Albert Cove, Rabi Island, 15.10.2012
… das ist mal eine wirklich interessante Insel, und sie fordert zu täglichen Taxifahrten heraus. Die Insel ist Rabi (=Rambi) und das Taxi natürlich das WikiTaxi, denn zumindest hier in Albert Cove reicht die freie Fläche mal knapp für Hunde-Trampelpfade durch den Busch, und das Netz, das ist weit, weit entfernt. Dafür haben wir aber schon einen um die Ecke gebracht.
Nachdem wir zwei Tage in Matagis Horseshoe Bay geankert hatten – ganz schön, wenn man auch wissen sollte, dass diese Bucht die „Honeymooners Hut“ des Matagi Resort beherbergt und daher täglich ein Abgeschiedenheit suchendes Paar zu uns herüber geschippert wurde, für ein „very private picnic“, das man tunlichst nicht stören solle, wie uns die Bootsführer bedeuteten. Aber wir finden, dass der Anblick einer AKKA in der Bucht ein äußerst romantisches Beiwerk ist, und obwohl es verlockend war, mal in die Picknickkörbe zu gucken, haben wir uns natürlich zurückgehalten. Die Wetten lauten auf Lobsterhäppchen und Champagner…
Der folgende Abstecher ins Budd Reef zu den Ringold Islands war dagegen ein schwierigerer Fall: wir hatten uns in die School Bay von Yanuca gelegt, wunderschön anzuschauen, Pausenklingel und Kindergeschrei unter Palmen, dazu blauestes Wasser, im Hintergrund der Kegel von Cobia – aber es lief ein äußerst unangenehmer Schwell in die Bucht. Die Fischersleute, die uns besuchen kamen, meinten, dass der nach Süden gelegene Ankerplatz noch viel schlimmer sei – man kann es sich vorstellen: voll dem Wind ausgesetzt und dann noch mehr oder weniger auf Legerwall. Nö. Letzte Alternative: ein ruhiger Ankerplatz vor der westlichsten Insel, den wir auf dem Weg durch den Pass begutachtet hatten – aber der ist so weit ab vom Schuss, dass uns wir nicht ausdenken mögen, wie nass wir mit unserem 3 PS-Kurzdinghy im Dorf angekommen wären. Sind mehrere Schiffe da, holt der Sohn vom Chief die Crews gern mit dem Dorfboot ab, zeigt einem die Inseln und lässt einen auf Cobia herumklettern, aber eine AKKA macht noch keine große Landpartie. Budd Reef: ein Fall für wirklich ruhiges Wetter.
Und nun sind wir auf Rabi. Es ist eine schöne, grüne Insel, groß, mit steilen, felsigen Küsten und dicht bewaldet. Unter den Palmen am Ufer der Albert Cove – Strand gibt es nur bei Niedrigwasser – ducken sich 4 oder 5 Hütten schlichtester Bauart, nämlich aus Bambusrohr und Palmblatt, drumherum ein paar Nutzpflanzen wie Banane, Papaya, Maniok. Es ist die Lebenssituation, wie wir sie in diesem Jahr schon öfter gesehen haben, in Samoa oder Wallis: die Natur gibt einem das Notwendigste. Auf dem ersten Landgang lernen wir gleich Panea, Mariana und Terri kennen – wir hatten schon von Panea gelesen, ein älterer Fischer, der vor Jahren einen Schlaganfall erlitten hat und seitdem gehbehindert ist (so sehr, dass er bei Hurrikan in seiner Hütte sitzen bleibt, bzw. eine nahegelegene Höhle aufsucht, wenn es gar zu schlimm wird!); aber seine muskulösen Arme verraten, dass er das Schwimmen und Tauchen sowie das Schwingen seines Unterwasserspeeres hervorragend meistert. Seine Beute sind wahlweise Fisch, große Tridacna-Muscheln, Oktopus. Heute sitzt er aber ein bisschen bedröppelt da – letzte Woche hat er sich an einer Koralle verletzt und hat ein dick geschwollenes Knie mit einer eitrigen Wunde. Die üblich-scheußliche Tropeninfektion – also beschränkt sich das Menu ein paar Tage auf Vegetarisches. Panea ist ein absolut witziger, heller Kopf, es macht Spaß, sich zu ihm auf die Matte zu hocken. Die Stimmung ist insgesamt ruhig, sehr ruhig… während wir mit Panea schwätzen, demonstriert Terri, was es mit dem Kavatrinken auf sich hat – man hat schon ein paar Bilos, halbe Kokosschalen, geleert und er scheint ganz schön weit weg zu sein und SEHR entspannt. Gut dass wir erst nach der „Kava Bowl“ eingetroffen sind (wir hatten große Handwäsche und das nachfolgende Wäschetrocknen abzuwarten…). Währenddessen wickelt Mariana ihre kleine Enkeltochter Pria – und das fordert dazu heraus, von Gesicht zu Gesicht zu schauen: Pria ist ein braunes, kulleräugiges Baby, aber so gar nicht fijianisch, auch nicht polynesisch?! Panea, Mariana und Terri haben breite, fast asiatisch anmutende Gesichter, jedenfalls keine melanesichen, und es ist so: Panea ist aus Kioa, der Insel südlich von Rabi, wo man 1946 Leute aus Paneas Heimatarchipel Tuvalu angesiedelt hat, um den Bevölkerungsdruck dort zu mindern; little Prias Mutter wiederum hat einen jungen Inder aus Nadi geheiratet, und darum ist Pria eine winzige „brown indian“, wie Mariana sagt „and that’s very Fijian!“. Und sie selbst: halb Banaba, halb Fiji – in gewisser Weise steht Mariana für eine komplizierte (Um)siedlungsgeschichte, die sich vor uns entfaltet: so wie die Leute von Kioa aus Tuvalu („Ellice Islands“, wie Panea sagt) kommen, sind die von Rabi aus Banaba, ehemals „Ocean Island“, einer Insel aus dem Gilberts-Archipel, 1100 Seemeilen nordwestlich von hier, der einzigen Insel des heutigen Kiribati* übrigens, die nicht dem Global Warming-Untergang geweiht ist, da bergig. Dennoch: kaputt ist Banaba heute schon, denn wie auf Nauru wurde bis in die späten 70er hinein mineralisches Phosphat abgebaut, was nicht nur eine Steinwüste hinterließ, sondern auch landlose Menschen. Also kam man seitens der britischen Regierung bzw. der British Phosphate Commission auf eine „brillante Idee“ – man nahm die den Insulanern zugedachten Förderabgaben (so genannte „royalties“, was nur etymologisch mit der königlichen Familie zu tun hat), kaufte dafür eine Insel in Fiji (vielleicht erwähnenswert, dass – Umsiedlung! – die Ur-Rabianer nun auf Taveuni leben…), und holte ab 1945 die Leute von Ocean Island her; in zwei weiteren (nicht ganz legalen) Wellen kamen dann nochmals Banabans nach, die nun heute die Bevölkerung der Insel ausmachen – in einem interessanten politischen Mix: sie sind Fijianer, entsenden aber einen Abgeordneten ins Kiribati-Parlament, und alle Rabianer Fijis wählen den Gemeinderat von Banaba (zur Erinnerung: Gilbert Islands, Kiribati!), der seinen Sitz (kommt Ihr noch mit?!) in Suva hat… Wild. Ab 1965 gab es einen Rechtsstreit der Banabans um die Abfindungen, der nach 10 Jahren mit einer symbolischen Summe zugunsten der Banabans entscheiden wurde, es wurde ihnen nämlich 1 Pfund Sterling zuerkannt. Gerichtskosten zu Lasten der KLÄGER – zur Teil-Ehrenrettung der Gegner: die Australier und Neuseeländer, die ebenso wie die Briten an der British Phosphate Commission beteiligt waren, boten 780.000 AUS$ Entschädigung, so dass am Ende ein bisschen was übrig blieb… Aber nicht, dass damit die Streitigkeiten um Banaba beendet wären: heute fetzt sich der „Rabi Council of Elders and Leaders“ mit Kiribati, die die Insel nicht abgeben wollen, denn man will das Phosphate Mining wieder aufnehmen, und noch wichtiger, man streicht auch immer noch die Profite aus dem alten millionenschweren Phosphat Trust ein (ohne davon etwas an die ins Exil gewzungenen Banabans weiter zu reichen, klaro, sind ja „Fijianer“ !). Nun haben die Rabi-Banabans vorgeschlagen, dass die Insel Fiji zuerkannt wird, schließlich sitzen ja die rechtmäßigen Besitzer auf Rabi und sind Fi… … . Oh, menno.
Da geht es hier in Albert Cove schon einfacher zu, und von deren Leuten haben wir einen gestern um die Ecke gebracht. Die Albert Cove ist völlig abgeschieden, es gibt nicht einmal ein funktionierendes Boot. Beim sonntäglichen Kava-Trinken (! es ist nicht so schlimm wie gedacht!) kamen wir auf die Kopraproduktion und damit auf kleinere Transportschwierigkeiten, denn Rupesh (mit einer Tüte Milchpulver für Töchterchen Pria aus dem 2,5 Stunden entfernten Nuku herbeigeeilt, zu Fuß, natürlich) erzählte, dass es vorerst mal keinen Sprit auf Rabi gibt, also kein Boot in die Albert Cove, also kein Geld für die abholbereiten Koprasäcke… Im Nebensatz erwähnten wir, dass wir ja auch eine Art Boot haben, man könnte ja mal drüber nachdenken…
Man leert ein weiteres Schälchen Kava und dreht sich eine Zigarette. 3 mm stark aber laaang! 3 Fädchen teurer Tabak in einem Stück Zeitungspapier („… unbedrucktes schmeckt besser!“). Als wir gestern die Säcke in bester Absicht beguckten, kamen uns allerdings Zweifel an der Aktion „AKKA the Copra Carrier“. Sauschwere Dinger, es wäre ein unglaubliches Geaste, hin und her mit dem Dinghy, x Fahrten; alternativ dachten wir, mit Diesel auszuhelfen?! Aber da brachte Rupesh schon die gute Nachricht, dass der Council (siehe oben) vielleicht doch noch ein Schlückchen Diesel hätte – ob wir ihn vielleicht mit dem Dinghy am Ende der Straße absetzen könnten: „… it is just around the corner!“. Ihr hättet Andreas‘ Gesicht sehen sollen, als wir gestern im auffrischenden Wind „umme Ecke“ bogen, und sahen, welche der vielen Ecken Rupesh meinte, besser gesagt, wir konnten die „gleich-um-die-Ecke“-Ecke erst einmal gar nicht ausmachen… Unser Dinghylein allein auf hoher See, 3 PS, 2 AKKAnauten, 1 Rupesh samt Töchterchen Pria, die heute einem Impftermin àn der Gesundheitsstation (wahrscheinlich wenig fröhlich) entgegen sieht. Das um die Ecke bringen zog sich entsprechend – aber der Mercury hat’s bis in die Elizabeth Cove geschafft, wir hatten wohlweislich auch Benzin mitgenommen, waren aber dennoch froh, als wir diese fast 2 Stunden Tuckerfahrt hinter uns hatten. AKKAscouten nennen wir uns jetzt, denn Pfadfinder tun jeden Tag eine gute Tat. Doch, doch – ehrlich, es freut uns, und hier kann man anderen allerlei kleine Freuden bereiten… Marianas Wäsche hängt auch im Wind – AKKAnauten-Waschmittel macht’s möglich. Außerdem haben wir den segelnden Zahnarzt aus Deutschland hergelockt, der heute eintrifft, Paneas Knie wird schon besser, mit Fucidinesalbe von AKKA und oralem Antibiotikum von der GUAVA JELLY. Und der nicht gar so alte, aber umso zahlnlosere Bill kann mit unserem alten, frisch geschärften Küchenmesser Toddy schneiden, dass es nur so spritzt. Hoffentlich müssen wir den Toddy (Palmwein in spe… hui!) nicht auch noch probieren.
Bis denne.




