Teluk Ginggo, 8.9.2014
Da sind wir wieder, willkommen zurück im Reich der indonesischen Sprache(n).
Ja, ja, wir haben sie gesehen, die Buaya Darat. Landkrokodil heißt das auf Bahasa (ich hoffe, es ist Bahasa, es könnte auch eine der lokalen Sprachen sein, wer soll sich da noch auskennen). Ich glaube, „ora“ heißt das Tier auf Komodo und wissenschaftlich ein bisschen näher dran ist „biawak raksasa“ – die Riesenechse, denn es sind in der Tat die größten lebenden Echsen. Die Anglophonen sagen einfach „Drachen“ bzw. dragon und wir, korrekt wie wir nun mal sind, Komodowaran, nach dem Gattungsnamen Varanus.
Warane werden auch Monitorechsen genannt, und es gibt eine ganze Anzahl von Waranen auf dieser Welt, allein in Australien sind es an die 30 – aber nirgendwo gibt es größere als hier, im Komodo-Nationalpark. Die Wissenschaft streitet sich fleißig darum, ob es sich um einen Insel-Gigantismus handelt, weil diese Warane auf Rinca, Komodo und den benachbarten Inseln und Inselchen die einzigen großen Räuber sind – sie haben auch keine Fressfeinde außer den eigenen Artgenossen! – oder ob es rezente Vertreter einer Art urweltlicher Echsen sind. Letzteres würde mir mehr gefallen, denn es würde bedeuten, dass sie in direkter Linie von ungefähr 5 Millionen Jahre alten Echsen abstammen und von Australien nach Indonesien geraten sind: man muss sich vorstellen, dass in der letzten großen Eisperiode große Landflächen zwischen Australien und der hiesigen Inselwelt trockenfielen, wo Komodowarane bzw. ihre Vorfahren nach Norden traben konnten; mit dem Anstieg des Meeresspiegels nach der Eis schmelze wurden sie dann auf den Inseln isoliert. Leider haben die meisten großen Echsen – wie viele andere „Riesen“-Arten das Zusammentreffen mit dem Menschen nicht ausgehalten. Aber hier sind sie noch…
Vielleicht hat ihnen geholfen, dass sie nicht ganz so wehrlos sind, wie man aus ihrer scheinbaren Schwerfälligkeit schließen könnte. Klar, wenn man ein älterer Waran in den besten Jahren ist, so 30 oder 40 Jahre alt oder älter, 3 Meter lang ist und 70 kg schwer, dann ist man schon ein bisschen rundlich um die Taille und auch schwerfällig, aber die Kraft und die Schläue (tatsächlich! Man hält sie für sehr intelligent!) reichen doch aus, um mit viel Geduld, Spucke sowie etwas Gift aus Unterkieferdrüsen und einer gewissen Beschleunigungsenergie (20 km/h, wenn es sein muss!) zu allerlei leckeren Happen zu kommen. Den potentiellen Opfern, vorzugsweise Mähnenhirschen, lauert man bewegungslos im Gras auf. Wir haben es gesehen – zwar kein „kill“, aber ein Waran, der „völlig unauffällig“ in der Gegend eines Wasserbüffels (!!) herumlag. Langsames Kopfheben, Züngeln (=Riechen), Sichtkontrolle so weit die schwache Sehkraft reicht… Nicht, dass so ein Waran einen Wasserbüffel gleich mit dem ersten Angriff überwältigen würde – vielleicht, mit ganz viel Glück, aber das braucht es auch gar nicht. Richtig waran-lecker ist eine Mahlzeit erst, wenn sie schön gammelig ist. Man beiße die größere bzw. zu große Beute einfach ins Bein – besonders erfolgreich ist die Taktik, dem Opfer einer Verletzung der Achillessehne zuzufügen, das dann schockiert auf drei Beinen davonhumpelt. Und dann tut das Gift sein Werk, oder, wie andere sagen, Keime, die aus der schlechten Mundhygiene der Tiere resultieren, wahrscheinlich beides – es wird in jedem Fall die die Blutgerinnung behindert, außerdem sollen, sagen menschliche Opfer, Waranbisse saumäßig schmerzen, und unbehandelt endet ein Biss beim Menschen zwangsläufig in einer Sepsis, also sicher auch beim Beitetier, das die Qual nicht lange aushält. Egal, wo sie dann eingehen, der Waran verfolgt sein Opfer. Tagelang, züngelnd – und dann: hmm, lecker, noch 4 km bis zum gedeckten Mittagstisch. Bis zu 11 km sollen Warane Aas wittern können… Und das tun sie. Möglicherweise hat allerdings der eigentliche Übeltäter das Nachsehen, wenn ranghöhere Tiere schneller „zu Tisch“ kommen.
Kleinere Beute – ein Wildschwein zum Beispiel oder ein unvorsichtiger Makake – geht mehr als schneller Snack weg; man sagte uns, dass ein mittelschwerer Waran ein Wildschwein von fast doppeltem Körpergewicht in einer Viertelstunde verdrückt. Die Beschreibung, wie das vor sich geht, lässt mich an Krokodile denken: reißen, schütteln, schleudern, wobei Warane ihre Beute mit den gewaltigen Krallen fixieren. Was unverdaulich ist, kommt gleich oben wieder raus, und dann kann man eine Weile in der Ecke liegen und der eigentlichen Verdauungstätigkeit nachgehen. Schlangenartig, quasi. Wir sahen auf unserem ersten Gang am Sonnabendnachmittag einen Waran mit einem immensen Bauch, der sich am Morgen wohl an einem kleinen Hirsch gütlich getan hatte. So was liegt natürlich schwer im Magen… Rami hatte versuchte, den Rest des Hirschen vom Morgenfrühstück zu finden, aber da war nur noch der Kampfplatz.
Was wir auch sahen, war ein Waran-Weibchen, die offensichtlich ihr Nest bewachte. 4 unterschiedlich große Löcher auf einer kleinen Waldlichtung, und außer Frau Waran weiß niemand, welches der wirkliche Eingang zum Nest ist. Wenn demnächst die Regenzeit beginnt, wird sie ihre Eier dem Schicksal überlassen: der Regen wäscht dann die Geruchsspuren weg und spült Erde in die Löcher. Nach 9 Monaten schlüpfen dann 20 oder 30 (verwaiste) Warane und flitzen auf die Bäume – dahin, wo Papa oder Mama ihnen nicht folgen können, sehr schlau. Ältere Jungwarane können das schon eher mal, die sind gefährlich, aber es wird auch nicht lange dauern, bis man sich vor den Geschwistern aus demselben Gelege fürchten muss… Die Schule des Lebens!
Nicht alle Besucher (und davon gibt es viele, die allesamt mit Tauch- und Ausflugsbooten in „unsere“ Ankerbucht transportiert werden, ein richtiger Auflauf…) sind hin und weg, das konnten wir sehen – mehr so wie im Zoo: hin, gucken, abhaken.
Aus unserer Sicht: toll anzuschauen, die Landschaft, all die Tiere – vor allem aber, wenn man sie entdeckt, die Warane im trockenen Gras mit ihrer grau-braunen Färbung. Rami, unserem Führer vom ersten Spaziergang durch den Wald, den wir gemeinsam mit Lesley und Phil von der SAGATA und Schwester/Schwager machten, gelang das schon hervorragend, aber da wir angekündigt hatten, auch die „lange Wanderung“ unternehmen zu wollen, hatte man uns für den zweiten Tag Rahman zugeteilt, und der war wirklich ein Wunder an Augenschärfe. Fast gefiel uns der Gang durch die offene, savannenartige, wenn auch sehr trockene Landschaft mit den vielen Palmyrapalmen (aus denen man eine grässlichen Schnaps brennt, den Arrak…) besser als der Waldspaziergang; vielleicht auch, weil wir nur zu zweit mit Rahman liefen – der Wald ist derzeit zwar günstig, um im trockenen Unterholz Tiere zu sehen, aber wegen der Trockenheit auch nicht so ansehnlich. Rahman zeigte uns viele andere Tiere, Hirsche, Büffel, Affen, Vögel. EIn riesiges Bienennest oben in den Baumwipfeln! Und als Sahnehäubche n hatte er auch allerhand aus dem Leben auf Rinca (sprich: Rintscha) und auf Flores zu erzählen, angefangen vom Wert der Wasserbüffel als Brautpreis bis zum neuen Präsidenten als Hoffnungsträger für Indonesien… Zu Besuch bei den Landkrokodilen. Wirklich lohnend!
PS: Andreas hat ein paar schöne Bilder gemacht, aber die kommen erst, wenn es wieder Telefonabdeckung = Internet gibt!



