Pangkor, 30.4.2015
… ja, ja, ja, langweilig. Immer noch Tropenkoller und Klein-Klein-Arbeiten. Was die Hitze betrifft, hatten wir vor 2 Wochen kurz die Idee entwickelt, uns ein mobiles Klimagerät an Deck zu stellen, weil es doch manchmal lästig wird, vor allem wenn es am späten Nachmittag mal nicht abgekühlt ist, und die Venitlatoren über den Kojen nur die warme Luft durch die Gegend wirbeln. Aber es kühlt ja doch meistens nachmittags ab, mit zäng, bäng, Blitz und Donner, insofern haben wir uns, nachdem wir das Trumm gestern besichtigen konnten („… wie kriegt man so etwas überhaupt an Deck gehievt?! Kran vielleicht?“), entschieden, weiter vor uns hin zu schwitzen. Zumal sich der Eigner gern eine Aircondition-Erkältung holt.
Aber nun zum Kugeln.
Taxi nach Manjung mit Krishna, unserem tapferen Taxifahrer, dem wir kürzlich mit dem Einkaufswagen des Supermarktes eine Delle in die C-Säule praktiziert haben. Er ist trotzdem (oder wegen des dadurch verdienten doppelten Wegelohnes?!) unbeirrt und kommt, wenn man ihn ruft, meist sofort, ungeachtet irgendwelcher Zeitvorgaben. Aber es ist ja auch egal, wo wir warten, am Schiff oder am Zielort… Umgekehrt bestellt er einen Kollegen gern irgendwo hin, wo wir dann gar nicht abgeholt werden wollen – ein Vabanque-Spiel: bestellen wir Krishna kurzfristig „für sofort“ und er ist möglicherweise nicht verfügbar oder lieber mit Zeitvorgabe, die er ignoriert?! Familienanschluss ist mittlerweile gesichert, ich weiß schon, dass seine Frau das Geld für die Wasserfilteranlage für Goldschmuck ausgegeben hat, oder wer welches Kind welchem kinderlosen Paar zur Adoption gegeben hat. All die wichtigen Sachen eben; kurz: mit Krishna gibt es immer was zum Kugeln.
Gestern war aber Kugeln in Ipoh angesagt, wegen unserer Genua-Rollanlage. Die hatten wir nach der Montage der Fußreling wieder angebaut, mit dem Ergebnis, dass der Eigner ein sehr langes Gesicht machte: sie drehte sich nämlich überhaupt nicht. Null, nicht mal mit Gewalt. Nicht, dass uns dieses Problem völlig unbekannt wäre, schon in Brisbane hatten wir den Rollmechanismus aus einer gewissen Schwergängigkeit losgebrochen, aber danach… „… geht doch!“, und hier in Pangkor hatten wir eine WD40-Badekur verordnet. Die Lager ließen daraufhin einiges an Rostbrühe unter sich – richtig, eigentlich ein schlechtes Zeichen, und nun war es so weit, nichts geht mehr. Vorstag wieder abmontieren. Dazu muss man sagen: das Montieren ist ein Ast, schließlich muss dazu der Mast leicht nach vorn geneigt werden, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, drum macht diese Arbeit besonderen Spaß, wenn man sie umsonst getan hat. Eigner in den Mast kurbeln, Vorstagprofil aushängen, danach das lange Teil vorsichtig zu Boden – genauer gesagt: zu Schotterplatz, schön staubig! – lassen, da lag es dann, 16 m lang. Die Lager waren – der Eigner ist zwar kühn, aber man zögert ja doch, ein Sicherungsblech (vorschriftsgemäß!) anzusägen – schnell geöffnet, die ersten Kugeln rollten uns flott entgegen, die untere Charge unversehrt. Und dann das zweite Lager: „… hach!“ macht die Schipperin, die die Kugeln säubern soll, „… ich glaube, die müssen wir ersetzen!“ Schöne Rostnarben haben sich da eingefressen, an allen 23 Kügelchen. Na, super. Reise ins Internet: wo bekommt man Ersatzlagerkugeln? Alles sprach für die nächstgrößere Stadt, Ipoh, aber Akina aus dem Marinabüro telefoniert kurz und verspricht: „Southward in Sitiawan hat so was. Am Hafenkapitän vorbei und dann kurz vor dem Icy Scoop Restaurant!“. Auftrag an Krishna, den Taxifahrer…
Was uns ja immer wieder begeistert sind die Shopping-Überraschungen in einer Umgebung von wild durcheinandergewürfelten Läden wie eben in dieser Flächengemeinde Manjung/Sitiawan. Southward… hmm. Auf den ersten Blick ist die Hoffnung nicht groß: eine Rummelbude hinter einem dieser malay-typischen Garagentore. Fette, Schläuche, Keilriemen. Aber die junge Chinesin sagt: „Bearing balls?“, greift hinter sich und hält eine Plastikschale in der Hand, in der Kugeln aller Größen umherkugeln. Na gut, sie hat keine 6 mm-Kugeln, schon gar nicht 50 Stück, wir können uns nicht mal auf einen gemeinsamen Durchmesser der Musterkugeln einigen (wenn man an den Rostkratern misst, wird, Überraschung, der Durchmesser geringer!), und bestellen mag sie 50 Kugeln auch nicht so ohne Weiteres. Expedition abgeblasen, auch ihr Tipp ist “ … go to Ipoh!“
Am Folgetag Taxi zum Busbahnhof, 2 Stunden mit „Roadways“ durch die Palmhaine nach Ipoh geholpert. Ein schöner Bus, an dem man mal wieder sehen kann, wie lange Krüge zum Wasser – oder eben Busse nach Ipoh – gehen, ehe sie brechen. Erste Aufgabe dieses Ausfluges war, Geld zu einem Zubehörhändler in Singapur zu schaffen, für Kleinteile, die bei der späteren Komplettierung des Vorstages notwendig sind. Gar nicht so einfach! Die bezogene Bank OCBC ist zwar in Ipoh vertreten, aber sie nimmt keine Bargeldüberweisungen vor, und wir haben kein OCBC-Konto. Wie schon am Vortag in Manjung leere Gesichter bei der Public Bank schräg gegenüber, aber bei RHB geht es dann. Wir haben zwar jetzt ein Guthaben bei MarinTech in Singapur, weil RHB nur Barbeträge über 500 Ringgit annimmt, aber geschafft ist geschafft.
Nächstes Ziel die „Perak Motor Company“, der offizielle Vertreter für SKF-Lager. Wie schon oben angedeutet ist das Geschäftegewusel auch hier unübersichtlich und verwirrend, so freut es einen dann, wenn man zwischen Sari-Läden, Juwelieren und allerlei Kleinhändlern dieses vertraute blauweiße Logo sieht: Svenska Kullager Fabrikken. SKF. Toll. Der mit dem Fall beschäftigte Chinese (in Ipoh ist man zu 70% chinesisch!) verschwindet im Lager und kehrt mit einem Tütchen Kugeln zurück. Déjà vu – der Durchmesser ist nur ungefähr 6 mm, manche auch nur 5.5 mm, und die Kugeln, die auf dem Zeitungspapier vor uns kullern, sehen ein bisschen „angelaufen“ aus. So angelaufen, dass der Eigner nach unserer Fummel- und Zählaktion mit den schweißklebrigen Fingerchen für die Restbestände ein WD-40-Bad empfiehlt. „Gibt es noch andere Anbieter in Ipoh?“ „Nooo…“, also beißen wir in den nicht allzu teuren Apfel und nehmen 50+ Kugeln mit annähernd passendem Durchmesser mit. Wird schon gehen… Nun hatte unsere Internetreise noch weitere Adressen ergeben, und ein Taxifahrer soll uns zu MegaMech bringen. Danke, danke an wen auch immer für das Sony-Tablet-Telefon, mit dem man heutzutage kontrollieren kann, wo ein Taxi umhergurkt, denn an einer Ecke jubele ich aus dem Fond „… hier!“ , ich sehe in der Ferne Megamech-Reklame, aber das Taxi steht unter einem großen NSK-Schild. Nippon SeikÅ Kabushiki-kaisha, japanische Präzisionsteile, unter anderem auch Lager, und wenn man sich umschaut: eine ganze Straße voller Präzisionstechnik. So viel zu „… andere Anbieter gibt es nicht..:“ Eigentlich logisch, hier hätten wir auch keinen Interessenten hingeschickt: wohin man schaut NTN und FAG und TIMKEN, nicht zu vergessen SKF. Und wir werden fündig, in einem richtig schönen, geordneten, sauberen Ladengschäft der Firma SLS, wo es gut nach Öl und Metall und Verpackungsmaterial riecht. Die Kontrolle, ob der Durchmesser der blitzenden Kügelchen wirklich 6.0 mm ist, ganz ohne Zeitungspapierunterlage, obliegt der Schipperin, während der Eigner mit dem Owner über analoge und digitale Schieblehren scherzt und sich den Kundenkreis dieser Anhäufung von technischen Läden erklären lässt. Ganz einfach: die Marine, die Werften… Die Zinnindustrie, die Ipoh mal reich gemacht hat, ist längst den Bach hinunter, aber Kugeln, das geht immer. Auftrag erledigt. Zurück nach Lumut – der Bus noch sehenswerter als der auf dem Hinweg; Andreas fragt sich, ob er unseren Überschuss an ungefähr passenden Kugeln vielleicht für die Radlager des Busses spenden soll. Das ganze Fahrzeug, auch der Motor, ächzt und stöhnt, im Stillen rufen wir ihm zu: „Halt durch!“, und als ein Gewitterregen niedergeht, muss ich mich umsetzen. Es regnet durch’s Dach. Zum Kugeln!


