Ilot Brosse/Ile des Pins, 4.8.2013
Funny. Strange. Drà´le, wie man hier sagen würde. Hatten wir kürzlich beklagt, dass wir faulen Segelsäcke vom über Wochen stehenden Südost-Passat an der Weiterreise nach Süden gehindert würden, hält uns jetzt das eher unstete Wetter fest. Wir wollen ja noch zu den Loyalities und dann weiter nach Vanuatu, aber der Blick heute früh auf die Wettervorhersage zeigt zunächst mal allerlei lustige Windrichtungen, die nicht unbedingt zum Segeln taugen: zu wenig, zu nördlich, überhaupt wechselnd. Also sitzen wir vor der Ilot Brosse (zu deutsch: das „Bürsteninselchen“, nomen est omen – ein flach bewaldeter „Stiel“ mit einem Bürstenkopf aus hohen Araukarien!) und überlegen, was uns an Pausenfüller so einfällt. Was natürlich Quatsch ist, weil Pausenfüller gibt es immer an Bord – wir haben in den letzten Wochen peu à peu das Teakdeck gereinigt und aufgehellt, und vor allem der Eigner hat seine Knie geschunden und mit einem kleinen Rasiermesser-Hobelchen die überstehenden „Gummi“nähte heruntergeschnitten. Das Cockpit-Sprayhood braucht eine Reparatur, wir fahren nämlich unter dem alten, und das hat einen Riss an einer Naht – was bedeutet, dass man schon über den Neubau der übernächsten Sprayhood-Version nachdenkt. UV-Dauerbestrahlung bleibt halt nicht ohne Folgen. Beispiel: Besansegelkleid. Als ich im letzten Jahr mal wieder zwecks besserer Sicht im Riff auf den Besan kletterte, sagte es sanft „rrratsch!“. Das Ding war absolut fällig – aus den nicht ganz so frontal bestrahlen Seitenteilen ließ sich noch eine Hülle für eine andere Persennig fertigen, aber die kriegt schon vom Angucken Risse. Such is life, und es fällt uns immer etwas ein.
Life ist aber auch auf der menschlichen Ebene manchmal ein bisschen drollig und voller Überraschungen: zum ersten Mal auf dieser langen Reise fühlen wir uns so furchtbar willkommen nicht. Als der Wind letzte Woche auf West zu drehen drohte, war klar, dass wir den Ankerplatz wechseln müssen, denn die Baie de Kuto ist nach Westen vollkommen offen. Prima – wir konsultieren den (übrigens sehr empfehlenswerten!) Rocket-Guide von Richard Chesher, ein digitales Werk mit in Navigationsprogramme übertragbaren Routen und anderem Schnickschnack, und finden „gleich umme Ecke“ zwei schöne Ankerplätze, die noch dazu als „schwellfrei“ gepriesen werden. Wir fädeln unseren Weg dorthin, drehen des Eigners geliebte Schwoikreisrunde (ob nicht vielleicht ein Korallenkopf von unten lauert), und als ich gerade den Anker wässern will, pfeift es durchdringend von Land. Vielleicht eine halbe Meile weg, also nicht gerade vor irgendeiner Haustür, und irgendjemand fuchtelt mit den Armen. Hmmm. Hmmm?! Merkwürdig. Anker fällt, gräbt ein, wird von mir abgetaucht, alles prima, Westwind kann kommen. Nun war dieser Tag der P&O-Tag, und nach einer Weile kommt ein Motorbötchen mit einer Handvoll Cruiselinertouristen vorbei – und der hiesige Bootsführer bedeutet uns mit einer herrischen Armbewegung, dass wir hier zu verschwinden hätten, und hinterlässt eine AKKA-Crew voller Zweifel. Warum? Oberflächlich betrachtet stören wir hier „keine Sau“, höchstens andere Viecher, zum Beispiel die dicke „Tricot Rayé“-Seeschlange vorhin beim Ankern. Na gut. Verholen wir uns in die nächste Bucht, genau so gut oder sogar noch besser, da weiter unter Land. Wir fädeln uns zurück und … siehe oben, das volle Programm, einfädeln ins Riff, Schwoikreisrunde, Anker dippen – und schon fuchtelt es vom Strand, dieses Mal Mann, Frau, Kind, Hund – der Hund wedelt nur, aber der Mann, der schwingt die Faust und zu allem Übel auch noch die Machete. O.k., o.k. Wir hauen ab. Langsam wird der Ankerplatzvorrat etwas dünn, und wir verholen uns in die nächste Bucht, die von den Cruiselinern als Schnorchel“paradies“ genutzt wird, und verbringen zwei ruhige Tage im Windschatten der Halbinsel. Nicht ohne die Leute zu befragen, was es mit diesen Drohgebärden auf sich hat. Die nette Frau vom Langustengrill (es ist, wie gesagt, P&O-Tag!) meint, dass die Segler die Strände verschmutzen, und dass man zur Chefferie in Vao gehen muss, um bei der traditionellen Stammesverwaltung eine Erlaubnis zu erlangen; aber die Ilot Brosse sei in Ordnung. Der Taxibootfahrer vom Hotel sagt , dass niemand das Recht habe, ankernde Segler zu verscheuchen. Die Polizei vermutet, dass wir zu dicht am Siedlungsgebiet der „tribu“, der Stämme, gewesen seien, man müsse mal die lokalen Detailkarten konsultieren – aber die Ilot Brosse, die sei… (siehe oben). Und nun sind wir an der Ilot Brosse, denn der Westwind ist weg. Es ist ruhig, blaues Wasser trotz grauen Himmels, der Anker liegt tief eingegraben im Sand. Samstagnachmittag vor einer unbewohnten Insel, weit ab vom Ufer. Unbewohnt, aber nicht ganz unbelebt, denn ein paar Wochenendausflügler aus Noumea haben sich hier von zwei Taxibooten absetzen lassen. Kommt eines der Boote dicht bei uns vorbei… Das war ja zu erwarten: eine ostentative Armbewegung: „Verschwindet!“ Für heute Nacht haben wir uns darüber hinweggesetzt, wir hätten auch gar nicht mehr bei gutem Licht hier heraus gefunden. Aber so richtig verstanden haben wir noch nicht, was Stammesgebiet ist und was nicht. Irgendwas ist komisch hier. Ob das eine Art „Sport“ ist? Hat das was mit den Franzosen zu tun? Im direkten Umgang sind die Insulaner, sagen wir mal: zurückhaltend. Auf unseren Radtouren dagegen winken alle fröhlich und freundlich, so wie wir es von den anderen Inseln kennen. Ankern wir hier innerhalb (ziemlich weiträumiger) Territorialgrenzen und das sollen wir nicht? Der Segelführer schweigt sich dazu aus. Immerhin, wir haben noch einen Pausenfüller. Und auf den Loyalities soll es strikter zu gehen. Mal gucken!