Vom Edgar und so …

Mele, 8.9.2013

Da liegt sie noch, die AKKA. Mooring vor der Waterfront, Port Vila

Da liegt sie noch, die AKKA. Mooring vor der Waterfront, Port Vila

Nein, wir sind nicht mehr in Port Vila. 2 1/2 Wochen abzüglich der Reise nach Tanna reichen gewiss, auch wenn wir den Vila-Hass anderer Segler nicht nachvollziehen können. Immerhin gibt es doch ein LEADER PRICE, das Aldi-Pendant für den Franzmann…  Gestern traf ich die Crew der Victoria ebendort, die völlig aus dem Häuschen waren, dass es die Leberwurstdosen aus Martinique hier zu kaufen gibt. Haben sie auch gemacht, sogar reichlich, denn die beiden siebenköpfigen Raupen names Niklas und Hannes wollen ja gefüttert werden. Es war überhaupt ein schöner Einkauf dort, Hannes, der mich virtuell mit Schlamm bespritzte und damit die lokalen Damen anlockte, die sich versammelten, um das Schauspiel bzw. die Schauspielerei zu verfolgen.  Eindeutig: mit Kindern hat man einen Kinderbonus.  Echter Spaß.  Und wenn Hannes mal Sendepause hatte (irgendwann muss er ja Luft holen…) und nicht gerade das ni-vanuatu-Publikum unbedingt erklärt haben wollte, wie die Kinder heißen und was für eine Sprache wir sprechen, kriegte ich von Niklas brühwarm aus dem Museum berichtet. Womit wir beim Thema wären, davon kann ich nämlich auch erzählen.

Vila Sandroing2Das hier ist die Hand vom Edgar, und der Edgar arbeitet im Nationalmuseum von Vanuatu in Port Vila.  Was macht er da?  Ich würde sagen: er übt seine Kunst aus. „Sandroing“ nennt sich das, und wie man als geübter AKKABlog-Leser mittlerweile leicht verstehen kann ist das Bislama und heißt – genau: sand drawing. Sandzeichnung.  Klingt schlicht, ist aber wirklich eine Kunst, und es ist eben nicht nur das Malen von Figuren im Sand.  Mir war schon beim Betreten des bescheidenen Museums die große Palmblattmatte mit dieser Sand-Platte aufgefallen, auf der einige junge Besucher saßen und Figuren malten.  Und dann kam Edgar, fragt ein bisschen schüchtern, ob wir so etwas sehen wollen, es handele sich um eine Art der mündlichen Überlieferung – wir wollten.  In den Sand, mit geübter Hand kurz glatt geschüttelt, zeichnet er ein Raster und beginnt zu erzählen – von Männern und Frauen, Zuneigung, Verpflichtung, von Kindern und Liebe…  Es ist eine lange Erzählung, und während der ganzen, langen Rede hebt er nicht einmal den Finger, sondern malt in völlig gleichmäßiger Geschwindigkeit  eine äußerst komplizierte Figur, eine Figur, die für jede Geschichte, zumindest aber für jeden Erzähler immer gleich ist. Die Geschichte ist übermittelt, mündlich, aber „illustriert“, und Edgar schüttelt die Platte, die Zeichnung verschwindet. Neues Raster: die heilige Schildkröte. Wir sind völlig gebannt, und auf sein „das sollte genügen, oder?“  wird gleich noch eine Geschichte gefordert, Und das ist die Legende von der Entstehung der Kokosnuss und des Kavastrauches, die Geschichte vom reichen Mann mit der hässlichen Frau.  Edgar sagt, er macht es kurz, aber es dauert, und was dabei rauskommt, ist eine Zeichnung, die so kompliziert ist, dass wir sie vor Verblüffung gar nicht fotografieren. Jedenfalls: man findet diese Zeichnung an manchen Stellen auf Ost-Pentecost, da wo Edgar herkommt, auch in Koralle gezeichnet, wir werden suchen und dort ein Bild machen – aber da es sich ja im Wesentlichen um mündliche Überlieferung handelnt, wissen wir auf diese Weise endlich, woher die Kokosnuss  kommt: sie entsprang dem Kopf mächtigen und schönen Mannes, nach seinem Tod.  Woher der Kavastrauch kommt? Zu irgendwas müssen Frauen ja gut sein, auch die hässlichen… Und wieso die Ni-Vanuatu-Frauen kein Kava trinken?  So ganz schlüssig wurde das nicht erklärt, aber immerhin wuchsen die Kavawurzeln aus den weiblichen Genitalien. Ach, was…

Wunderbare Schlitztrommel... und ganz schön groß - das Weiße ist eine Tür

Wunderbare Schlitztrommel… und ganz schön groß – das Weiße ist eine Tür

Edgar konnte noch mehr – natürlich von Pentecost erzählen, so dass wir doch jetzt schon ganz gespannt sind, von Stammesgebräuchen, von Nambas (Penishüllen), Baströcken, Trommeln und Fruchtbarkeitstänzen. Wer übrigens seine Frau besonders schätzt, haut ihr in einer ebenso heimlichen wie heiligen Zeremonie zwei Schneidezähne heraus. Ich muss annehmen, dass mein Mann mich nicht besonders schätzt.

Edgar ist auch ein Musiker und assistierte mir, als ich am, wie Niklas sagt, Hängeklavier aus Bambushölzern mit „Hänschen klein“ begann, um dann so richtig in Fahrt zu kommen, mit allerlei Nationalhymnen – immerhin waren noch ein Kiwi- und ein Ozziepaar zugegen – und auch die Vanuatuhymne durfte nicht fehlen. Eine deutsche Nationale (samt der Frage nach dem Text!) kam zum Abschluss für uns auf einer Bambusflöte.

Wer betrachtet hier wen?

Wer betrachtet hier wen?

Gesamturteil: ein echtes Stück Vanuatu, wirklich toll. Und ringsum standen die erstaunlichsten Gestalten und beobachteten die Szene. Meine Favoriten: die ultimativen Musikinstrumente, fein gestimmte Schlitztrommeln. Hat schon was, Vanuatu – und besonders, wenn man nicht weit herumkommt, ist das Museum ist einen Besuch unbedingt  wert.

Aber wir wollen ja weiter herumkommen und machen uns jetzt auf die Reise – langsam wird es hinsichtlich der Abreise nach Australien auch Zeit. Erst mal nach Havannah (das liegt noch auf Efate) und dann zu den Dugongs in der Lamen Bay/Epi.
Malekula liegt auch am Weg. Letzter Kannibalismusfall: 1969.  Wenn dort der Appetit groß genug ist und Ihr nichts mehr von uns hört…  vielleicht sollte man die Betonung auf „bekannter Kannibalismusfall“ legen? You never know.

Bücherei und Archiv...  We love Bislama!

Bücherei und Archiv… We love Bislama!

Zum Bislama – übrigens eine der ganz wenigen Kreolsprachen, die zur Amtssprache erhoben wurden! – muss ich noch einen Nachhack loswerden.  Es fasziniert uns ja immer wieder neu, all die schönen Beschriftungen („Plis sarem doa slo!“ – bitte die Tür langsam zuhauen…) Oder, wie hier zu sehen, der Hinweis auf’s Nationalarchiv.  Aber für eines habe ich richtig lange gebraucht: „Kafman blong ripablik blong Vanutatu“.  So weit, so einfach – zumindest der Schluss. Irgendetwas “ … der Republik Vanuatu“. Aber Kafman?Wer googelt, findet einen Hinweis auf fragwürdige Rechtschreibung: „kafman“, das müsste „gavman“ heißen – The Government of the Republic of Vanuatu.  Ich lern’s noch!

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