Loltong, Pentecost, 6.10.2013
Sonntagmorgen. Sie singen, die Kirchgänger im Dorf! Das machen sie ja immer sehr schön hier in der Südsee. Wie wir gestern beim Antrittsbesuch beim Chief erfuhren, ist man hier anglikanisch oder katholisch, und wie Marie uns vorführen konnte, spricht man Englisch oder Französisch. Oder Bislama. Oder Raga, oder Saa oder, oder, und…
Die Nähmschinenepisode vom letzten Beitrag braucht noch einen Nachklapp: es war nämlich zu spät, die Einlassung des Eigners, dass er abfahren möchte „bevor sich das rumspricht“ . Am Sonntagabend haben wir die Marcelline-Maschine wieder in ihre Vanuatuflagge gewickelt und sind zum rotten Anleger gepaddelt, und da saß sie schon, gemeinsam mit der Direktorin von der Missionsschule oben am Berg. Ob wir vielleicht mal nach deren Maschine gucken könnten? Eine Tret-Maschine, aber leider ohne Riemen. Zumindest das konnten wir fix erledigen, denn wir haben weder Ersatz-Treibriemen an Bord noch Nylonstrümpfe für eine kleine Improvisation. Immerhin konnten Anke und Günter von der TRAMP insofern einhelfen, als sie versprachen, in Vila mal nach Ersatzteilen zu schauen. Aber dann wurden wir doch weiter zu Marcellines Gehöft gelockt, und da standen schon die nächsten „Kandidatinnen“. Eine schön ausschauende, aber vom vielen Kokosöl völlig festgeklebte Handkurbelmaschine, und eine weitere mit gebrochener Platte und chronischem Fadenreißen. Die festgeklebte Kurbelage konnten wir losbrechen, aber das war nicht das einzige Problem: Fadenhebefedern, oder wie immer man das nennen mag, sind wohl eine Sollbruchstelle und augenscheinlich ein Muss für die Ersatzteilbox „Nähmaschinen“, die ich für’s nächste Jahr plane. Aber helfen konnten wir leider nicht wirklich. Als ich am Montag noch schnell zum Treff der Marktfrauen unterm Banyan-Baum (von der westlichen, der anglophonnen Seite des Fjordes) fahre und ein großes Bündel Lauchzwiebeln kaufe, bittet die Verkäuferin: „… but you come back next year?! You know, my sewing machine…“ Wie der Eigner schon sagte: „… ehe sich’s rumspricht!“. Immerhin – Anke, die wirklich nächstes Jahr zurückkommen will, plant ein Nähmaschinentechnikworkshop.
Die weitere Reise führte nach Ambrym, Insel der aktiven Vulkane, der Hexer, der Holzschnitzer. Und meine Geburtstagsinsel. Nach einer unruhigen Nacht vor Raventlam (für diese Fallböen braucht man wirklich starke Nerven, der Schwell tut ein Übriges!) haben wir uns schnell nach Nopul verlegt – ich hatte meine Zweifel, ob das so viel besser ist, aber es war, und der erste Gratulant war auch gleich ein Dugong mit einer bildschönen Schwanzflosse. Und was war noch? Livemusik! Der Chief von Nopul, Masi, hielt genau an diesem Tag ein „Kava Fund Raising“ ab, es war schon vom Ankerplatz aus ein Gewusel an Leuten zu beobachten, Stampfen zu hören und eben Musik. Ganz nach meinem Geschmack, was sich da abspielte (das Spielen, nicht das Stampfen…) Um einen Teekistenbass hatte sich eine nicht ganz übersichtliche Zahl an Sängern aus dem
Nachbardorf versammelt und schmetterte zu den Klängen von 3 Gitarren (insgesamt 13 Saiten, ich hab‘ sie gezählt!) und einer selbst gebauten Ukulele fetzige Südsee-Folk-Pop-Schrei-Lieder. Im Hintergrund wurde reichlich Kava gestampft und auch genossen; bei so einer Gelegenheit wird schon nicht mehr mit halben Kokosschalen hantiert, nein, es werden ganze Wasserkessel voll geschöpft, die man gern in alte Bierflaschen umfüllt. Gluck-gluck. Männersache, also verzog ich mich zu den Frauen, die diverse (obskure) Speisen zum Verkauf boten, mir aber auch freudig eine riesiges Bündel Bok Choy verkauften. Mein mitgebrachter Geburtstagskuchen – ein Produkt aus der Reihe „… die Bananen müssen weg!“ – wurde sofort vereinnahmt und ebenfalls meistbietend verkauft. So macht man sich beliebt! Der Eigner steuerte auf der Männerseite zum guten Zweck (Schulgebühren!) einen 1.000er bei. Man könnte auch sagen:r erkaufte sich das Recht auf Nicht-Genuss der Kavabrühe. Ja, ja, wir sind Kava-Weicheier.
Am Folgetag hatte sich Chief Masi so weit erholt, dass wir uns lange unterhalten konnten, über dieses abgeschiedene Leben, über die Kinder, die Schulen, die Kosten. Wir wandern zum Ort Olal hinüber (hier wird’s francophon!) begucken uns den dortigen Ankerplatz (nur für Mutige oder Wracklustige…) und bedauern ein bisschen, dass wir das berühmte „back to my roots“-Festival im August versäumt haben. Kastom Dance und Zauberei.
So geht die Zeit dahin.
Der Marsch nach Ranon stellt sich, noch dazu in der Hitze des Tages, als ziemliches Auf- und Ab heraus, mit einem tollen Rastplatz mit Blick auf zwei junge. spielende Dugongs, die ganz untypisch relativ lange an der Wasseroberfläche verweilen. Hauptattraktion in Ranon sind die Holzschnitzer, die überall im Gebüsch sitzen und Schlitztrommeln fertigen – der ganze schwarze Lavastrand ist voll. Es soll mit dem nächsten Schiff eine Lieferung verladen werden, man verkauft die Tamtams und Farnwurzelfiguren für gutes Geld nach Neukaledonien. Interessant: während die Schnitzer am Strand letzte Hand anlegen, schwappen plötzlich große Wellen heran und reißen die Figuren mit sich, so dass sich kurze Hektik breit macht, um die wertvolle Ladung wieder einzufangen. Hm. Was das wohl war? Mini-Tsunami? Zauber? Hier weiß man nie…
Als der Wind zu schwächeln anfängt, verholen wir uns die 35 Meilen nach Pentecost. Wo die Hexer die Erde beben lassen (Erklärung für die zerstörte katholische Kirche!) und das Wetter machen. Was mich zur Vorsicht für die Weitergabe von GFS- oder Wetterweltprognosen veranlasst – nicht dass man mich mit den Hexern in einen Topf wirft!
Zauberei, das ist eine Sache, die uns schon seit Epi verfolgt… Meist wird einem versichert, dass man an „black magic“ nicht wirklich glaube, aber diese Todesfälle, Stürme, Erdbeben… Von unserer derzeitigen Nachbarinsel Maewo heißt es, dass man sich in jedem Fall einem local guide anvertrauen soll, dem unbedingt FOlge zu leisten ist, wohin man darf und wohin nicht.
Soll ich meinen Fettnapf von gestern beichten? Ich habe mich im Nakamal, dem Versammlungshaus, in dem Frauen nur eine sehr untergeordnete Rolle spielen, auf eine Schlitztrommel gesetzt (ich habe sie nicht mal als solche erkannt in der Dunkelheit). Ganz schlecht. Übrigens wäre es nicht angesagt für Andreas, unter der AKKA hindurch zu tauchen, so lange ich – als Frau – mich an Bord befinde. Gesamteindruck: je Vulkan umso Hexerei. Drum fahren wir auch bald weiter nach Ambae. Die Insel mit den zeitweise kochenden Süßwasserseen. Huuuh. Tabuu!
Im Moment aber ankern wir sehr friedlich vor dem „Yachtclub“ von Loltong, hinter einem kleinen Riff. Der wirklich sehr alte Chief Richard empfing uns gestern zwar im Rollstuhl aber mit dem traditionellen Schweinezahn um den Hals und freute sich grundsätzlich über unseren Besuch („… so muss es sein! Er lebt doch noch!“ sagt seine Frau strahlend) und über den Kaffee, den wir als Geschenk darboten: „… oh, dafür haben wir oft kein Geld…“ Es ist, trotz des Prädikats „Verwaltungszentrum“ doch sehr abgeschieden hier, und viel mehr als die Gärten hergeben, gibt es nicht, auch nicht im Lädchen. Doch. Frisches Brot! Sehr willkommen…
Jetzt freuen wir uns auf Sonntagslunch mit Matthew und Marie. Unser Nachtisch ist schon fertig (Panna Cotta aus der neuseeländischen Tüte, mit Wildbeerenaufstrich von ebendort), den Rest besorgen die beiden. Und morgen müssen wir das neue Haus begutachten, das vor kurzem unter der Mithilfe der TAURUS entstanden ist. Mal wieder ein Marsch in die Senkrechte, rauf zum Kraterrand.
Und dann hatte Matthew etwas angedeutet zum Thema Nähmaschine… Ganz schön anstrengend, dieses Vanuatu.
PS: ja, ja – es wird Zeit dass wir Bilder einstellen können, aber das gibt der TVL-Stick und das Netz einfach nicht her!


