Roadhouse-Kino

Wir suchen das Weite. Great Central Road

Leonora, 26.3.2013

Das mit dem „Roadhouse Kino“ ist ein leeres Versprechen bzw. ein klarer Fall für „Kopfkino“.  Denn Great Central Road ist Aborigine-Land und Aborigineland heißt: keine Fotos, kein Zutritt… Aber das kommt später – machen wir’s chronologisch.

Von Mount Dare aus hatten wir bald den „Old Ghan Track“ erreicht, und das heißt:  rumpelpumpel vom Feinsten. Der Track läuft zumeist auf dem 1981 aufgelassenen Bahndamm der Eisenbahnstrecke nach Alice entlang, schnurgerade zwar, aber…  nunja, die Schwellen fehlen, meistens jedenfalls, aber man kann so eine Straße auch anlegen, indem man einfach Schotter auf das alte Gleisbett legt – die Gleise sind natürlich weg und anderen, schönen Zwecken zugeführt, zum Beispiel Fußleisten an der Bar des Mount Dare Hotels, oder als „grid“, den viehabweisenden Rosten quer über die Straße.  Auf dem Track liegt im Schnitt alle 50 m einer der alten Bolzen, die früher Schwelle und Gleis verbunden haben, und alle 2 km steht ein solcher senkrecht in die Höhe und zielt nach vorbeisausenden Rädern. Pffff-ttt.  Nicht für uns allerdings – wir halten gut Ausguck. Ab Finke, der trockenen Aborigine-Siedlung mit der traurigen Anmutung eines halb verlassenen Wüstendorfes, das einstmals eine Eisenbahnstation war, läuft parallel ein zweiter Track, den man aber tunlichst nicht benutzen sollte – hier findet jedes Jahr im Juni das „Finke Desert Race“ statt.  Penibel ausgeschildert und natürlich für alte Rallyehasen wie uns interessant anzuschauen. Nur die Idee, dass im Winter durchgeknallte „whitefellas“ nach Finke hineindonnern, und daher die Ansässigen die Flächen jenseits des Dorfes übersäen müssen mit Hinweisen, dass es sich hier um heiligen Grund handelt, den man bitte nicht betreten solle, lässt einen schlucken.  Merkwürdige Welt.

Finke – eine trockene Gemeinde. 100 km bis zur nächsten Kneipe…

Noch 100 km… Andreas fängt an zu mucken.. Ob man wohl den Old Ghan Track und das damit verbundene Gerumpel denen, die nach uns reisen, empfehlen soll?  Es ist interessant, mit all den zerfallenden „Sidings“, den Wirtschaftsgebäuden aus der Bahnzeit, Zisternen etc., aber es nervt. Trotzdem ahne ich was kommt: David vom Mt. Dare Hotel hatte uns – im Gegensatz zum Landkartenladenbetreiber und ex-Vermesser in Adelaide – gesagt, dass die Straße zum Chambers Pillar leicht zu fahren sei. Ich habe meine Zweifel.  Szenen einer Ehe: der eine ist genervt vom Gerappel auf dem Ghan Track, die andere fürchtet sich vor einem 45 km-Umweg (one-way) zu hohen Dünen und einem steilen Felsanstieg.  Die Karte sagt’s, unser Oodnadatta-Büchlein sagt’s, die Co-Driverin sagt’s… und der Fahrer biegt trotzdem an der Rodinga-Kreuzung ab. Wird schon gut gehen.  Naja.  Und es ist natürlich wie es sein muss – der Chef hat immer recht. Nach paar-und-dreißig Kilometern sieht man das Bergrückengebilde – und die Straße hinauf sieht steinig, aber gut aus. Und oben angekommen blickt man über die Dünenlandschaft und schaut auf die merkwürdigen, erodierten Felstürme in der Ferne. Chambers Pillar.  Einer der schönsten Zeltplätze auf unserer Reise, mit Spaziergang um „den“ Pillar, den David wegen seines phallischen Aussehens „Big Willie“ nennt, mit funktionierendem Gasgrill und Dingogeheul – das Ganze unter dem an- und abschwellenden Windgeräusch der Tamarisken, unter denen wir stehen.  Ganz allein, atemberaubend!  Jeden Umweg und jeden Moment der Unmut wert!  Ich werd’s mir merken – der Chef hat immer recht…

Viele Dünen und Chambers Pillar

Ganz einig sind wir uns auch am nächsten Tag nicht – ich würde gern noch einmal nach Alice Springs, Andreas vielleicht eher direkt nach Yulara, zum „Rock“, aber der Weg führt nach Alice, zumal ab hier auch der Ghan Track verlassen wird.  Alice ist „wie voriges Jahr“, vielleicht ein paar Geschäfte weniger – die Krise, die Krise! – und insgesamt natürlich viel ruhiger, es ist ja noch fast Sommer und heiß und auch keine Aussie-Ferienzeit. Wir kaufen ein, surfen in der Bücherei im Netz, kümmern uns um die Genehmigungen für’s Durchfahren der Aboriginegebiete Richtung Westaustralien und schauen, wie das Wetter wird.
Via Henbury Meteoritenkrater – dieses Mal in trockener Hitze – und Ernest Giles-Road radeln wir gleich nach Yulara durch.  Alles wie gehabt, eine Runde um den Felsen drehen, ein bisschen abhängen, Holländer, die auf der Gegenroute unterwegs waren, geben noch ein paar Tipps, wir revanchieren uns mit unseren abgearbeiteten Oodnadatta-Unterlagen und dem Hinweis auf den unschlagbaren Chambers Pillar – und schon sind wir unterwegs.

Die ersten 200 km sollen schlecht sein, sagten die beiden…  Ui.  Ob wir sie wohl doch nicht auf den Weg nach Mount Dare hätten schicken sollen?  Wir finden die Straße „Autobahn“.  Mit ein paar Baustellen drin.
Am Nachmittag haben wir die Grenze nach Westaustralien schon erreicht und machen Pause in Warakurna.  Ein gutes Roadhouse mit ordentlichen Campmöglichkeiten – wir lagern gleich unsere Kochausrüstung in die Küche aus, das schafft Platz im Wagen. Anders als sonst hätten die Kisten dieses Mal nicht draußen stehen können – das Dingogeheul spricht Bände.  Wir treffen Sam, einen Italo-Aussie, der gerade einen neuen Job hier angefangen hat.  Es ist schon ganz schön „Outback“ hier und natürlich stellen sich Fragen. Warum die Kraftstoffpumpen eingezäunt sind. Wieso es eigentlich immer die „Whitefellas“ sind, die die Roadhäuser betreiben. Mal abgesehen von der Frage, wie es sich in der Abgeschiedenheit lebt.  Aber wir kommen mit den Fragen beim schüchternen Sam nicht wirklich weiter. Eines ist allerdings klar: In Warakurna ist eine richtige kleine weiße Community versammelt – schließlich befindet sich hier die Giles-Meteorologiestation, deren Ausstellungsraum („Beware of Snakes!“) wir gründlich in Augenschein nehmen. Im Hof kann man auch Len Beadells Grader betrachten, den einzigen, den er übrigens für seine gigantischen Straßenbauarbeiten über Jahrzehnte „verbraucht“ hat.  Eine havarierte Raketenstufe, die irgendwo hier herunterfiel – das Land ist wirklich so weit, so leer, dass man sich bei den Raketen (und Atom-)tests nichts gedacht hat und sie einfach hat niedergehen lassen.
Am Morgen, bevor wir aufbrechen, sehen wir noch den Wetterballon steigen – leider gibt es am Wochenende keine Führungen oder Antworten für doof fragende Touristen; das hätte mich schon näher interessiert; so muss auf dem Weg weiter ins Outback hinein zu Meteorlogiefragen WikiTaxi herhalten.

Warburton Roadhouse

Und in Warburton, Mittagspause, endlich das versprochene Roadhousekino. Warburton ist eine Nummer für sich – unsere holländischen Freunde in Yulara hatten schon gesagt, dass wir dort nicht übernachten sollten, es fühle sich an wie ein Konzentrationslager: mit hohen Blechwänden eingezäunter Campground, unangenehm. In dieser Gegend leben jetzt Aborigines und moderne Explorationstechniker recht nah beisammen, und der Manager des Roadhouse (schwarze Brille, auch im Haus…  huuuh!) sorgt für eine komische Stimmung. Und für Ordnung: keine Fotos!  Wir hocken uns mit unserem Lunch vor die Tür, Sitzgelegenheit ist ohnehin nicht vorgesehen.  Hier soll gar niemand erst herumlungern, so ist unser Gefühl. Aus der nahegelegenen Siedlung fährt immer wieder der gleiche Vielsitzer vor, voll gestopft mit Kindern, Frauen, Alten, die planlos ins Roadhouse steuern, Süßigkeiten und Softdrinks kaufen, und dann Abfahrt, nächste Fuhre. Die Windschutzscheibe hat in Kopfhöhe eine blutige Delle im Sicherheitsglas.  Was das wohl war?  Kamel?  Was sonst schlägt in der Höhe ein?  Gruselig. Am Pressluftschlauch fährt ein nicht gar so alter Holden vor: 3 superflache Asphalt- Boulevardrider-Reifen und ein etwas höher dimensionierter, das verspricht ein interessantes Fahrverhalten.  Und einer von den flachen Reifen ist besonders flach – ach, das muss noch mal gehen!  Luft drauf und weg. Resteverwertung pur, würde ich sagen.  Reifenmontage – die Werkzeuge für Reifen aller Größen sind angekettet – auch sehr spannend: Felge in den Reifen werfen, kurz hebeln, drauf herumspringen, Luft drauf und… weg!  Nicht dass man an diesem Roadhouse den Luftdruck prüfen könnte – das geht alles nach Gefühl und Augenschein. Was machen wir bloß für ein Aufhebens um richtigen Luftdruck und Ersatzräder!  Hauptsache man hat eins, und gut, wenn es noch Luft hat. Und wenn es die richtige Anzahl an Radbolzen hat. Der Nächste bitte: ein abgewrackter Jeep, vorn links völlig platt. Der Fahrer springt heraus, versucht zu pumpen. „Fuck“ ruft er. Da geht wirklich nichts. Was geschieht?  Klar. Reinspringen und Gas geben, so richtig.  Jetzt wissen wir, woher die ganzen Radwracks am Straßenrand kommen – und unsere Prognose für das rechte Hinterrad ist auch nicht die beste, so tief, wie der Mantel eingeschnitten ist.  Wir suchen das Weite. Das ganz Weite.

Ganz typisch: abgefackeltes Wrack und ganz viel Straße…

Nach Warburton kommt Tjukayirla – und ein langer Schnack mit Serena, der Managerin. Kanadierin mit australischem Mann, und mit einem ganz eigenen Blick auf die Verhältnisse – schließlich, sagt, sie, haben wir Kanadier ja das gleiche Problem, und haben es nicht lösen können: die Integration der indianischen Kultur.  Also, ein paar Erklärungsversuche: Die Roadhousemanager sind häufig, wie in Serenas Fall, nomadisierende Australier, die für 1, 2 Jahre einen Job annehmen – sie zum Beispiel sind jetzt das 2. Mal hier. Das Roadhouse, sehr interessant, wird von den Aborigine-Communities der Umgebung (die nächste ist 200 km entfernt!) unterhalten, und von denen werden sie bezahlt – auf dieses Weise stellt man sicher, dass die Versorgung der Communities auch auf die Distanz gewährleistet ist, ohne dass eine der großen Ölgesellschaften mitmischt, feststellt dass sich der Betriebn nicht rechnet – und den Communities den Saft abdreht, wenn sie das Roadhouse konsequenterweise schließen.  Tragen, sagt Serena, kann sich das Roadhouse nicht, der Touristenstrom im Winter fließt zwar, aber es ist eher ein Tröpfeln, in den Hochzeiten höchstens 15 Autos am Tag, und sonst…  gar keine, oder alle paar Tage mal eines. 90% des „Geschäftes“ machen sie mit den Aborigines, die nun mittlerweile nicht mehr walken, sondern „driven“. Walkabout – umherreisen. Sodann: warum keine Einheimischen die Roadhouses führen, erkläre sich durch die Kultur – die Verpflichtung gegenüber den Familien- oder Clanmitgliedern macht die finanzielle Verwaltung eines Roadhouses sehr schwierig.  Man – das kennen wir ja aus den pazifischen Inseln! – teilt, was man hat, Clanmitglieder würden kostenfrei bedient .  Schwierige Buchhaltungsverhältnisse. Und ganz abgesehen davon: die Kommunikationskultur der Aborigines, auch das haben wir ja schon anderweitig gelesen und erfahren, macht eigentlich den Umgang mit auch noch so wenigen Kunden fast unmöglich; ein zwangloses Gespräch ist in dieser Kultur nicht vorgesehen, und Fragen sind das Allerschlimmste. Also sucht man sich „whitefellas“, ganz einfach.  Es war ein nettes, ein sehr gutes Gespräch mit Serena, auch über die Abgeschiedenheit, über doofe Touristen und über die Natur – wir haben noch viele hundert Kilometer zu grübeln und zu räsonnieren.

Geschlossene Gesellschaft

In Laverton dann erwischt uns das alte, neue Australien wieder breitseits: am Ende der unbefestigten Straße, schon mitten in den Gold- und Nickelminen, gibt es ein Café.  Nichts wie hin. Und es gibt eine Ausstellung zu den Explorern, Hann und Eyre, Forrest und Lasseter und wie sie alle heißen. „The Great Beyond“ ist einen Besuch wert – sehr nett gemacht, sehr informativ, und wenn es nur dazu anregt, sich weitergehend zu informieren. Und: als wir auf der Suche nach dem nächsten Ziel eine detailliertere Karte erwereben und wir Mount Augustus erwähnen, wählt Lucinda gleich die Ranger dort an.  Ist zwar ein bisschen weit – zu weit eigentlich – aber dass unser Stichwort gleich aufgenommen wird, ist nett, und die Auskunft ist gut: 4-5 Autos am Tag und zur Zeit gutere Straßenzustand. Ob das was wird?  Wahrscheinlich nicht – aber ein anderes gutes Ziel wird uns schon noch einfallen.

Jetzt muss ich zur Seite rücken: ein Goldschürfer will in der Campkitchen eine Plastikschüssel auf Nuggets untersuchen. So viel zu und aus Westaustralien!

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