Das Vakuum

 

Taunton Farm, 4.4.2013

Ui. Roadhouse-Kino war der letzte Eintrag…  Das ist lang her.  Nicht zeitlich, aber räumlich.

Und jetzt sind wir hier, im Land der fröhlich saufenden Bullen – rechts neben mir, hinter dem Weidezaun vom Taunton Farm Holiday Park, grasen die Angusrinder, hinter mir verschwindet der Trampelpfad zum Gutshaus-Weinkeller und -Restaurant. Sagt man.  Der Bulle am Eingang jedenfalls schaut recht weinselig aus der Kuhhaut.

Prösterchen. Bier geht hier auch gut. Aus der „Mikro-Brauerei“

Also, den noch in Leonora verfolgten Plan, noch bis zum Mt. Augustus, der Welt größtem Monolithen, zu fahren, haben wir rasch geknickt.  Wir hatten zwar noch nicht genug von Hitze und Staub, aber mittlerweile saß und sitzt uns die Zeit im Nacken, und die langen Strecken brachten uns bislang ja immer noch weiter vom Ziel Adelaide weg.  Mit ein bisschen mehr Zeit vielleicht, aber so…  Und da uns nicht nach „Perth geradeaus“ war, fiel die Wahl auf  „ziemlich geradeaus Richtung Küste“, also durch die mehr oder weniger zivilierte Wildnis.  Zunächst mal bis Sandstone, auf Asphalt durch’s Goldminenland, und tatsächlich, den dortigen Campingplatz finden wir ausschließlich von Prospektoren besiedelt, die täglich frühmorgens zu ihrem Tagwerk ausrückten, mit Metalldetektor und auf dem geländegängigen Quad.  Muss sich lohnen, denn um diese Jahreszeit füllt sich der Platz langsam und dann wird 6 Monate gebuddelt, was das Zeug hält.
Statt nach Gold zu graben besuchen wir abends „The National Hotel“, auf ein Bier – und eine Schlange.  Eine Python kam aus der Campkitchen geschlängelt, Scruffy, der unerschrockene Besitzer des Hotels wurde hinzugerufen, die Prospektorenschar in Achtungsabstand im Kreis, und Scruffy fing das Tier – um es nun den ganzen Abend herumzuschleppen und auf dem Tresen zu präsentieren. Die junge Bedienung aus Russland (Work and Travel zieht wirklich weite Kreise!) schränkte ihren Bewegungsraum schlagartig ein und kreischte auch ein bisschen.  So fürchterlich geheuer war es mir auch nicht, zugegeben, aber immerhin war es keine Gitschlange, der man wohl sogleich den Garaus gemacht hätte.
Aus Sandstone heraus erlaubten wir uns gleich die nächste Planungsänderung: nach den guten Erfahrungen mit dem bisherigen Straßenzustand statt über Meekatharra über kleine Verbindungswege zwischen den unverändert großen Farmen Richtung Küste. Tagesendstation Wooleen – endlich mal Campen auf einer Homestead.  Sehr basic, muss man sagen… Und ein schönes Farm-Kuddelmuddel, mit wild umherliegenden Werkzeugen, defekten Geräten etc. – nur der Airstrip glatt wie ein Kinderpopo. Irgendwo müssen die Luxus-Ökogäste, die auf der Farm auch bewirtet werden, ja landen.

Ganz nah einem meiner Filmidole: Das Radio Astronomy Observatory, dessen Vorläufer Star im Film „The Dish“ war

Ab Murchison begegnen wir auf diesen Seitenstraßen nun überhaupt niemandem mehr – man sieht teilweise auch keine Fahrspuren. Immer weiter – bis wir südlich von Hamelin die große Küstenstraße zwischen Perth und Broome erreichen. Die Hölle tut sich auf an der Tankstelle – immerhin ist es Karfreitag, und halb Perth ist auf dem Weg an den Strand. Sind ja nur 750 km, da macht man sich für die Ostertage schon mal auf den Weg.

Ab Hamelin (weitgehend) fliegenfreie Zone. Auch ohne „Fly Cream“, die ich zunächst mal für eine Süßspeise gehalten hatte…

Hamelin Pool war zumindest für die Codriverin ein Erlebnis, immerhin schaut man da auf Stromatolithen hinab, die ihrerseits schon Jahrtausende dort leben und andererseits auf DAS Lebensmodell, das uns im Endeffekt das Atmen ermöglicht. Cyanobakterien – die ersten Sauerstoffproduzenten. Ich bin gehörig beeindruckt .  Den Umweg über Denham hätten wir uns sparen können – wir sind ja doch verwöhnte Biester und Delfine haben wir ja schon anderswo gesehen, Strand auch, und Dünen…

Stromatolithen. Sieht nicht so dolle aus, wie seine Bedeutung ist: Ursprung des Lebens. Vor 2,5 Milliarden Jahren

Der Walhai, den ich bestellt hatte, war ebensowenig zugegen wie die Dugongs, also fiel die Enscheidung leicht, in großen Schritten die Küste hinunterzufahren. Was „Geraldton“ hieß.  Das Verlassen des Outbacks hatte ein gewisses Vakuum in uns hinterlassen: so viel Verkehr, so viele Leute (in Europamaßstäben: so wenig Verkehr, so wenige Leute…  Trotzdem!).  Geraldton bietet ein beeindruckendes Marinedenkmal, das uns mal wieder deutsche Geschichte auf den Pelz brennt. 645 Australier kamen ums Leben, als 1941 der deutsche „Handelsstörkreuzer“ HSK Kormoran die „Sydney 2“ auf Tiefe schickte; mit Mann und Maus, wie man so sagt und spurlos verschwunden, bis 2008. Zur Suche nach dem Schiff bot das Museum eine sehenswerte Ausstellung, und natürlich einiges Gedankenfutter für uns.  Allerdings hatte das Museum auch anders zu zeigen, denn hier befinden wir uns vor dem Abrolhos-Archipel, und dessen Riffe haben viele, viele Schiffe auf dem Gewissen, vornehmlich holländische Ostindienfahrer auf dem Weg nach Batavia, im 17. Jahrhundert. Kernstück: die BATAVIA, ein Jungfernfahrt-Krimi um SIlber und Fracht , um Meuterei und Massenmord. Und eben im ein lange verschollenes Wrack. Absolut sehenswert!  Wie auch die Exponate zur Natur, der uralten australischen und zur Geschichte, der jüngeren…  Zum Abschluss gibt uns unser Guide den Auftrag, die Shipwreck Gallery in Freemantle zu besuchen und das Wrack der BATAVIA zu grüßen.  Haben wir brav getan!

Letzte Wüste vor Perth: The Pinnacles Desert!

Zwischen Geraldton und Perth kam dann noch der Osterhase, der hieß Carolyn, an einem namenlosen Strand mit einer noch namenloseren Ansammlung von Blechbüdchen und einigen Caravans. Wir durften uns dazu stellen, es wurde ein bisschen geplaudert, die Schoppes sind Elektriker aus Geraldton, aber schon lange, lange in Australien ansässig, auch wenn der Familienname deutsche Bände sprach. jedenfalls kriegte ich zum Abschied eine Tüte voll Skipjack-Travalis in die Hand gedrückt; „… we have plenty…“  Des Australiers schönstes Hobby: Angeln – da lässt es sich leicht Osterhase spielen. Als wir winken, kommt Carolyn nochmal hinterhergelaufen: „… you rather have some chocolate eggs for dessert – happy Easter!“.  echt nett. Perth hat sich seit unserem letzten Besuch 1990 ziemlich verändert, aber es bleibt eben eine Großstadt, auf die AKKAnauten gerade nicht solch große Lust hatten.  Freemantle war dagegen schön, schön nah am Wasser mit Spaziergang an den Marinas, Museumbesuch, mit netten Gebäuden und noch netteren Cafés, und so füllt sich unser Outback-to-Perth Vakuum langsam. Ganz langsam.

Der dynamische Besitzer und Barista vom Einraum-Café „Blink“, Freemantle. Der Laden läuft!

Heute war Busselton dran, mit der längsten Holz-Seebrücke der südlichen Hemisphäre (1,7 Kilometer…) und einem freundlichen Unterwasserobservatorium. Ach, die verwöhnten Viecher von der AKKA. Doch, doch, interessant anzuschauen. Aber wir schnorcheln ja auch gern mal. Und an wirklich atemberaubenden Plätzen…  Aber es gab ein unschlagbar gutes Nusseis, vom italienischen Eismacher, so richtig mit italienischem Akzent und aus den Dolomiten. Nur dass die hier nicht wie in meiner Jugendzeit im Winter ihren Laden schließen und in die Dolomiten heimfahren. Nein, Herr Eismacher beteuerte: wir fliegen zum Skifahren nach Neuseeland.
Wir auch, aber wir haben noch ein kleines Stück Straße vor uns. Durch Nullarbor nach Adelaide.  Wenn das Vakuum sich gefüllt hat.

Kleine Zugabe für meine Schwester. Kameldungpapier! Wie wäre es damit!?

2 Gedanken zu „Das Vakuum

  1. Hm, schade, dass der Tipp nicht so der Knüller war. Irgendwie hatten wir nicht bedacht, dass die Erfahrungen zuvor doch erheblichen Einfluss auf das Erlebte haben.Schön, dass das Eis geschmeckt hat! 😉

    Grüße auf die Südhalbkugel
    Claudi

  2. Hehe – nee, das passiertuns immer auf längeren Reisen, dass es solche Begeisterungsdurchhänger gibt!
    Ich soll Euch von Cape Leeuwin Lighthouse sagen, dass es da steht und auf Kassiopeia wartet!
    Cape Freycinet war der Hit… So viel Wasser, so viel Gewalt…

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