Irkutsk, 22.3.2014
Fühlt sich ganz merkwürdig an, diese Stadt! Als wir am Dienstagmorgen um 6 eintrafen, las das Thermometer am Bahnhof moderate -5 °C. Man wackelt auf unsicheren Sohlen über vereiste Bürgersteige und schlaglöcherige Straße Richtung Transsib-Hostel; die Leute sehen frühmorgens, wie ich mich entschieden habe, wohl weltweit muffig aus, so auch hier. Lächeln is‘ nich‘!
Klingeln bei der Nummer 8, so stand es in der Mailanweisung, aber die Tür ist schon offen, und als wir eintreten kommt der erste Schub von „Kindheitserinnerungen“: ein muffig-feuchter Kellergeruch steht im Eingangsbereich des Mietshauses,.wie im Haus meiner Kleinkindertage, wo sich im Flur ein Falltür zum Keller öffnete. Genau so!
Wir stiefeln mit unseren Rucksäcken die Treppen hinauf – das „Hostel“ besteht aus einer Privatwohnung mit 3 Zimmern und einem großen Gemeinschaftsraum mit Küche; ein bisschen WG-mäßig. Wir sind früh dran, viel zu früh, denn die Betten sind noch belegt, was vor allem unserem Patienten nicht gut tut, aber immerhin gibt es eine heiße Dusche und einen großen alten ausgelatschten Sessel, in dem Andreas versinken kann. Und Tee und Kaffee können wir uns machen. Anton kommt dazu – ein sibirisches Pokerface mit deutlich schlechter Laune an diesem Morgen: frühe Gäste sind ihm ein Graus, aber er tau(ch)t dann doch rasch aus dem Morgengegrummel („… hoffentlich ist es nicht die chinesische Grippe…“ ) auf. Ein weiterer Gast tritt auf die Bildfläche, Dasha bringt Töchterchen Polina zum KIndergarten und bereitet dann unser Zimmer vor. Russisches Familienleben.
Anton ist gerade von einer Eiswanderung auf dem Baikal zurück und kann ziemlich viel erzählen, vom See, von der Fauna – und von all den Unarten, denen sie auf dem Eis (und sicher auch im Sommer ohne Eis) Bahn geben. Wir sind bei den wilden Kerlen angekommen! Anton hat eine Tourfirma, die sich „Baikal Adventures“ nennt. – irgendwie bedauerlich, dass Andreas‘ Erkältung noch nicht besser ist, so ein bisschen Eiswandern wäre nicht schlecht; es muss ja nicht gleich eine Überquerung sein. Geschweige denn „einmal längs“, wie es manche gern tun. Zum Beispiel verrückte Mountainbiker…
Grundsätzlich hat sich im Vergleich zu China für mich einiges geändert: die Sprachlosigkeit verliert ihre Schrecken, weil ich, wenn auch mit einigem Zeitaufwand, wieder vieles lesen kann. Verhungern würden wir nicht mehr, denn chleb und vodka können wir schon sagen (letzeres allerdings nur in des Wortes ursprünglicher Bedeutung, Wässerchen).
Draußen erinnert mich vieles an Kindertage, der schmutzige, tauende Schnee, die matschigen Spritzepfützen, Schlaglochwege bergauf, bergab. Das Häuserkarree, an dem wir wohnen, ist zum Hof gefüllt mit teils baufälligen, teils renovierten kleineren Häusern und Baracken für Wohn- und Gewerbezwecke. Alles noch ein bisschen grau derzeit, aber schon von fahler Frühlingssonne beschienen.
Zum Abschluss gab es für mich (Andreas tat sich noch eine letzte Portion „heißes Bad und warmes Bett“ an) gestern einen Ausflug zum Baikal, Irkutsk selbst liegt am Baikal-Abfluß, der mächtigen Angara (die übrigens in den Jenisseij mündet, mehr als 1 1/2 Tausend Kilometer von hier und eigentlich der größere der beiden Flüsse ist). Das war toll zu sehen: der Strom, der hier aufgrund der Strömung so gut wie nie zufriert, dahinter die riesige Eisfläche und am Horzont die gewaltigen Berge auf der burjatischen Seite. A propos Eiswandern – Ihr hättet mich staksen sehen sollen. Das ist arschglatt. und ein bisschen unheimlich dazu, es knackt und knallt! Ich bin froh, als ich wieder im Kleinbus zwischen Büromädels und Familien sitze und mich auf festen Boden freuen kann!
Und heute?! Heute geht’s ab nach Moskau. Wir sind dann mal weg vom Fenster, rein kommunikationsmäßig. Ankunft Mittwoch gegen 5 Uhr morgens – das nächste Hostel wartet schon! Und übrigens – nach dem Tauwetter soll’s wieder kälter werden…





Gute Besserung Andreas!
Wir fliegen am Samstag zurück na NZ 🙂
Ma sagt, ich soll schreiben, dass sie schon ihr Leben lang mal mit der Transsib fahren will…
VG
Homa