Vanuatu Light

Zurück vom Garten. Bananentransport in den Maskelynes

Zurück vom Garten. Bananentransport in den Maskelynes

Awei anchorage, Maskelyne Islands, 21.9.2013

Herr Maskelyne, Herr Maskelyne…  Sie waren doch dieser Längengrad-Ignorant, und trotzdem benennt man eine ganze Inselgruppe nach Ihnen. Womit haben Sie das verdient – nur mit dem Titel „Königlicher Astronom“? Ts, ts, ts.

Wir fragen uns auch des öfteren mal, womit wir das Glück dieser Reise verdient haben und diesen geradezu obszönen Reichtum (wir denken jetzt mal nicht an das „kleine“ Schiff vom russischen Oligarchen, das neulich mit seinem Bordhelikopter in Vila lag).
Die AKKA liegt an der Südspitze der Insel Malakula vor Awei Island, einem Inselchen der Maskelynes-Gruppe, und es dauerte heute nicht lang, bis die ersten Auslegerkanus bei uns an der Reling hingen. Freundliche Angebote hin und her: Nüsse, Bananen, Kokosnuss gegen… Nadel und Faden. Angelhaken. T-Shirts.  Dies ist das „Ende von Malakula“, und es ist schon recht weit ab vom Reichtum dieser Welt.

In der Lamen Bay auf Epi war es noch ein bisschen anders – Epi könnte man vielleicht unter „Vanuatu light“ laufen lassen. Ein recht reiches Dorf, dessen Männer zu einem erklecklichen Teil gelegentlich zur Erntearbeit nach Australien oder Neuseeland reisen; es gibt ein paar bescheidene Stores. Verkaufsmethode: „Eier?  Moment, wir schauen mal draußen, ob eine Henne gelegt hat!“, wobei allerdings am selbst gezimmerten Regal auch 2 moderne SD-Karten der 4GB-Größe hingen.  Tja, ja – die moderne Technik und der elende Zwang zu mobilen Kommunikation – hatten wir ja schon in Tanna. In Epi hörten wir zum ersten Mal, dass es auf außenliegenden Inseln Ansätze gibt, für das Bananenbüschel statt eines T-Shirts eine kleine Portion Mobiltelefonkredit zu verlangen.  Voilà .

Auch wenn es „Vanuatu light“ war, haben wir die Woche in der Lamen Bay sehr genossen. Zunächst mal ein Segler-Schmankerl: am Montag erschienen am Horizont diverse Segel.  Haaah! Die ICA-Rally naht, man hörte es schon auf dem UKW-Funk.  Plötzlich waren wir statt 5 Booten, was ja eigentlich schon reichlich ist, 17.  Lärmpegel ungefähr wie im südwestfälischen Freibad meiner Jugendtage, denn nach dem unisonen Ankerkettenrasseln (mit „Ferngespräch“ von Reling zu Reling, man liegt ja nur 100 m auseinander…) sprang alles schlagartig ins Wasser und suchte nach dem Dugong. Die vielen Schildkröten ließen sich merkwürdigerweise wenig stören. Der Dugong blieb allerdings unsichtbar.
Für uns war es lustig anzuschauen, ich erhielt auch beim Paddeln eine Kiwi-Ansprache zur Lage unseres Ankers („… well, really battered in!“) und Erstaunen darüber, dass wir es eigentlich darauf anlegen, den Anker immer so tief einzugraben. Lohnt sich natürlich nicht für nur eine Nacht, offensichtlich einer üblichen Aufenthaltslänge. Landgang? Fehlanzeige.

Uns war es aber gleich, der Abend gehörte der Abend ohnehin Pfarrer Attis, der die Gruppe der Segler schon am Sonntag zu einem Abendessen eingeladen hatte – das wollten wir uns nicht entgehen lassen und stiefelten also mit 8 der weiteren Verdächtigen (2 Australier, 4 Kiwis, 2 Kanadier) bergan. „15 minutes and for the return we put you on the truck“ hatte es geheißen.  Der Gang erinnerte mich an eine Samoa-Exkursion der Crew von Mahina Tiaré im vergangenen Jahr, von denen einer mir steckte: „… ein Todesmarsch!“  Hier auf den Inseln geht es wirklich bergan, wenn es bergan geht, und das tut es mehr als häufig, noch dazu auf Waldpfaden. Für abgelatschte Crocs-Sohlen  wenig geeignet und für ungeübte Seglermuskulatur und -lungen ebenso. Will sagen: ich war schweißüberströmt als uns Attis‘  Sohn in seinem Gehöft begrüßte.

Der Abend war lustig, es gab ein geröstetes, frisch erschlagenes Schwein, das Mama Helen in Stücke haute und dazu eine Menge Yams und Bananen, Kürbis und „Island cabbage“ , eine strohige, aber schmackhafte Blattpflanze unbekannter Art, servierte.  Attis konnte uns mit einigen Stories zu Lamen Island und der Bay erfreuen, darüber hinaus war das Zusammensein besonders mit den „Reflection“s besonders sinnreich, denn die erstellen gerade einen neuen, staatlichen Segelführer für Vanuatu.  Dass uns zum Schluss dann kein Truck ins Dorf brachte, sondern wir auf den abgelatschten Crocs wieder bergab rutschten, war schon fast erwartungsgemäß „Vanuatu“.  Schöner Abend mit Attis, Helen und der (Enkel)Kinderschar.

Yams-Laplap in der Vorbereitung

Yams-Laplap in der Vorbereitung

Schon am Sonntag hatte uns auf einem ersten Schnuppergang durch’s feiertägliche Dorf ein Junge angesprochen, der uns Früchte versprochen hatte, da sagt der Segler ja nicht nein und fängt gleich an zu grübeln, was denn als Gegengabe opportun wäre – und als wir dann mit Minimal-Gabe (ein schönes Handseifen-Refill plus Volkwagen-Motorsport -Knick-Kuli, der mittlerweile mit seinem Knick-Knack-Geräusch weltweit Lehrer in den Wahnsinn treibt) beim Gehöft ankamen, gab es natürlich einen ganze Rucksack voll Grapefruit und Christofinen und Pfefferschoten und Kokosnüsse etc. p.p.). Nachbesserung „Gegengabe“ war angezeigt – auch wenn eindringlich betont wurde, dass dies ein Geschenk sei.  Das netteste Geschenk allerdings war die freund(schaft)liche Beziehung, die sich nun entspann, mit reichlich Gesprächen hin und her, Abgleich der Lebenssituationen, Spaziergang mit William (siehe oben, wenn es bergan geht…) ins nächste Dorf samt vielen Stopps zum Betrachten von Nutzpflanzen, Besuch am Hospital mit Ernte einer apfelartigen Frucht, deren Namen ich leider vergessen habe, aber hier kriegt man, wie heute beim Thema „Nüsse“ öfter mal Unbekanntes aufgetischt.  Eigentlich war es so, dass wir bei jedem Besuch wieder sagten: „… wir kommen dann morgen wieder!“  Das Ganze endete mit einem echten Ereignis…  Ziemlich Vanuatu.  „William erzählte, dass Ihr noch kein Laplap gegessen habt, und wir dachten, wir machen eines!“ Es war sowieso „Feiertag“ = schulfrei = gartenfrei gewesen: auf Lamen Island hatte es einen Todesfall gegeben, so dass, wie wir am reichlichen Ausleger- und Motorbootverkehr ablesen konnten, wer immer sich losmachen konnte, sich auf die Insel kutschieren ließ. Die Einladung nahmen wir – mit der üblichen Portion „Euro-Skepsis“! – gern an.
„Vanuatu“ war zunächst mal die Zeit:  wir hatten angekündigt, wir würden zum Airstrip laufen und ein bisschen computern (nur dort hin strahlen die Antennenmasten von Revolieu!) und dann zurückkommen. Funktionierte auch gut – es war danach zwar noch wenig vorbereitet, aber immerhin glühte das Holzkohlefeuer.
Lektion 1: „Zeit“ ist hier ein sehr vager Begriff, Schüler oder Kirchgänger zum Beispiel werden akustisch (Glocken- =Gasflaschen- oder Schlitztrommeltönen) zum Termin gerufen.  Wenn die Fähre „Big Sista“ kommt, weiß man ungefähr, dass es am Vormittag oder in der Nacht sein muss, was beinhaltet, dass man stundenlang am Strand wartet und ein soziales Stelldichein genießt.
Lektion 2:  Bananenblätter für das Laplap müssen abgeflammt werden, wegen der Ameisen.
Lektion 3: ein Familien-Laplap ist eine ziemlich große Angelegenheit…

Ich mache es so kurz wie möglich: Rosy und Mutter also saßen, als wir kamen, um eine Lage eben dieser Bananenblätter, auf dem (schlau! unterwuchsbremsenden) Korallenschuttboden des Hofes. Lap-lap-Durchmesser um die 1 m  plus Blattüberstand („… it will be a small lap lap for a small family!“).  Williams Bruder Charlie (Sohn von Charlie und Enkel von Charlie) reibt Kokosnuss, und zwar eine nicht unbeträchtliche Menge, William macht sich am Feuer zu schaffen, drückt Milch aus den Kokosraspeln und schleppt mit den Schwestern schließlich eine große Wanne gestampften Yamsbrei heran.  Während Mutter und Großmutter den Brei auf den – zuvor mit Kokosmilch befeuchteten – Blättern verteilen, spaziert ein Huhn vorbei. Ein nacktes Huhn, natürlich, das von zwei weiteren Kindern in Stücke geteilt wird. Mit geübter Hand wirft Rosy kleine Hühnerstücke auf den Brei, kleine, aber penible Positionskorrekturen von der Großmutter folgen, dann noch ein paar Handvoll Kirschtomaten aus dem Garten (eigentlich mehr Rosinentomaten, rein größenmäßig), darüber reichlich dicke Kokosmilch, und zum Schluss ein mehrlagiger Deckel aus Bananenblättern. Fertig ist das Laplap für das Feuer!  Jetzt heißt es eine Stunde warten, Zeit für „storiem“, Geschichten erzählen, auf Omas schönen Pandanusmatten. Die Kinder finden sich ein, der ganz Kleine schon mit Kuscheldecke, die große Schwester wiegt das Baby im Arm, und Rosy zeigt uns die Herstellung von Wassertaropaste „nach Santo-Art“. Dazu werden noch warme, gekochte Yamsstücke – kalte sind zu zäh und ergeben keine glatte Paste! – auf einer flachen Holzschale mit einem Stößel gestampft. Die Schale hat eine besondere Form – mit zwei langen „Henkeln“, auf die man die Kinder setzt, zum Beschweren.  Männer, die den Yams stampfen, dürfen diese die Henkel mit den Beinen festhalten, nicht so die Frauen, das wäre unschicklich… Die fertige Paste wird glatt gestrichen und erhält traditionell ein rautenförmiges Loch, in das wird Kokosmilch gegossen wird. Als Ehrengäste bekommen wir Löffel gereicht, obwohl man eigentlich die Paste mit den Fingern abteilt und die Milch auftunkt. Geschmack und Konsistenz ungefähr wie roher Hefeteig – wirklich gut.

Rosys Küchenfeuer. Im Hintergrund schmort schon das Laplappaket!

Küchenfeuer. Im Hintergrund das Laplappaket!

Wir packen aus!

Heiße Phase…  Wir packen aus!

 

 

Dann ist es so weit: Andreas schleppt mit den Söhnen dieses Laplap-Ungetüm heran, das nun feierlich und mit spitzen Fingern aufgedeckt wird – eine wirklich heiße Angelegenheit.  Rosy teilt – es ist schon lange stockduster! – beim Funzellicht der Solar-LED die Hühnchen-Felder ab und schiebt uns große Stücke zu: ein kleines Laplap für eine kleine Familie… für nur 14 Personen eben.  Vanuatu medium light!

Fertiges Laplap, mit Kokosmilch beträufelt

Fertiges Laplap, mit Kokosmilch beträufelt

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