Lamen Bay, Epi/Vanuatu, 15.9.2013
Reinfahren, Ankerdippen – und schon war er da, der berühmte Dugong von Epi. Ganz kurz die Nasenlöcher gezeigt, und ehe ich den Eigner auf die Stelle aufmerksam machen konnte, war er auch schon wieder abgetaucht. Scheues Gesindel. Das nachfolgende Schwimmen brachte leider keine weitere Sichtung, obwohl es doch heißt, dass der hier lebende Dugong ein zahmer ist und Dugongs im Allgemeinen auch ganz neugierig sind. Mal gucken, ob wir ihn atmen hören, wenn alle neugierigen Segler unter Deck sind. Pfuu-uu.
Die Woche in Nord-Efate war ruhig und zeigte – nur ein paar Kilometer abseits von der 40.000-Einwohner-Metropole Vila – ein ländliches Vanuatu. Zugegeben, „rural Vanuatu“ sieht man schon, wenn man nur die (beiden) Hauptstraßen von Vila verlässt – es sind nur wenige Schritte bis in die Gegend, in der man unter dem traditionellen Palmblattdach lebt und sein Gärtchen pflegt, wo Kinder auf dem unbefestigten Hof die selbst gebastelten Stock-und-Draht-Autokonstruktionen „fahren“ und man sich seinen Weg um Hunde, Hühner und das eine oder andere Schwein bahnen muss. Aber das Stadtleben brummt im Hintergrund, was in Ulei und den umgebenden Dörfern, die wir am Montagabend erreichten, gänzlich entfällt. Man sieht es nach Sonnenuntergang: Beleuchtung? Null. Nur die Yachten, die sind bislang allgegenwärtig. Verständlich, denn es ist attraktiv hier, eine wirklich ansehnliche, vulkanisch-bergige Landschaft, üppig grün mit grauen Regenwolken um die Berggipfel, mal vor schwarzem Vulkans trand, mal im blauen Korallenwasser. So ist Havannah Harbour.
Aber auch der Havannah Harbour ist nicht ausschließliches ni-Vanuatu-Gebiet – historisch ein ex-US-Marinestützpunkt aus Weltkrieg-II-Tagen, sehr eindrücklich zu erkennen an einer Seekarte, die im Resort „The Havannah“, hängt: die ganze, mehrere Meilen lange Bucht war in 600-yard-Mooringkreise aufgeteilt, für die Kriegsschiffe, und diese Verwendung hat Spuren hinterlassen. Zum Beispiel in Form einer niedlichen Strandhütte, die als „WWII-Museum“ firmiert und außer Geschossschrott, Militärbesteck und anderem Strandgut zahlreiche Coca-Cola-Flaschen zeigt, vornehmlich von den Abfüllstellen in Oakland und San Francisco. Übrigens hat hier der John-Frum-Kult* seinen endgültigen Schwung bekommen, denn Jon-Frum bedeutet nichts anderes als „John from (America)“. Mittlerweile wird die Gegend um „Port Havannah“ für gehobene Feriendomzile (in Planung) genutzt. Dennoch haben wir im „The Havannah“ einen Fruchtpunsch geschlürft, trotz „no kids“-Regel eine sehr nette Umgebung. Netter noch allerdings war der Gang dorthin, denn man kommt immer wieder mit diesen unglaublich freundlichen Leuten ins Gespräch. Die Gemüseverkäuferin am Straßenrand, den Stand gleich am Rande des Gärtchens, die ihre mit genauen Preisen ausgezeichneten Gurken, Tomaten und Bohnen ebenso im Auge hält wie den kleinen „Kindergarten“ zu ihren Füßen. Hier draußen wird es sprachlich übrigens schon ein bisschen schwieriger, mit „nur-Englisch“, wahlweise „nur-Französisch“. Etwas Bislama wäre nicht schlecht – an die lokalen Sprachen wollen wir uns ja gar nicht erst wagen, das bekommt Vagabunden hier schlecht: alle paar Kilometer etwas Neues. Wir treffen Schüler auf dem Weg von der Schule (klar, Englisch!). In Elony und Betty auf dem Heimweg vom Resort vereinigen sich zwei Welten – die dezent geblümte Dienstbluse mit „The Havannah“-Schildchen und dazu ein Protestgeschrei aus Bettys linker Hand: entweder ist dem an den Flügeln gehaltenen, frisch eingefangenen Hahn die Schwatzpause mit uns langweilig, oder, wie der Eigner eher meint, ihm schwant, dass er noch heute „Mittelpunkt der Party“ sein wird. Bettys Tochter hat nämlich 12. Geburtstag, und da soll es etwas Gutes zum Dinner geben…
So stapfen wir ein paar Tage durch’s Gebüsch, lösen das Rätsel der immer wieder beobachteten Feuer – kleine Rodungsfeuer, nichts Schweinebedrohliches, stattdessen machen die Ascheflocken eine Schweinerei an Deck der AKKA (also heißt es: verholen…). Wir nehmen die Parade der Nakamals ab, der Kava-Buden, an denen sich abends die Männer die nötige Bettschwere holen – Petroleumlampen leuchten einem den Weg zur nächsten Kava-Tränke. Ich las gerade noch einmal über die Kava-Herstellung auf Tanna, und ich bin mir sicher, dass ich kein Getränk probieren muss, das schon mal jemand vor mir im Mund gehabt hat. Selbst wenn vielleicht die Kavawurzel nicht überall gekaut und der Brei dann zur Weiterverarbeitung in die Schale gespien wird: unsere Abenteuerlust wird an dieser durch den endlichen Antibiotikavorrat in unserer Medizinkiste begrenzt.
Den türkisfarbenen Paradiesankerplatz im Westen von Lelepa-Island verlassen wir sehr rasch wieder: zu schwierig, hier den Anker zu platzieren, ohne mit heilen Korallen in Konflikt zu geraten; mehr ein Ziel für das Dinghy als für das ganze Schiff. Und so weiter, und so weiter. Eine ganz normale Ruhewoche im Westpazifik. Und nun der Dugong. Ich werde mal das Kayak aufpusten. Wir müssen doch schauen, ob der Dugong, falls es ein Männchen ist, Paarungsverhalten zeigt. Das muss toll anzuschauen sein: die dicken Tönnchen (400-900 kg!) machen Unterwasser-Situps, wenn sie die Mädels beeindrucken möchten…“sixpacks“ gelten ja auch in Menschenkreisen etwas, dürften hier aber schwerlich zustande kommen.
————— *Jon Frum. Dazu hätte ich aus Tanna etwas sagen sollen. Lässt sich ergoogeln, aber ganz grob ist es ein „Cargo“-Kult, der zwar christlich beeinflusst ist, sich aber gleichzeitig auf die traditionelle Lebensweise beruft. Die Amerikaner hatten Tannaesen für die Arbeiten auf Efate beschäftigt und wurden wegen der vielen technischen Segnungen, die sie mitbrachten, als Gesandte von „Jon Frum“, dem Messias, begriffen, der im Vulkan lebe. Als nach dem Krieg weiterer „Cargo“, sprich: Konsumneuerungen, ausblieben, versuchte man Kontakt mit Jon Frum aufzunehmen, indem man „Funkanlagen“ , Kopfhörer und andere „Lockmittel“ aus Konservendosen fertigte. Der Jon-Frum-Kult ist mittlerweile eine annerkannte Religion.