Georgetown

Noch ein Haufen Glückskatzen für die Leserschaft.

Noch ein Haufen Glückskatzen für die Leserschaft.

Pangkor Island, 6.1.2015

Mit dem neuen Jahr kam der Alltag zurück auf die AKKA. Die Nähmaschine schnurrt, und die Schipperin vertauscht wie immer die Seiten an den zu nähenden Stücken, während der Eigner Dinghymotoren wartet – und er repariert sie anschließend, jedoch nicht weil er ebenfalls irgendwas vertauscht hätte, sondern weil ihm eine abreißgefährdete Schraube ins Auge fiel. „… wo ist denn die Gewindestange…“  So ergibt immer eines das andere.

Seit Samstagnachmittag sind wir zurück aus Penang. Von unserem „Heimatdorf“ Lumut gibt es einen Bus der Firma Sri Maju, der einen in drei Stunden nach Penangs Festlandsvorort Butterworth gondelt. Bis auf die Überquerung von 3 Meeresarmen mit beträchtlichem  Containerverkehr und Werftanlagen beschränkt sich das Sightseeing auf ländliches, plattes Malaysia. Immer schön durch die Palmölplantagen. Am Busbahnhof angekommen stapft der Rucksackträger, wenn er nicht

Street Art zum Mitmachen!

Street Art zum Mitmachen!

gerade Geld für einen Umweg und ein Taxi ausgeben und die Insel über eine der beiden Brücken erreichen will, in Butterworth geschwinde die direkt am Busbahnhof gelegene Fährbrücke hinauf und wartet auf eine der vielen Fähren, die die Insel Penang mit dem Festland verbinden. Gelegenheit zum local tourist-Gucken, ein paar Backpacker eingeschlossen; die Fahrt dauert ungefähr 15 Minuten, kostet 1,20 Ringgit (die Sperre öffnet schon nach 60 Senti, weil sie nicht weiß, ob man Senior, behindert oder vielleicht Mutter mit Kind ist…  Praktisch!).  Einen Block weit buckeln wir die Rucksäcke an endlosen Autoschlangen entlang und schlagen uns bei erster Gelegenheit in die abgasfreien Nebenstraßen.  Malaysia ist wirklich weit entwickelt – man erkennt es am stockenden Autoverkehr, aber in den Seitenstraßen geht schon der Weltkulturerbe-Betrieb los, die ersten staunenden Touristen lassen nicht lange auf sich warten.  Erster Eindruck: das ist sehenswert, und Malakka fällt dagegen stark ab…

Unser Hotel, das Armenian House liegt, wie man sich denken kann, in der Armenian Street und ist eines der typischen alten Geschäftshäuser, sehr tief mit schmaler Straßenfront. Khim begrüßt uns fröhlich, sie schmeißt den Laden. Klein und drahtig, in T-Shirt und abgeschnittenen Jeans-Pants wetzt sie hin und her und vor uns die Treppe hinauf, die eher eine Stiege ist.  „… leider habe ich noch keine Handtücher für Euch, macht Euch das was aus?“  Nein, natürlich nicht.  Schönes Zimmer, das sich in den Innenhof öffnet, nun ja, Innenhof… ein 6 x 6 m Schacht, halt so, wie das in diesen alten Häusern ist. Unten, im Café steht ein kleiner Steinbrunnen, das Plätschern dringt bis zu uns herauf und lockt uns gleich auch wieder die Treppen hinunter – wir haben Käsekuchen gesehen und Kaffee gerochen.  Wirklich nett – und besonders nett, weil es sich wohl um einen typische chinesischen Multigenerationenbetrieb handelt. 2 Brüder kümmern sich überfreundlich um uns, kleinere Jungs im Schul(ferien)alter rennen durch die Gegend, Großmutter  wischt die Tische, wenn sich nicht gerade eines ihrer ausgiebigen Schläfchen hält. Auch der Kaffee kommt eindeutig aus der Hand einer kleinen Schwester oder Nichte – es ist schwer, die Übersicht über die Familienverhältnisse zu behalten.

Boo Hong. Zur eng für den Rikschaanhänger...

Boo Hong. Zur eng für den Rikschaanhänger…

Wir unternehmen einen ersten Gang durch die Nachbarschaft. Gleich vor der Tür stapeln sich regelmäßig die Touristen: Georgetown hatte 2012 ein „Straßenkunst“-Projekt veranstaltet und über die ganze Altstadt sind Wandmalereien und … Skulpturen (?!) verteilt. Ich kapiere zunächst gar nicht, was ich hier sehe – klar, schräg gegenüber vom Eingang eine Wandmalerei von einem chinesischen Tanzlöwen, aber diese „Malerei“ von der Rikscha, die mit der Ladung in der engen Gasse hängenbleibt?!  Erst an der nächsten Darstellung – die Sonne steht schon ein bisschen tiefer –  geht es mir auf: hier sind aus flachen Eisenbändern Figuren gebogen, die in geringem Abstand vor der Wand stehen – jetzt erkennt man  die Schatten…
Auf diese Weise wird einem ein bisschen

Personalunion! DIe 1. Polizei wurde aus Strafgeldern der Geheimgesellschaften finanziert...

Personalunion! DIe 1. Polizei wurde aus Strafgeldern der Geheimgesellschaften finanziert…

Stadtgeschichte beigebogen, Kulturzusammenhänge, Sozialgefüge – ich finde das sehr schön gemacht, der Eigner ist nicht gerade so sehr aus dem Häuschen und schaut sich derweil Nachbars alten Volvo Amazon-Modell an, das abgedeckt vor’m nächsten chinesischen Familienbetrieb steht, einer Eisenwaren- und Zigarettenverkaufsstelle).  Die Wandgemälde sind teilweise halb plastisch, mit Betonung auf „halb“, denn man findet halbe Motorräder, Fahrräder, Kinderschaukeln und anderes in die Bilder integriert.

Der Spaziergang endet am Tandoori-Restaurant „Kapitan“, offensichtlich bei den Hiesigen sehr beliebt, und das nicht zu Unrecht.  Briyani-Reis und Tandoori-Chicken sowie ein Butter Chicken gibt es zur Nacht, und wir werden nicht das letzte Mal dort gewesen sein.

Herrn Neubronner...  Architekt der Kapitan Kling Moschee und vieler Banken...

Für Herrn Neubronner… Architekt der Kapitan Kling Moschee und vieler Banken…

Zu sehen gibt es hier immer was – wir verbringen die Tage mit langen Spaziergängen zwischen Moderne, britischer Kolonialgeschichte, im Klartext: zwischen Mall (…man muss ja auch mal abkühlen), alten Bank- und Verwaltungsgebäuden, noch älteren chinesischen Geschäftshäusern und dem indischen Alltagswahnsinn in „Little India“. Hatten wir zwar in Singapore auch, aber hier ist letzteres eindeutig schöner. Mehr Bollywood aus Riesenlautsprechern, mehr Farbenpracht in den Sariläden,

Klar definiert! Meeresfrüchte aus der Garküche

Klar definiert! Meeresfrüchte aus der Garküche

mehr Duftschwaden aus den Gewürzgeschäften, und über allem hängt immer wieder Weihrauch, der in Tempeln und Schreinen abgebrannt wird. Silvester und Neujahr sind hier nicht ganz so wichtig, es kommt ja noch das chinesische Neujahr (das es ist der zweite Neumond nach Wintersonnenwende, dieses Jahr am 19. Februar), aber gefeiert wird natürlich trotzdem und die Stadt ist voller malaysischer Ferien-Familien. Seifenblasenkanonen für Kinder sind eine ganz große Sache. Man hockt auf der Hafenmauer und isst Definierbares und Undefinierbares aus Zeitungspapier, das man in einem der Food Courts erworben hat, Ansammlungen von Straßenküchen. Für uns bieten sich da eher Trink-Kokosnüsse an, hygienisch und ökologisch unbedenklich (ein Wahnsinn, was hier an Plastikflaschen so über die Wupper geht!).  Während Georgetown überwiegend von Chinesen und einem kleinen Teil Inder beherrscht und gemanagt wird und sich das Alltagsstraßenbild auch kleidungsmäßig westlich oder eben indisch darstellt, bieten die Touristen aus Festlandsmalaysia vielfach alle Formen der Verschleierung. Von „Jilboob“ über Jilbab zum Niqab, um mal auf die Frauen abzuheben.  Ihr seht, die Schipperin hatte wieder was zum Gucken.
In gewisser Weise erinnert Georgetown an Singapur, und geschichtlich sind beide nicht unähnlich: beides sind vom Festlandsmalaysia getrennte Inseln, auf beiden haben die Briten haben ein bisschen Kolonialgeschichte geschrieben, nicht so viel, aber nachdrücklich. Die Chinesen haben die Geschäfte gemacht, und zwar die ganz großen; die Bevölkerungsgruppe der früher schon beschriebenen Baba&Nonya, die so genannten „Straits Chinese“ gaben und geben den Ton an. Das stellte für das „malaiische“ Malaysia durchaus ein Problem dar, so sehr sich die Ethnien auch angenähert oder gar gemischt haben mögen.  Der große Unterschied zwischen Singapur und Penang ist, dass die große Schwester Penangs 1965 aus dem malayischen Staatenverbund – bestehend aus der Halbinsel mit Westmalaysia und dem ostmalaysischen Teil auf Borneo – ausgeschlossen wurde; der Gouverneur Singapurs hat damals beim Verlesen dieser Nachricht bittere Zähren geweint… Heute möchte man aus ökonomischer Sicht vielleicht sagen: Glückwunsch, Singapur – dumm gelaufen, Malaysia.  Und worum ging es bei dieser Entscheidung?! Der Verbleib einer solch großen chinesischen Gemeinde wie die in Singapur im Verbund hätte eine chinesiche Bevölkerungsmehrheit ergeben. Ganz so locker geht es in diesem lockeren Völker- und Bekleidungsgemisch dann doch nicht zu.

Hier wird nicht geknutscht!  Nationalparkregeln

Hier wird nicht geknutscht! Nationalparkregeln

Also, man konnte sich schwindelig gucken in Georgetown, und es war unbedingt einen Besuch wert. Damit uns nicht ganz schwindelig wurde, haben wir aber noch ein Stückchen nicht-städtisches Penang angesteuert. Mit dem Bus aus der Stadt hinaus. Khim hatte auf die Frage, ob wir lieber zum Penang Hill oder zum Nationalpark fahren sollten, letzteren empfohlen, und das war eine prima Empfehlung. Segler stolpern über Dschungelpfade, frische Luft und wenig Menschen… 5 km an der Küstenlinie auf und ab, gelegentlich hörte man die Taxiboote, die die lauffauleren Touristen zum Monkey Beach schafften. Ein bisschen spät waren wir dran, aber wir haben ihn dann noch geschafft, den Leuchtturm auf dem Muka Head, was heißt: zum Abschluss noch 1200 m gerade bergauf. Darauf reimt sich „schnauf“… Na gut, der eine ist bergziegenartig hinauf gesprungen, aber wir hatten doch leichte Segler-Puddingbeine und haben uns den Luxus einer Rückfahrt im Taxiboot gegönnt.  Sehr empfehlenswert!

Und das war es dann auch schon fast. Das letzte Abendessen – längerer Fußmarsch durch die  Stadt, weil wir früh aus dem Bus gestiegen waren in der Hoffnung auf ein schönes Chinesenlokal; wir hatten in der Gegend schon einen tollen Lunch in einer Garküche genossen – gab es im „China House“. Hinein mit den müden Beinen! Tja, nicht was man so denkt…  Das Restaurant glänzt mit etwas, was man wohl „Western Fusion“ nennt, nix wirklich Chinesisches, aber immerhin geschmacklich sehr ansprechend; das Huhn „Langkawi Art“ mit grünem Mangogemüse und Kürbis war extrem lecker, und die Vorsuppen auch. Es war dann auch gleich das teuerste Essen seit Seglergedenken (wir denken nicht so lang zurück, aber bis Australien muss es schon reichen, das Gedächtnis). Der Eigner maulte ein wenig an der übersichtlichen Portionsgröße herum, aber wir waren doch zufrieden und so gut gefüllt, dass wir dem eigentlichen Wunder dieses Wunderhauses – es ist nämlich ein Haus das Galerie, Kunsthandwerk, Restaurant, Café und Kneipe eint – zusprechen konnten. So eine Tortenauswahl haben wir nicht mal bei unserem Deutschlandbesuch gesehen, und was für welche! Von „Sacher“ über Apfelstrudel bis „Italian Cream“ … Die Bäckerei „Beach Street“ (das China House liegt ebendort, in der Beach Street=Lebuh Pantai) scheint ein rechter Renner zu sein – man konnte sich auch am Abend kaum an den Käufern vorbeiquetschen. Ist schließlich ein chinesisches Stadthaus, ich sagte es ja schon: sehr tief, aber sehr schmal.

Und wann gibt es den nächsten guten Kuchen? Wir haben keine Ahnung und lassen uns überraschen. Wie wir uns von unseren Plänen überraschen lassen, die sich täglich im Kreise drehen. Weiter nach Norden werden wir jedenfalls nicht segeln, so viel steht fest – die LOP TOs haben uns in unserer Entscheidung bestätigt. Irgendwann geht es mit dem Rucksack auf die Bahn, das ist klar, und im Juli zurück nach Singapur und zur Sunda Strait.
Bis demnächst dann!

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