito Tupenu, aber mit Uniformhemd), Herr MAF (Ministry of Agriculture and Forestry) und Mr. Gesundheitsbehörde, der uns auch wiedererkennt.  Dieses Mal fragt MAF nicht mal mehr nach mitgebrachtem Gemüse (und dabei hatte ich mir soo schöne Kartoffel- / Zwiebel- / Apfelverstecke gesucht) und Mr. Health scheinen wir so gesund und schädlingsfrei, dass wir unser Pratique sofort kriegen. Zoll sitzt ein bisschen rum, plaudert und fragt dann blöd: „… und keine Sachen für die Besuche auf den Inseln?!“  Nööö, wir doch nicht… Schlecht lügen kann ich gut, aber der Zöllner insistiert auch gar nicht. Niemand will das Schiff anschauen und fragt sich, wofür die 20 Schubladen-Rollvorrichtungen sind, die in unserem Vorschiff umherfliegen und noch Schlimmeres; wir sitzen im Cockpit herum und small-talken, irgendwie will doch Valu, der Zöllner. noch was?!??  Und dann kommt’s:  er hat einen BBQ-Stand auf dem Samstagsmarkt. Ob wir da nicht Interesse hätten, morgen mal vorbei… Na, sicher. Tausche gegrilltes Hühnchen gegen gute Stimmung.
Ich lauf‘ noch schnell ums Eck, neben der Fischhalle ist der nächstgelegene Geldautomat – ja, Pustekuchen, weg ist der ANZ-Automat.  Dies beschert mir einen längeren Spaziergang in die Nachbarschaft der Hafenbehörde; siehe da, die ANZ-Filiale ist ebenfalls geschlossen. Ups?! Aber der Geldautomat ist noch da. Die gobale Bankpersonalverschlankung macht auch vor Tonga nicht halt.  Irgendwie scheinen es mir auch wenige Gemüsehändler an der Straße zu sein, aber zur gewünschten Melone und einer (der letzten) Ananas reicht es noch. Auffällig die dunkel-violettfarbenen Stoffbahnen mit schwarzen Schleifen, die von allen Säulen und Fensterstürzen fallen: Tribut an den toten König.  Der war natürlich auch gleich nach unserer Ankunft Thema, mit Nau, dem Taxifahrer, der – wir waren noch nicht richtig fest – schon angerollt kam und uns anstrahlte; so ein bisschen schmeißt er immer die Schiffe durcheinander, aber dass wir schon manche City-Tour miteinander bestritten haben, da erinnert er sich richtig, und er ist ein bisschen enttäuscht, dass wir uns fix nach Panga’imotu verziehen – das erschwert natürlich die Geschäftsgelegenheiten. Wäschewaschen und so… Aber morgen holt er uns für’s Hühnchenessen auf dem Markt ab! Wie, nö?! Sind nur 200 m zu laufen?! Aber man könnte doch bei Valu, dem Zöllner und Grillmeister, mit dem Taxi vorfahren?!  Ja, ja, klar. Wir vergessen Dich nicht, Nau!
Ehe es nun ganz tropisch-lustig wird, verholen wir uns, ans Irrational-Tonganische muss man sich erst mal wieder gewöhnen. Der Anker fällt wie immer bei Big Mama, und wir fallen auch, und zwar um – wir sind nämlich müde. Die zwei Tage von Minerva waren anstrengender, als die 20 Knoten Wind von achtern es vermuten lassen. 3-4 m See sorgten für ein ordentliches Gerolle, aber nicht die Segelei machte uns Schwierigkeiten, sondern das Wachehalten bzw. das Finden einer entspannten Schlafhaltung; die neu entwickelte Steuerbordkoje als Schlafplatz brauchte einige Nachtwachenlängen um richtig zu funktionieren; das in Opuy montierte Leesegel gab zu viel Raum, so dass man entweder haltsuchend, d.h. völlig verkrampft den Einstieg in den Schlummer suchte, oder, wenn nicht, dann unverkrampft aber hellwach auf der Koje hin und her rollte. Ui.
Aber dann sitzt man in der Sonne, kleines Ankerfeld von 5 Yachten, vor uns „ICE“ aus Hobart, ein tolles Gefährt.  Sieht aus wie es heißt: Eisfahrtgeeignet.  Kann, muss aber nicht, so ein bisschen tropische WÄrme tut auch ganz gut…
Aber wir gucken ja nicht nur nach fremden Schiffen, sondern wir haben auch ein Kulturprgramm. Filmabend zum Beispiel. Das Programm schon in Minerva zeigte eine Wiederholung eine Rallye-Dokumentation: Wilfried hatte uns ein Exemplar des schönen Deimel-Filmes „Röhrls Katze“ überlassen, bei dem wir gar nicht wissen, ob wir die tollen Rallyeaufnahmen am liebsten mögen, Röhrls trockene Kommentare („… schnoi Di o, Christian!“) oder die ganze Bande altbekannter Gesichter aus unseren Arbeitszeiten. Das spricht nicht nur den Eigner an – auch die Schipperin fühlt sich zurückversetzt in die „gute alte Zeit“.
Auf’s Programm muss jetzt aber auch mal „Master and Commander“, und das nicht ohne Grund, denn wir verschlingen seit ein paar Wochen die Patrick O’Brian-Romane*  um „Lucky“ Jack Aubrey und die Britische Navy. Neuerdings rufen wir gern mal: „Killick!“  Richtig, Aubreys muffiger Steward („… was is’n jetzt schon wieder!“)  Genau der richtige Ton hier an Bord, das übernehmen wir 1:1 – ich werde dem Eigner allerdings nicht vorwerfen können, dass er keine saubere Ausgehuniform hat „alles voll Dreck und Blut von Ihrem Gezappel auf der Vénus!“  Ist ja auch ekelhaft – dieses Hauen und Schießen, diese ewigen Seeschlachten sorgen nur für Unruhe im Alltag eines Stewards, das können wir nachfühlen, Killick!
Womit klar sein sollte: wir haben ein neues Idol gefunden. Oder gleich mehrere: Jack Aubrey selbst, der ja auch ’ne ziemliche Nummer darstellt, ein genialer Seemann mit eindeutigen „Land“-Schwierigkeiten. Und was wäre der ohne Dr. Maturin, der zwischen Geschlechtskrankheiten, Geheimdiensttätigkeit und einer flinken Amputation immer noch Zeit hat, Natur zu beobachten und zum Dinner Fundsachen anzuschleppen, einen Erdferkel-Fötus oder Ähnliches. Um dann nahtlos zu philosophischen Tischgesprächen überzugehen. Tolle Kandidaten für AKKA-Leitfiguren.

Ah! Es ruft gerade… „Killick!“  „… was’n jetzt schon wieder?!“ Essenszeit…  Na dann. Bis bald mal wieder aus Nuku’alofa.

* Literaturempfehlung:  Patrick O’Brians marinehistorische Romanserie um Jack Aubrey und die British Royal Navy.