Matagi, 9.10.2012
Das Leben hat immer Scherze bereit. Unser letzter war gestern, und die Flaschen aus dem Titel sind wir…
Wegen angekündigten (aber im Endeffekt nicht eintreffenden) Windes hatten wir uns am Freitag in die nächstgelegene Bay an der Westküste verholt und der Sonnabend, der verregnete, brachte eine Fahrt nach Somosomo, im Teil-Taxi (da kostet es dann nur 6 $, sehr nett, und gleich mit Familienanschluss). Wir brauchten Geld, und ATMs* gibt es nicht gerade häufig auf Taveuni, genauer gesagt nur einen, in Somosomo, Ortsteil Nagara – da wo man auch Gemüse und Obst an der Straße kaufen kann. Am Automaten steht schon eine Fiji-Dame, steckt ihre BSP-Bankkarte hinein, tippt die PIN ein und… jepp! Geld! Das berechtigt zu den schönsten Hoffnungen. Nun denn, DKB-VISA-Card gezückt, PIN eingeben, Geldauszahlung wählen und… Blue Screen (eher ein Grey Screen mit einem unverständlichen Prompt am oberen Bildrand). Hm. Nächste Karte – gleiches Ergebnis. Kein Geld!** Nu‘ wird’s knapp mit der Kohle über’s Wochenende. Auf dem regenfeuchten Weg zum MH-Supermarkt klettern ein paar Kinder für uns in einen riesenhaften Mangobaum über dem Fluss und holen uns eine Tüte Früchte herunter, die wir – wahrscheinlich fürstlich – mit einem Dollar bezahlen. Die MH-Auswahl ist taveunimäßig prima, wie wir finden; Frischfleisch nicht so dolle, aber sonst ist fast alles da. Nur der groß angekündigte „Food Court“ ist schon um 12 Uhr bis auf eine Schale bräunliches Dhal abgefressen. Taxi – diesmal ungeteilt, daher 14 Dollar – zum Coconut Grove, einem niedlichen Resort in Matei, dem Ort vor dem wir die letzten Tage gelegen hatten, und die wundervolle Fruchtsäfte und Salate bieten. Im Vorbeifliegen fällt uns das nahe am Ankerplatz gelegene Restaurant „Tramonto“ auf, Planänderung. Stopp! Sehr nette junge Frauen, die das kleine Restaurant betreiben, und wir haben AKKA-Blick. So romantic! Und so lecker, dass wir, nun wirklich aller Fijidollars ledig, verabreden am Folgetag mit US-Dollars wiederkommen zu dürfen. Zum Sackenlassen von Stir Fry und Fish&Chips unternehmen wir ein paar Schritte – und landen, diese Küste ist ein (sehr ruhiger) Touristen-Strip, bei Taveuni Ocean Sports. Ein PADI-Tauchzentrum, und eingedenk meiner vagen Pläne ein „gefährlicher“ Stopp. Palaver, palaver – o.k., wir denken über das Angebot nach und kommen morgen wieder. Nun ist die Saat endgültig gesät, denn TOS wurde von einigen Seglern gelobt, die Besitzerin Julie sei ein toller Dive Guide etc…
Und wirklich, nach dem Sonntagsspaziergang (hm, ja, das Restaurant Tramonto hatte zwar offen, alle Beschäftigten waren auch versammelt, aber ohne die Frau mit dem Schlüssel wird das nix mit der Bewirtung…) machen wir es fix: das Wetter stimmt einigermaßen, und wenn wir tauchen wollen, dann hier in der „Welthauptstadt der Weichkorallen“. Wir hinterlassen, dass wir bis auf die Tauchgänge zum Erwerb des Brevets keinerlei Erfahrung haben. „… ja, natürlich, Ihr habt keine Erfahrung, da richten wir uns drauf kein, keine großen Tiefen etc.pp.“
Wir hoffen auf das Beste, und freuen uns auf einen Softtauchgang zu weichen Korallen.
Montag, 07:45. Sosi (George auf Fidjianisch) ist wieder da, heißt uns freundlich willkommen – und kurz drauf rollen wir mit Julie Richtung Somosomo. Nach einem Small Talk über gutes Essen frage ich, was mir die ganze Zeit auf den Nägeln brennt: „… you heard that we are unexperienced divers?!“ Nö, sagt Julie, wieso unerfahren? Aber ehe wir es ganz erklären können, sind wir auch schon da, Nadja, unser Tauchguide nimmt uns Empfang – „… lasst uns mal den Papierkram erledigen!“ Das haben wir doch schon, gestern, hat Sosi das nicht weitergegeben? Sag mal, weißt Du etwa auch nicht, dass wir völlig unerfahren…?! Oops?! Nein. Aber macht nichts, das kriegen wir schon hin. Sie prüft unsere Tauchausweise – „… und der letzte Tauchgang!?“ Oh, Mann – jahhaaa, zum Zeitpunkt der Prüfung, 2007. Leichtes Augenbrauenheben auf der Gegenseite.
Aber dann rückt auch Barbara an, unsere Mittaucherin – mir schwant schon was: Barbara ist eine geradezu fanatische Taucherin im PADI Scuba Dive Master-Rang und ´absolviert heute die letzten beiden Tauchgänge ihres Urlaubs. Mit uns zwei Flaschen… da hat sie ja richtig Glück gehabt.
Ich komme mir vor wie beim Gang auf’s Schafott, als wir zum Boot traben. Das Diveboot hat all unsere Sachen bereit, wir kleiden uns an, Nadja, die wirklich sehr freundlich und kompetent ist, brieft uns, mittlerweile hat sie unsere Erfahrungslücken verinnerlicht. Mittlere Tauchtiefe 15-20 m und bitte rasch abtauchen, wir haben hier viel Strömung. Sie guckt mich an: „… Du siehst besorgt aus?!“ Ja, bin ich – das ist schließlich das erste Mal seit 5 Jahren. 15 bis 20 m. Wir überlegen noch kurz, ob wir was ummodeln sollen, aber dann sitze ich schon auf der Backbordseite, halte die Brille und den Lungenautomaten fest, auf „3“ soll ich abkippen. „… one, two… splash!“. Der Frühstart ist nur ein Schönheitsfehler. Ich gebe mein o.k.-Zeichen und dümpele an der Oberfläche, das Tarierjacket wohl gefüllt. Dann kommt Andreas mit Barbara, alles o.k. – und das Zeichen: „Abwärts!“ Gesagt, getaucht. Nun folgt der Scherz… Die Somosomo Strait hat volle Strömung, daher ist das Wasser voller leckerer Korallennahrung, und man sieht zwar ganz gut, aber nicht besonders. Ich tauche ab, getreu dem Motto „rasch“. Hinter mir irgendwelche Flossen, yeah!, auf geht’s, oder besser: ab geht’s. Ruhig atmen, nicht die Luft anhalten, immer schön blubbern und steter Druckausgleich – jaa, gut so, Frau Fuchs, Konzentration, wozu haben wir uns am Vorabend noch einmal die ganze PADI-CD angetan. Geht doch! Nach einer Weile kommt der Boden in Sicht – prima, da hat frau was zum Orientieren. Ich schaue nach oben: ganz schön allein hier… Hm, mir geht’s gut, und die anderen werden schon kommen. Ich tariere ein bisschen rum mit der Weste, der Fuchs-Stein schwebt nicht gerade über dem Korallensand. Ah, ja, jetzt hebt sie sich leicht und senkt sich beim Austamen. Ich klopfe mir selbst auf die Schulter. Flossen erscheinen im Augenwinkel: der Rest der Truppe. Jemand tippt mir auf den Arm und deutet auf meinen Computer: guck mal… 22,5 m! Ich sehe die andere Taucherin deuten – deine Leute sind da oben! Also, der Stein war wohl ein bisschen weit gesunken – nicht zu schnell, aber ungeplant. Barbara hatte mich, die ich in voller Konzentration auf den Tauchvorgang die Umwelt völlig vergessen hatte, im Auge behalten, aber es war Julie, die mit einer anderen Gruppe an der gleichen Stelle abtauchte, die mich auf den Rückweg nach oben schickte. Ich hole Barbara ein, wir tauchen weiter und weiter auf – wo waren bloß Eigner und Nadja, the Dive Guide?! Na, die beiden strampeln an der Oberfläche. Ich, die ewige Floaterin (Andreas‘ Standardspruch beim Schnorcheln: „Wie machst Du das? Ich gehe immer unter!“) tauche ab wie nix, und der, der ewig untergeht, vermag keine 2 m abzutauchen. Kleines Palaver an der Oberfläche – wir wechseln das Revier, und Andreas, der Frostbeutel im dicken Tauchanzug, kriegt mehr Bleiballast.
Die erste Flasche für die beiden Flaschen wird dann in moderaten Tiefen so um die 12-14 m geleert – davon bekomme ich so gut wie nichts mit, so sehr bin ich auf „Tauchen, Tarieren, Atmen“ konzentriert. Ich merke nicht mal, wenn ich zurückfalle, ein, zweimal muss Nadja mich einsammeln oder auch wieder hinab“komplimentieren“, mit Armeskraft. Aber erleuchtend war es schon: Flache Tauchtiefen sind viel schwerer auszutarieren als die tiefen.
Nach der ersten Flasche kommt eine Pause, ich bin schon ein bisschen müde. Soll ich überhaupt noch mal?! Aber die Stunde Unterbrechung geht mit heißem Tee dahin, mit Fischbuch-Gucken, Tauchtheorie von Nadja, Schokokuchenhäppchen und Papayastücken. Und schon sitze ich wieder auf der Kante, neue Flasche, neues Glück, Du Flasche… Splash pünktlich auf drei, abwärts geht es zum „Ledge“ einem schönen, alten Seamount, mit vielen Korallen bewachsen und mächtigen Überhängen. 15 m – das scheint eine gute Tiefe zu sein. Wir drehen unseren Kreis, bewundern den besonders hübschen Fiji-Nemo, der sich dunkel-orangefarben und mit einem Streifen in den rieseigen Seeanemonen versteckt. Nadja fragt gelegentlich den Flaschendruck ab und zeigt mir niedlichste kleine Nacktschnecken, kleine Porzellanfleckchen in weiß mit blauen Zipfeln drauf. Die Nase an die wunderbaren Federseesterne halten, oder dem schönen, petrol-roten Papageienfisch folgen, der ungerührt vor mir her trödelt. Alles friedlich, alles „normal“, und die Tauchzeit vergeht wie im Flug. Ein bisschen Kampf mit der 5 m-Tiefe beim Auftauchen, aber da weiß ich ja nun Bescheid: meine Jacke ist leer, also muss ich mich aktiv bemühen, nicht aufzutauchen – anstrengend. Und dann: schon vorbei.
Die weichen Knie stellen sich erst später ein – um es genau zu sagen: zurück auf der AKKA bin ich absolut platt.
Ich hab nicht mal mehr Zeit und Lust, Ausschau nach unserem Besuch vom Vortag zu halten. Da kam nämlich eine Art Koprasack vorbeigeschwommen. Dick und ohne Flossen, ohne Fluken, dafür mit einer gummeligen Nase und bräunlich in der Farbe. Ich hatte Nadja das beschrieben, denn wir hatten einen Verdacht, und sie sagt prompt: „… hab‘ noch nicht gehört, dass die hier heimisch sind, aber das kann nur ein Dugong gewesen sein!“ Genau – hatten wir auch gedacht. Eine verirrte Seekuh oder ein Seebulle, vielleicht aus Vanuatu. Und keiner außer uns beiden Flaschen hat’s gesehen.
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* Automatic Teller Machine, der Geldautomat
** PS: das Rätsel des Automaten wurde am Montag nach unserem Tauchgang gelöst. Nachdem wir uns für eine Weile in die (lange!) Schlange der Bankkunden eingereiht hatten, kam einer der Angestellten und bediente die Maschine von hinten, aus dem Bankraum heraus, was für uns das Zeichen war, dass man auf die Fehlleistung hinweisen könnte. Und nach wenigen Sekunden hatten wir unser Geld in der Hand. Hätten wir auch selbst drauf kommen können: es gibt zwar diesen informationsfreien grey screen, aber man muss einfach den am meisten abgegrabbelten Knopf drücken, um im nicht sichtbaren Menu weiterzurücken. Mal wieder ein Rezept für’s Leben!