Alcora Bay/Cape Don, 11.7.2014
Das Wesentliche ist geschafft, nach 5 Seetagen haben den Van Diemen Gulf (fast) erreicht. Wir sind, vom vollen Mond beschienen, um 4 Uhr in der Früh in die Alcaro-Bucht eingelaufen – bisschen unheimlich, trotz der fahl scheinenden Himmelslampe! -, haben den Anker geschmissen und die Wartezeit bis zum richtigen Tidenstrom mit einem ausgiebigen Nickerchen verschönt. Die Reise war so wie die Landschaft hier oben: lang und ohne besondere Höhepunkte. Leere Horizonte für Hunderte von Meilen. Genau gesagt: 750 Meilen.
Die Torres Strait, wo unsere Passage ihren Ausgang nahm, hat was – selten wird einem so klar, dass hier mal eine Landverbindung zwischen größeren Landmassen bestand, zwischen Australien und Papua Neuguinea. Schön zu sehen auf Google-Earth-Bildern! Bis zur letzten Eiszeit war das so!
Ansonsten: nach dem ganzen Ge-Cooke kommt im Norden von Australien nicht so sehr viel – eigentlich „nur“ Australien, wie es mal war: Aborigine-Land.
Auf Possession Island, wo wir einen letzten Nachtstopp vor der Passage nach Westen eingelegt haben, hat Cook nach Abschluss seiner Reise entlang der Ostküste nochmals einen Union Jack gehisst – und Namen aus der Heimatprominenz scheinen ihm wohl langsam knapp geworden zu sein?! Tuesday Island, Wednesday Island, Thursday Island, Friday Island… und so fort, bis Christmas Island, New Year Island! Also hat er die Insel kurzerhand Possession genannt, „Besitz“, und damit ganz Australien für Georg III. in „Besitz“ genommen. Die Kaurareg, denen diese spezielle Insel gehörte, können noch nicht erfasst haben, was für ein „Ei“ ihnen da gelegt wurde – Leute in komischen Kleidern, die ein buntes Tuch an einer Stange heißen und drei Gewehrsalven in die Luft abgeben. Drei Salven kamen zurück von der Endeavour, und schon waren die Aborigines ihr Land, besser: ihren Kontinent los.
Wer hier oben entlang fährt, dem entfaltet sich aber noch ein anderes Stückchen Seefahrtsgeschichte: Holländische nämlich. Hatte ich schon mal vom Herrn Janszoon berichtet? Die Gegend, die wir nach dem Verlassen der Torres Strait auf der Fahrt nach Westen gequert haben, nennt sich bei den Australiern „The Gulf“, kurz für „Golf von Carpentaria“, ein riesenhaftes, flaches Meeresbecken von maximal 60 m Tiefe, entdeckt von den Holländern kurz bevor Torres die Durchfahrt in den Pazifik fand. Pieter de Carpentier war Anfang des 17. Jahrhunderts der Generalgouverneur von Holländisch-Ostindien, und Janszoon der erste Europäer, der australischen Boden betrat. Allerdings hat man die Entdeckung nicht sehr vertieft, denn nach anfänglichen freundlichen Kontakten wurden ziemlich schnell Differenzen zwischen den Seefahrern und den ansässigen Aborigines klar: ein Beispiel ist das Wasserbunkern. In unwirtlichen Gegenden gehört es zum guten Aborigine-Ton, das Wasser zu teilen – aber wozu man Wasser gleich fässerweise braucht, war einfach unverständlich – und schon gab es Mord und Totschlag. Und ein vorläufiges Ende von „Nieuwe Zeland“, wie Janszoon das neu entdeckte Land zunächst mal genannt hat (den Namen hat Abel Tasman dann geklaut und seiner Entdeckung gegeben. Neuseeland). Auch Cook ist hier 200 Jahre später nur vorbeigefahren – erst Matthew Flinders hat den Golf kartiert, der sich schließlich mehrere hundert Meilen nach Süden hin öffnet. Trotzdem sind vom holländischen Kapitel der Geschichte noch Spuren übrig geblieben, zum Beispiel der Name „Duyfken“, nach Janszoons Schiff benannt, dem „Täubchen“, oder der Name der großen Insel im Westen des Golfs, die man praktischerweise „Grote Eylandt“ nannte; so heißt sie bis heute. Cape Keerweer. Arnhem Land.
Aber sonst, bis jetzt an der Einfahrt zum Van Diemen-Gulf, „nicht viel gewesen“. Moderate Winde, auf weitgehend raumen Kursen. Bleiben nur die Slapsticknummern zu berichten, die man bei längeren Passagen abliefert, und die sich offensichtlich kaum vermeiden lassen. Droht der Eigner ins Logbuch zu schreiben: Ausbaumen von 13 bis 14 Uhr. Ganz so schlimm war es nicht, aber der Schlafmangel lässt einen dann die eine oder andere Leine dann doch wieder irgendwo hin legen, wo sie nicht hingehört. Andreas nennt das „Stricken“. Bordfrauensache. Ich überlege, ein Ausbaumlied zu dichten, das wir bei der Arbeit in Wind und Wellen schreien: „…Leeee-schot nach vor-neee / Topnant muss nach au-sseeen“. Oder so. Ihr seht, es gibt immer was zu lachen – außer wenn man den Achterholer bei einer solchen Aktion drei Mal lösen und neu „verstricken“ muss, dann gibt es mal was zu fluchen. Ich sag’s ja: Schlafmangel. Dafür ist man nach Verlassen des Great Barrier Reefs beim Essen (und beim Kochen!) wieder hellwach, oder man wird es schlagartig, wenn Kaffee, Wasser oder Nudeln sich entschließen, eine Luftpartie anzutreten – hier oben gibt es nämlich wieder Welle. Verwöhntes AKKA-Volk. Es kann eben nicht immer Ententeich sein, so wie in den vergangenen Wochen „hinterm Riff“.
Last but not least hätten wir ja Grund zu zwei Parties gehabt: 8-jähriger Losfahr-Geburtstag, am 6. Juli, und dann, tataa!, das Erreichen des Indischen Ozeans. Alles „verpennt“.
Um 14 Uhr geht es weiter, die Regel heißt: 4 1/2 Stunden vor Hochwasser Darwin soll man losfahren, dann sollte es einen rechtzeitig durch die Engpässe saugen; es ist Vollmond, also Springzeit, und die Tidenhübe sind hier so beträchtlich wie die entstehenden Ströme. Navigatorenspaß! Noch 90 Meilen!
PS: wir werden mit Tagesschau versorgt! Ein toller Service: man schickt eine nur aus einem Betreff bestehende Mail („Tagesschau.Abend“) an einen Funkfreund (wl2k.news / googlemail.com) und kriegt die letzte Tagesschau serviert. Und wenn man auf den kknappen Hinweis „Spielausgang 1:7“ persönlich nachfragt, wie das Spiel gegen die Brasilianer vor dem offensichtlichen Elfmeterschießen (anders geht ja 1:7 nicht, außer bei Dorfturnieren?!) ausgegangen ist, kriegt man auch eingehendere Auskünfte… Wie traurig für die Brasilianer! Ein bisschen traurig auch für die GIGGLES, die – einen Tag voraus – gleich die Oranje-Hemden anziehen werden. Es geht um Platz drei, und Anja hat versprochen, ihre karottenfarbene Perücke aufzusetzen… —


