Chaolong/Yangshuo, 2.3.2014
… genau, „ganz schön kalt muss es hier sein“, dachten wir am vergangenen Montag früh.
Wir hatten uns im Zug von Saigon nach Hanoi auf eine Ankunft um kurz vor 5 morgens eingerichtet, und standen früh am Zugfenster, um den Strom der Moto- und Radfahrer, det draußen Richtung Stadt plätscherte, zu beobachten. Alle schön eingepackt in dicke Jacken und Regenfolien, und wieder gab es abenteuerlichste Lasten zu sehen. Der Zug rumpelte noch fast eine Stunde durch Vorortgegenden, um nicht zu sagen: durch Wohnzimmer und Küchen!. Aber dann! Hanoi! Der Bahnhof ist nicht gerade „Hannover Hauptbahnhof“ – mehr „Siegen Hauptbahnhof, 50er Jahre“. Der Bahnsteig voller Taxen der
Firma Mai Linh, die wir schon aus Saigon kennen, ein Groß-Anbieter offensichtlich, den wir aber (dummerweise?) umgehen. Das Daypack nach vorn, quetschen wir uns durch die Menge nach draußen. Echt kühl hier, und kühl auch die Atmosphäre unter den Taxifahrern, die zuhauf auf Gäste und Opfer warten. Wir verhandeln kurz mit einem Mai Linh-Fahrer und sind uns fast einig, als ein grantiger Mensch, der augenscheinlich die Verteilung der Taxen auf dem Bahnhofsvorplatz unter sich hat, uns am Arm zerrt: „… here! This – no!“ und deutet auf den armen, fein gekleideten Taxifahrer unserer Wahl. Nach einer Weile kapieren wir – Mayi Linh haben hier keine Rechte mehr, denn sie haben ihre Chance ja schon auf dem Bahnsteig gehabt. Das Gespräch verläuft aber so unerfreulich, dass ich schon mal los laufe, Andreas dann hinterher. Alles klar, wir laufen. Es schlägt die Stunde des neuen Smartphones! Was wären wir ohne Google Maps?! Wir schlängeln unseren Weg über kühle, dunkle, feuchte und noch leere Innenstadtstraßen, überqueren die Bahnstrecke, über die wir gerade herein gekommen sind, zweimal und wundern uns über die Enge, mit der die Häuser tatsächlich an den Gleisen stehen. Auf den Bürgersteigen bauen Frauen erste Garküchenstände auf – schließlich ist gleich Frühstückszeit. Eigentlich war es ganz
einfach, unser Hotel zu finden, Tulinh Palace, 2 Hang Ga. Der „Nacht-Chef“ Binh strahlt uns ein erstes Mal an, mit leicht verpüschelter Frisur. Wir zwängen unser Gepäck an zwei Motos vorbei, die im Empfang stehen – schließlich ist ja noch „Nachtbetrieb“. Hinter dem kleinen Tresen für Tours und vor den beiden Internet-Rechnern im Frühstücksraum liegen noch die Nachtmatratzen – aber wir haben Glück, gerade checkt ein junges Paar aus, in deren Zimmer wir schon mal eine Dusche nehmen können. Hanoi ist nämlich so kühl doch nicht und zumindest der Fußmarsch mit Rucksack erzeugt Schweißströme. Gereinigt und entspannt treten wir zum Frühstück an, und damit kommt der Freundlichkeitsschauer, der uns nun tagelang begleiten wird. „Take a seat – have a coffee – take fruit as many as you want – feel at home! Are you o.k.?!“ Es hört auch nicht auf, als Tim auftritt, der „Tages-Chef“. Es erschlägt einen geradezu. Das Tulinh ist sicher ein bescheidener Palast, aber wirklich ein nettes Heim auf Zeit.
Mit Tims Hilfe telefonieren wir mit der Weißrussischen Botschaft, und siehe da: heute Konsularverkehr. Taxifahrt in ein feines, altes Kolonialviertel am See. Ein absolut finnisch anmutender junger Konsul knöpft uns je 20 Euro ab und verspricht, die noch fehlenden Transitvisa für Weißrussland bis Donnerstag auszustellen, sofern wir den Nachweis erbringen können, dass wir am 30.3. Russland per Zug verlassen. Fein! Wir schicken eine Mail an Natalya in London, „RealRussia“, die zwar jetzt noch schläft: „Buchen!“
Das wird schon… Mission (fast) erledigt.
Folgt der „lange Marsch“ zurück in die Stadt. Hanoi ist anders als Saigon. Viele alte
Gebäude aus der Kolonialzeit, französische Bäckereien oder Cafés, viele buddhistische Tempel. Im Café „Coffee Beans & Tea Leaves“ spricht mich ein junger Mann an: „Nice weather today!“ Uups?! Wie ist es denn in Hanoi, wenn es nicht nebelig und grau ist? Oder ist es normalerweise noch schlimmer? Wir sind derartig verwöhnte Tropenpflanzen geworden… Leider ist der große Tempel im See geschlossen, wir laufen durch Nieselregen und mittlerweile dickesten Verkehr weiter. Präsidentenpalast, Parade-Straße. Kleine Mädchen posieren vor dem Ho-Chi-Minh-Mausoleum, die Händchen zum „Victory“-Zeichen gehoben. Über uns weht das größte Exemplar der ansonsten vietnamweit allgegenwärtigen Nationalflagge, schlicht und schön: Gelber Stern auf rotem Grund. Das grüngraue Mausoleum ist gigantisch – man sieht quasi Kader und Elite auf den Marmorstufen sitzen und zackige Paraden abnehmen, Aber entweder ist der Platz vor dem Mausoleum so weiträumig, dass sich die wenigen Besucher verlieren, oder… das historisch-politische Interesse tritt hinter handfesterem, kapitalistischem zurück. Wir
wehren noch ein paar Attacken von Frauen ab, die einem gegen ein kleines Fotoentgelt ihre Traglast auf Bambusstangen auf die Schulter hieven wollen; dazu braucht es dann schon ein bisschen Energie. Wir beobachten bei einem Schweizer wie so etwas (schief) geht: „want a banana?“ Oh ja gern. Zack: Traglast auf der Schulter – „foto!“ Geld wechselt den Besitzer. „… und wo ist meine Banane?“ … naja, die kostet dann nochmal extra. Hui – so was macht Andreas fünsch.
Im Hotel zurück berät uns Tim, der eigentlich nicht Tim heißt sondern irgendwie unaussprechbar anders (gern wird er auch „zero“ gerufen, denn wenn man Hilfe von der rezeption braucht, drückt man die „null“). Restaurants in der Nähe, und vor allem: sollen wir, oder sollen wir nicht? Ha Long Bucht oder nicht. Oder in die Berge? Die Wahl fällt auf die Ha Long-Bucht, Weltnaturrerbe muss sein. Angesichts unserer normalen Wohnsituation fällt die Wahl auf „… ja, schon, aber wir fahren lieber nach Cat Ba ins Hotel, keine Übernachtung auf der Touristen-Dschunke“.
Abends ein Gang die Hang Ga hinunter zur Hang Dieu – da gibt es ein Straßenlokal namens „Trockene Nudel“ – wo im Gegensatz zur Nationalspeise „Ph೓ (gesprochen… irgendwo zwischen Fö und Fa, mit der Zunge hinten am Gaumen!) Bun Bà³ serviert wird. Reisnudeln ohne Brühe, mit verschiedenen Kräutern und Gemüsen und Rindflesich aus
dem Wok. Gleich vorn, direkt an der Straße, wird gekocht, wir sitzen an langen blechernen Tischen „im Flur“ und genießen „Vietnam pur“. Ob es den Wohnbedingungen geschuldet ist, dass augenscheinlich alle Leute, die es sich irgendwie leisten können, „auswärts“ essen und wenn es nur am Kanststein ist? Vielleicht kann man außer heißem Wasser in einer normalen Wöhnstätte ja gar nichts zubereiten, oder nicht mal das? Jedenfalls geht der Fußgänger, wie schon tagsüber auch, auf der Straße und versucht, nicht von Motos überfahren zu werden – werden am Tage auf den Bürgersteigen Dinge aus Edelstahl gedengelt oder Bambusleitern geschnitten, ist abends alles voll mit mobilen Garküchen. Es werden kleine Plastikhocker aufgestellt und ausgeschenkt, was das Holzkohle- oder Gasfeuer so hergibt. Ein Augen-, Ohren-, Gaumenschmaus!
Von Ha Long und dem Rest von Hanoi dann noch mal mehr – mittlerweile ahnen wir, was wirklich „kühl“ bedeutet: wir sitzen in Chaolong, im südlichen China, am Kaminfeuer…
Bis dann!













