Insel-Schätze

Die Policeband. Täglich. Außer sonntags...

Die Policeband. Täglich. Außer sonntags...

Apia, 26.7.2012

Frühstückszeit. Ich sitze rücklings im Cockpit, Laptop auf dem Schoß, die Marina-Schlengel quietschen ein bisschen an den Pollern; man fragt sich, wann diese dünn besetzte Marina wohl dem Verfall preisgegeben sein wird… Der Horizont wird begrenzt von den frühmorgendlichen Wolken, die sich über die grüne Bergkante wälzen. Ein bisschen Stdt-, ein bisschen Hafengeräusch, dazu Vogelgezwitscher aus den großen Bäumen am Straßenrand. Marina-Idylle eben – des abends dann etwas weniger idyllisch, hier hat sich nämlich eine kleine Gruppe von Lokalen angesiedelt, die bei Locals und Touristen gleichermaßen beliebt sind und bis 23 Uhr schon mal gern ein kleines Samoa-Rambo-Zambo bieten, Aber da die Polizei um Mitternacht spätestens ausrückt um zu gucken, ob nun Ruhe eingekehrt ist, stört es unseren Nachtschlaf nicht wesentlich. Naja, freitags ist großes Samao-Rambo-Zambo, da zittern dann schon mal die Besanwanten.
Als wir kürzlich an der Kreuzung im Ort standen – Apia hat diverse Ampeln.  In Tonga hat so was Seltenheitswert! – als wir also auf Grün warten, macht es „wumm, wumm, wumm-tata“ und die Polizei kommt in 5er-Reihe marschiert. Sandale, Uniform-Hemd und …  blaues Lava-Lava um die Lenden geschlungen.  Wir MÜSSEN jetzt dringend mal zum morgendlichen Ausrücken der Polizei-Brassband zur Flaggenparade, das dürfen wir uns einfach nicht entgehen lassen.

Ziel unserer Radtour war das Robert-Louis-Stevenson-Museum gewesen…  Siehe oben: Wolken wälzen sich über die Bergkanten. Hatte doch der Eigner gesagt, dass wir 5 km aus dem Ort „raus“fahren.  Da hat er die Konsonanten verwechselt, das hätte „rauf“ heißen müssen. Nachmittags um 2 natürlich. Straßen sind hier, wie nicht anders zu erwarten, südpazifisch – in Neuseeland vielleicht ein bisschen breiter und mit befestigter Schulter, aber ansonsten kommt man hier unten auf der Erdkugel über 2 Spuren nicht hinaus (Metropolen ausgeschlossen). Nun, zwei Spuren heißt, dass man im kleinen Gang am Rande des Teerstreifens balanciert, von hinten macht jeder – jeder! – Taxifahrer „trööt“, zur Warnung, dass man nun recht dicht am Radler vorbeistreifen wird. Pickups unterlassen das Trööten schon mal, und die Busse schon gar. Anstrengend. Da schiebt es sich doch gleich besser auf dem Grasstreifen.

Stilleben mit Eigner - das Stevenson-Haus in Apia

Stilleben mit Eigner - das Stevenson-Haus in Apia

Dennoch, das Ziel war lohnend. Stevenson, Autor nicht nur der Schatzinsel und Erfinder von Dr. Jekyll und Mr. Hyde, sondern Verfasser von vielen anderen Romanen, von Lyrik wie von politischen Streitschriften, hatte eine klimatisch günstige neue Heimat gesucht und sich hier ein wunderschönes koloniales Anwesen bauen lassen. Über die geräumigen Veranden zieht der freundliche Aufwind vom Meer herauf, das man durch den dichten Bewuchs ahnen kann. Telesa führt uns und gibt uns eine Idee davon, wie sehr die Samoaner Stevenson, den „tusitala“, den Geschichtenerzähler, geschätzt haben – ein palangi, der nichts von ihnen wollte, nur die Wertschätzung, die Inspiration durch die fremde Kultur und ein ruhiges Plätzchen für einen hageren, kranken Menschen, der dennoch viel Energie für die Samoaner aufgewendet und sich gegen die Kolonialherrschaft, britisch wie deutsch, gewendet hat.   Rauch- (und Kava-)salon – hej, der Mann war doch lungenkrank, möchte man sagen; zum Ausgleich gibt es ein großes freundliches Krankenzimmer… Bibliothek und Arbeitsraum – mit diesem umwerfenden Ausblick und vielen „Schatzinseln“ in allen Sprachen. Wohn-, Ess- und Ball“saal“ – nicht unwesentlich bei den Stevensons, es gibt Karikaturen, die die gesamte Familie mit allerlei Flaschen in der Hand zeichnen…

Stevenson - der Clan

Stevenson - der Clan

Und natürlich gab es viele Schlafzimmer – immerhin hatte Stevenson reichlich „Familie“: Ehefrau Fanny Osbourne, Stieftochter Isobelle samt Söhnchen Austin und ihrem Ehemann, Stiefsohn und Co-Autor Lloyd Osbourne. Und nicht zu vergessen die Fanny-Hasserin, Mutter Stevenson, genannt Aunt MaggieM das ist die, die auf dem Foto wie Queen Victoria aussieht. Fanny Osbourne* verdient im Museum nochmals besondere Erwähnung: als „weiße Wolke“, so ihr samoanischer Name nach den weißen Gewändern, die sie immer trug, oder als „die, die alles im Griff hat“; auch wenn es unsamoanisch war, dass eine Frau ein derartiges Talent zur Betriebs- und Familienführung an den Tag legt, die Samoaner wussten, was sie an ihr hatten.

Auf der detuschen Station geblieben

Auf der deutschen Station geblieben...

Nach diesem Besuch geht es abwärts in rauschender Fahrt; man sollte meinen, dass man die Bergabpassage auf dem Rad genießen könnte, aber das war dann doch ein bisschen zu dolle.  Am Fuß des Berges erledigen wir den obligatorischen Friedhofsbesuch – es ist doch immer interessant, wie Kolonialgeschichte auf Grabsteinen dokumentiert wird, und hier nun besonders, denn außer Tanzania haben wir noch keine veritable deutsche Kolonie von Nahem gesehen. All die Rasmussens und Clausens und Schmidts und Fabricius. Der „eigentliche“ Kolonialherr hat auf diesem Friedhof allerdings wenig Spuren hinterlassen: das war die Reederei Godefroy aus Hamburg, die hier den Umschlaghafen für den Südpazifik betrieb. Übrigens: vor allem wegen dieses  verkehrspolitischen Vorteils war Stevenson hier gelandet… Zum leichteren Versand seiner Manuskripte, heißt es.

Da wir uns wegen ausreichender Erschöpfung den Weg zu Stevensons Grab gespart hatten, gibt es demnächst eine neue AKKA-Expedition nach Vailima. Dieses Mal mit dem Bus, damit noch Luft für den Weg auf den Mount Vaea bleibt. „Herrlich ist es hier, hier ist mein Haus und hier wird mein Grab sein – nur, dass beides nicht in Schottland ist, darüber werde ich nicht hinweg kommen!“

Schottland in diesem Regensommer – das wäre eine schöne Bescherung für uns. Dann lieber Samoa und ein bisschen Schwitze-Hitze.

Bis bald.

PS: Wir waren dann nochmals im Aggie Greys, denn wir trafen Freunde und Ermutiger wieder, die wir zuletzt in Cascais/Portugal getroffen hatten; John und Amanda Neals „Mahina Tiaré III“ – eine echte Freude. Damals waren wir voller Ehrfurcht vor ihren Leistungen und dem, was auf uns zukommen würde.

Anbei ein Bild von Amanda „on stage“. Telesia, die zurückhaltende Bedienung im Restaurant hatte sie auf die Bühne gelockt („… mit dem Kleid!“) und schnell auch die eigene Schüchternheit abgelegt.

a Telesia and Amanda: Thanks for dancing for us!

Hi, Telesia and Amanda: Thanks for dancing for us!

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* ich war mit der Erinnerung an eine schöne Fanny-Biographie gekommen: Alexandra Lapierre, DIE VAGABUNDIN (Englisch: A Romance with Destiny – Fanny Osbourne-Stevenson)

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