In der Nähe von Teluk Ginggo/Rinja, 8.9.2014
Das Wasser gurgelt unglaublich! Wie in der „Bay of Islands“ in Fijis Lau-Gruppe. Vollmond naht, es strömt schon wie Ochse, und die Flut klatscht unter die ausgehöhlten Korallen am Ufer – ein unaufhörliches Geschwätze und Geschmatze.
Wir liegen hier allein – die große Bucht auf der Westseite der Insel Rinja ist in viele, einzelne Buchteinschnitte geliedert – hätten wir weniger Tiefgang, hätten wir auch noch weiter hinein fahren können. Gestern haben wir uns von der Ranger Station in Lehok Buaya hierher verholt: „die paar Meilen“, 14 genauer gesagt, hätten auch wieder ganz schön lang dauern können, hätten wir nicht mit dem Glück der Dummen die richtige Tide getroffen – hier drinnen schwätzt und schmatzt es, draußen schwurbelt ein gewaltigen Tidenstrom, der uns mit 7-8 Knoten, in Spitzen über 9, nach Süden drückte. Die entstehenden „races“, zu deutsch: Kabbelungen, sind immer ein gewaltiger Anblick, und von der Bootsgeschwindigkeit konnte man auf bis zu 5 Knoten Strom schließen. Äußerst mühsam, wenn man es nicht erwischt! Der Witz ist, dass es heißt, man solle auf den Strom achten, aber niemand kann wirklich genau sagen, in welcher Richtung der Strom wann setzt. Wir jedenfalls waren ges tern mitten im Ebbstrom, und der setzte zwischen Rinja und Padar nach Süden. Punkt.
Abgesehen vom Gurgeln ist es in dieser Bucht wunderbar ruhig – eigentlich der erste der indonesischen Ankerplätze, wo man eine ganze Nacht lang keinen Außenborder von Fischerbooten hörte, kein Licht war zu sehen außer dem Mond. Gestern nachmittag kam mal ein Fischer vorbei, der auch noch „excuse me!“ rief – eigentlich wäre wir es ja wohl, die sich für die Anwesenheit in seinen Fischgründen entschuldigen müssten. Oder war es ein Wilderer? Wir sind hier nämlich im Komodo National Park und seine jungen Begleiter sahen ein bisschen „huuh“ aus…
Unsere Geschäfte in Labuan Bajo hatten wir zum Freitag abgewickelt. Die Visa-Sache war schnell erledigt, ein bisschen umständlich vielleicht – wir wurden am Donnerstag eigens ins „Kantor Imigrasi“ einberufen, damit wir Quittungen für die eingelieferten Pässe bekämen, was man am Vortag versäumt hatte und nun auch gleich wieder vergaß, weil irgendetwas anderes zu bereden war. Aber Freitagfrüh ging alles rasch – Ivan holt uns mit dem Motorkanu ab, hopp! auf die Ojeks, zack! ins Büro, bezahlen (355.000 Rp. pro Nase), kurze Wartezeit mit Unterhaltung durch 3 Volunteers aus Polen und England, die in gleicher Sache vorstellig waren. Nach einer Weile wird Andreas in den „Behandlungsraum“ gerufen, es schallt lautes Gelächter und Gequatsche. Dann ich – Mann, Mann, biometrische Fotos, da mag man (siehe Australien) gar nicht hingucken, aber wenigstens gab es keinen Ausdruck. Fingerabdrücke waren dagegen lustig, sie wirken ja auch nicht entstellend, und ich konnte die Deutsch stunde, die Andreas offensichtlich angefangen hatte, durch Abfragen der neuen Vokabeln weiterführen: „THUMB – DAU-MEN!“ „SA-MEN!?“ „Nein: DAU-MEN!“ „Ah, DA-MEN!“ „No, that’s something different again…“. Als ich fertig bin, hat Andreas schon ein Händchen auf ein Papier gemalt und ein Merkblatt gefertigt: „DAUMEN, ZEIGEFINGER, MITTELFINGER…“ Hängt jetzt in Labuan Bajo an der Wand. Zum Abschluss noch einmal mit dem neuen Visastempel zur Kopierbude an der Straßenecke (wirklich: das Verfahren wie in Griechenland anno 80!) und dann das Ende vom Lied: wir haben Visa bis Anfang November. Prima und nicht mal so zeitaufwändig wie die Vorwarnungen von Lop To und Forty-Two lauteten.
Die oben angeführten Sprachübungen sind aber nicht die einzigen dieser Tage: ich stelle fest, dass ein Grundwortschatz in Bahasa Indonesia (gleich für Malaysia mit) nicht wirklich unnütz ware. Es gab nämlich plötzlich kein Internet mehr, weil das Datenvolumen, das wir für einen Monat in Kupang erworben hatten, aufgebraucht war, nicht zuletzt wahrscheinlich weil wir in epischer Breite Google Earth-Bilder von den Ankerplätzen angeschaut und für die Verwendung in OpenCPN heruntergeladen haben – auch das übrigens ein tagesfüllenden Geschäft mit den Nerven, bis frau es endlich kapiert hatte. Jedenfalls schickte Telkomsel, die indonesische Telefongesellschaft, nun über die international üblichen „Versende 10 SMS und Du gewinnst ein Popkonzert-Ticket, wenn Du XYZ an 1234 sendest“-Meldungen (Inhalt geraten!) auch solche, in denen eindeutig steht, dass wir noch 0 MB übrig haben. Was tun? Ich hatte es so verstanden, dass man mit dem bestehenden Verrag nicht einfach e inen neuen Monat beginnen kann, sondern auftoppen muss. Sprachhürde 1: gehe zur Telkomselbude und verlange ein Top-Up für das Datenvolumen. Nix verstaan, dies- wie jenseits des Tresens (ein „Grapari“, das sind die Telkomsel-Flagships, oder einen großen Telkomselladen gibt es in Labuan Bajo nicht, nur die Kioske verkaufen – unter anderem, Betonung auf „unter“! – Telefonkram). Ich toppe das Telefon mit den in Kupang erworbenen Scratch-Cards auf, was gut funktioniert, und bestelle auf gut Glück das neue Datenvolumen. Sprachhürde 2: Jetzt sagen die SMS, dass der Bestellprozess läuft, aber nicht abgeschlossen ist. So ungefähr jedenfalls – die Volunteers bei der Immigration sind des Bahasa schon ein bisschen besser mächtig (und haben eine Bahasa-App. Neid!). Wie ich das „Ungefähre“ schätze! Sprachhürde 3: neuer Anlauf für ein Volumen-Topup – nach einer jungen Frau, die mich fassungslos anguckt und ein paar Buden weiter die Straße hinunter verweist, finde ich einen jungen Mann, der etwas Englisch spri cht und der mir 500 MB verkauft für 20.000 Rp., umgerechnet 1,30 ‚¬. Prima. Internet läuft. Eine kurze Weile zumindest, aber dann ist Schicht. Fummel, fummel, großes Rumraten, bis der Eigner vorschlägt vielleicht doch mal die internationale Hotline anzurufen. Drei Anrufe – Hotlines! My favourite thing! „… es widerstreiten mehrere Datenvolumina auf Deinem Account!“, „… da stimmt was mit den Einstellungen am Telefon nicht, prüfe mal APN-Name und Netzwerkeinstellungen!“ – braucht es, bis wir am späten Abend herausgefunden haben, dass wir uns bis zum nächsten Tag (nämlich über den Ablauf des ersten Datenvolumens hinaus) warten sollen, und uns dann wieder melden. Das war dann nicht nötig – als ich tags drauf mit der neuen SIM-Karte, die ich vorsichtshalber für den mobilen Router gekauft hatte, an Bord zurückkehre, läuft auch das Smartphone wieder. Es war wohl tatsächlich einfach die Tatsache, dass man das neue Volumen erst nutzen kann, wenn das Abo-Datum verstrichen ist. Immerhin: ich weiß jetzt ein paar wichtige Worte – hari, der Tag; minggu, die Woche; bula, der Monat. Das Jahr wusste ich schon vorher, denn wir mussten schon zum Geburtstag gratulieren: selamat udang tahun! Tahunan – jährlich, bulayan – monatlich… und so fort.
All das hält die AKKAnauten natürlich nur wenig bei Kräften – man muss auch einkaufen, und ein Hauptinteresse lag in der Beschaffung von Fleisch. Der Markt war olfaktorisch schon so auffällig, dass wir lieber erst einmal die diversen kleinen Supermärkte abklapperten. Chicken Nuggets scheinen hier recht beliebt – aber wenn ich mich an die Bilder, die man so auf Facebook sieht, erinnere (eine Nuggetmaschine, wo oben das ganze Huhn reingeht und unten eine rosa Paste rauskommt?!) sind mir klar erkennbare Körperteile doch lieber. Bei „ROXY“ gab es zumindest „Hühnchenflügel scharf“, die wir ebenso testen wie je eine Dose Corned Beef und Corned Chicken. Ersteres: prima! Nachschub wird beschafft! Letzteres… gaah! Nicht nur, dass das Zeug aus der gleichen Maschine zu kommen scheint wie die Nuggetsmasse, nein, dieses Corned Beef hat nicht mal die in Mitteleuropa (und vor allem vom Eigner) als eklig empfundene Eigenschaft, in der Pfanne zu zerfließen – es bleibt unge rührt in der Pfanne liegen und widersteht jedem Versuch, ihm das extrem Mehlige auszutreiben und etwas Knuspriges draus zu machen. Ein Fall für die Tonne.
Am liebsten wäre mir ein ganzes Huhn. Auf dem Weg vom Kantor Imigrasi in die Stadt kommen wir zweimal an Schildern vorbei, die „Ada jual ayam pedaging“ ankündigen. Das klingt gut, aber was ist das für ein „ayam“, ein Huhn? Ein Hühnergericht? Hühnerfutter? Die Chinesin im ROXY kann Auskunft geben – sowohl was es ist, nämlich ein Masthuhn, wie auch eine Quelle: „… zwei Läden weiter!“ Sie meint aber auch, dass ein ayam kampung besser sei, „… die werden nicht aufgespritzt!“. Na, herzlichen Glückwunsch. Die angegeben Quelle erweist sich als Riesenkramladen, in dem in der Auffahrt gerade große Mengen an Eiern (Tropenregel: Eier müssen nicht gekühlt werden!) sortiert werden, wofür auch immer. Wir linsen in die winzige Kühltruhe. „Raus hier!“
Fündig wurden wir in einem Laden, der als „The Winehouse“ firmiert, eine Tochter des Restaurants Mediterraneo, eines der auffälig vielen italienischen Lokale in Labuan Bajo, aber wohl das „Wasserloch“ für westkranke Touristen und Ex-Pats. In der appetitlichen Kühltruhe fanden sich Salami, Rinderfilet, Lammkoteletts, Hackfleisch von vertrauenswürdiger Qualität. Plus ein Joghurt, der als neuer Joghurtstarter herhalten wird. Und wegen des Huhnes verweist uns die Besitzerin 2 Häuser weiter. Im Eingang sitzen Mutter und Tochter Metzgerin. Der Eigner meint: „… siehste, Lebensmittelbetrieb! Hier wird auf Hygiene geachtet!“ – was er meint ist die gegenseitige Haarkontrolle, die gerade durchgeführt wird, aber eine kleine Entlausungsitzung kann einem zu kaufenden „ayam pedaging“ ja nicht abträglich sein. Die Dame zaubert zwei angefrorene Hühner hervor, mit denen ich abzocke. Mittlerweile ist alles im Glas. Wir sind sehr zufrieden mit unserem ayam, auch wenn es nicht „kampung“ ist, ein Bauernhuhn. Den Leuten in Flores ist das sowieso egal – auf manggiara heißt sowieso eines wie das andere: „manuk“. Huhn.
Gack, gack, gack.
Da es vom Huhn zu den Echsen hinüber evolutionsgeschichtlich nur ein kleiner Schritt ist, werde ich mich mit dem Bericht zu den Komodowaranen beeilen!
Mal gucken ob es eine Funkmeldung wird – Winlink wird deutlich dünner und Internet brauchen die Warane nicht!
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