Killick!

Panga’imotu, 1.6.2012

Home, sweet tropical home… Genau, recht heimelig fühlt es sich an, wenn man in Nuku’alofa an die Tankstellenpier fährt und allerseits ein freundliches: „… malo e lelei!  Welcome back!“ entgegenschallt.  Die Leinen werden angenommen und ratz-fatz hat der Tankwart – dem nun endgültig mal ein selbstgebackener Kuchen gebührt! – die Einklarierungsbehörden angerufen. Und, Donnerwetter, nach 40 Minuten stehen sie auf der Matte, 4 Mann hoch, 1 mal ein neuer Immigrationbeamter, in Tupenu und Ta’ovala samt dickem Wollschal (eine tropische Variante der bekannten Bakterienschleuder, ist ja auch Winter hier, nur 27 Grad!), Zoll (dito Tupenu, aber mit Uniformhemd), Herr MAF (Ministry of Agriculture and Forestry) und Mr. Gesundheitsbehörde, der uns auch wiedererkennt.  Dieses Mal fragt MAF nicht mal mehr nach mitgebrachtem Gemüse (und dabei hatte ich mir soo schöne Kartoffel- / Zwiebel- / Apfelverstecke gesucht) und Mr. Health scheinen wir so gesund und schädlingsfrei, dass wir unser Pratique sofort kriegen. Zoll sitzt ein bisschen rum, plaudert und fragt dann blöd: „… und keine Sachen für die Besuche auf den Inseln?!“  Nööö, wir doch nicht… Schlecht lügen kann ich gut, aber der Zöllner insistiert auch gar nicht. Niemand will das Schiff anschauen und fragt sich, wofür die 20 Schubladen-Rollvorrichtungen sind, die in unserem Vorschiff umherfliegen und noch Schlimmeres; wir sitzen im Cockpit herum und small-talken, irgendwie will doch Valu, der Zöllner. noch was?!??  Und dann kommt’s:  er hat einen BBQ-Stand auf dem Samstagsmarkt. Ob wir da nicht Interesse hätten, morgen mal vorbei… Na, sicher. Tausche gegrilltes Hühnchen gegen gute Stimmung.
Ich lauf‘ noch schnell ums Eck, neben der Fischhalle ist der nächstgelegene Geldautomat – ja, Pustekuchen, weg ist der ANZ-Automat.  Dies beschert mir einen längeren Spaziergang in die Nachbarschaft der Hafenbehörde; siehe da, die ANZ-Filiale ist ebenfalls geschlossen. Ups?! Aber der Geldautomat ist noch da. Die gobale Bankpersonalverschlankung macht auch vor Tonga nicht halt.  Irgendwie scheinen es mir auch wenige Gemüsehändler an der Straße zu sein, aber zur gewünschten Melone und einer (der letzten) Ananas reicht es noch. Auffällig die dunkel-violettfarbenen Stoffbahnen mit schwarzen Schleifen, die von allen Säulen und Fensterstürzen fallen: Tribut an den toten König.  Der war natürlich auch gleich nach unserer Ankunft Thema, mit Nau, dem Taxifahrer, der – wir waren noch nicht richtig fest – schon angerollt kam und uns anstrahlte; so ein bisschen schmeißt er immer die Schiffe durcheinander, aber dass wir schon manche City-Tour miteinander bestritten haben, da erinnert er sich richtig, und er ist ein bisschen enttäuscht, dass wir uns fix nach Panga’imotu verziehen – das erschwert natürlich die Geschäftsgelegenheiten. Wäschewaschen und so… Aber morgen holt er uns für’s Hühnchenessen auf dem Markt ab! Wie, nö?! Sind nur 200 m zu laufen?! Aber man könnte doch bei Valu, dem Zöllner und Grillmeister, mit dem Taxi vorfahren?!  Ja, ja, klar. Wir vergessen Dich nicht, Nau!
Ehe es nun ganz tropisch-lustig wird, verholen wir uns, ans Irrational-Tonganische muss man sich erst mal wieder gewöhnen. Der Anker fällt wie immer bei Big Mama, und wir fallen auch, und zwar um – wir sind nämlich müde. Die zwei Tage von Minerva waren anstrengender, als die 20 Knoten Wind von achtern es vermuten lassen. 3-4 m See sorgten für ein ordentliches Gerolle, aber nicht die Segelei machte uns Schwierigkeiten, sondern das Wachehalten bzw. das Finden einer entspannten Schlafhaltung; die neu entwickelte Steuerbordkoje als Schlafplatz brauchte einige Nachtwachenlängen um richtig zu funktionieren; das in Opuy montierte Leesegel gab zu viel Raum, so dass man entweder haltsuchend, d.h. völlig verkrampft den Einstieg in den Schlummer suchte, oder, wenn nicht, dann unverkrampft aber hellwach auf der Koje hin und her rollte. Ui.
Aber dann sitzt man in der Sonne, kleines Ankerfeld von 5 Yachten, vor uns „ICE“ aus Hobart, ein tolles Gefährt.  Sieht aus wie es heißt: Eisfahrtgeeignet.  Kann, muss aber nicht, so ein bisschen tropische WÄrme tut auch ganz gut…
Aber wir gucken ja nicht nur nach fremden Schiffen, sondern wir haben auch ein Kulturprgramm. Filmabend zum Beispiel. Das Programm schon in Minerva zeigte eine Wiederholung eine Rallye-Dokumentation: Wilfried hatte uns ein Exemplar des schönen Deimel-Filmes „Röhrls Katze“ überlassen, bei dem wir gar nicht wissen, ob wir die tollen Rallyeaufnahmen am liebsten mögen, Röhrls trockene Kommentare („… schnoi Di o, Christian!“) oder die ganze Bande altbekannter Gesichter aus unseren Arbeitszeiten. Das spricht nicht nur den Eigner an – auch die Schipperin fühlt sich zurückversetzt in die „gute alte Zeit“.
Auf’s Programm muss jetzt aber auch mal „Master and Commander“, und das nicht ohne Grund, denn wir verschlingen seit ein paar Wochen die Patrick O’Brian-Romane*  um „Lucky“ Jack Aubrey und die Britische Navy. Neuerdings rufen wir gern mal: „Killick!“  Richtig, Aubreys muffiger Steward („… was is’n jetzt schon wieder!“)  Genau der richtige Ton hier an Bord, das übernehmen wir 1:1 – ich werde dem Eigner allerdings nicht vorwerfen können, dass er keine saubere Ausgehuniform hat „alles voll Dreck und Blut von Ihrem Gezappel auf der Vénus!“  Ist ja auch ekelhaft – dieses Hauen und Schießen, diese ewigen Seeschlachten sorgen nur für Unruhe im Alltag eines Stewards, das können wir nachfühlen, Killick!
Womit klar sein sollte: wir haben ein neues Idol gefunden. Oder gleich mehrere: Jack Aubrey selbst, der ja auch ’ne ziemliche Nummer darstellt, ein genialer Seemann mit eindeutigen „Land“-Schwierigkeiten. Und was wäre der ohne Dr. Maturin, der zwischen Geschlechtskrankheiten, Geheimdiensttätigkeit und einer flinken Amputation immer noch Zeit hat, Natur zu beobachten und zum Dinner Fundsachen anzuschleppen, einen Erdferkel-Fötus oder Ähnliches. Um dann nahtlos zu philosophischen Tischgesprächen überzugehen. Tolle Kandidaten für AKKA-Leitfiguren.

Ah! Es ruft gerade… „Killick!“  „… was’n jetzt schon wieder?!“ Essenszeit…  Na dann. Bis bald mal wieder aus Nuku’alofa.

* Literaturempfehlung:  Patrick O’Brians marinehistorische Romanserie um Jack Aubrey und die British Royal Navy.

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