Das Letzte zuerst…

Pangkor Marina, 27.6.2015

Die Woche ist um, und ich wollte so gern zeitnah aus Kambodscha berichten, aber das hat nicht geklappt. Die AKKA ist voller Löcher, denn der Eigner hat im Schweiße nicht nur des Angesichtes zahlreiche (jawohl, eine HR42 E hat zahlreiche!) Seeventile ausgebaut, wir haben Ersatzteilpakete ausgepackt, fehlende Teile gejagt, außerdem gab es diese Woche keinen Mittwoch, denn am Mittwoch sollten eigentlich die frisch lackierten Bodenbretter wiederkommen, und ohne Bodenbretter und Niedergangstreppe ist jeder Gang ins und durch’s Schiff ein Akrobatikakt. Nicht geschwindigkeitsfördernd… Kein Mittwoch, keine Bodenbretter. Oder umgekehrt. So ist sie eben dahin, die Woche, und jetzt kommt als Erstes gleich das Letzte, nämlich der Bericht aus Phnom Penh.

Kambodscha ist so sehr groß nicht – ungefähr halb so groß wie die Bundesrepublik, dafür aber ein hübsches Ei – will sagen, wenn denn Straßen existieren, kommt man leicht von A nach B, und es gibt reichlich Busse, die die Strecke von Siem Reap nach Phnom Penh befahren. Zur Regenzeit hätte man sogar ein Schiff auf dem Tonle Sap nehmen können, dem großen Binnensee, und dann auf dem Mekong direkt in die Stadt, zur Zeit aber nicht – die Regenzeit hat zwar begonnen, aber ohne Regen (nicht besonders verwunderlich, denn wir haben El Ninho…). Direkt gegenüber vom 7Candles Guesthouse fährt ein Bus los, praktisch, außerdem verdienen wir uns bei Ponheary Ly gleich noch ein paar Pluspunkte, denn der Bus ist „normal“, wir fahren mit die Leut‘, nicht mit den Touristen. Gut. Es rappelt ganz schön, selbst auf dieser vielbefahrenen Straße ist es mit dem Aufarbeiten der Infrastruktur noch nicht sehr weit gekommen, und in der wirklichen Regenzeit… uiuiui! Nach 7 Stunden und einem Zwischenstopp mit gerösteten Käfermaden, frittierten Heuschrecken und German Backpacker-Girlie-Kontakt – irgendwie sind wir doch merkwürdige, bestaunenswerte Tiere, in deeeem Alter mit dem Rucksack statt betreutem Reisen! – öffnet sich der Blick auf ein bisschen Skyline, den Mekong, eine Flussbrücke, und wir sind da. Das wohlig-gruselige Stadtgewuselgefühl schlägt sofort zu, wir marschieren die paar Kilometer durch’s Gewühl, die Seitenstraßen von Phnom Penh bieten alles, Garküchen, fliegende Friseure, sehenswerte Polster- und  andere Werkstätten, ganze Hauszeilen voller Apotheken, eine an der anderen.  Und so weiter. Unser Guesthouse liegt in einem seltsamen Vergnügungs- bzw. Hotelviertel, hier knubbeln sich die Touristen; die Zimmerqualität ist „klein, aber geht schon“, nach 7Candles sind wir ein bisschen verwöhnt. Immerhin gucken wir auf andere Dächer statt in eine der engen Schluchten, die sich hier zwischen den Hauswänden auftun. Wir entdecken ein nettes Café in der Nähe, das uns ein gutes Frühstück serviert, dabei kann ein Teil der Crew Straßenverkehr (wunderbar!) und Mönche beim Almosenempfang bestaunen, während der andere Teil mit den Bedienungen charmiert – sie ist wieder da, die Niedlichkeit der asiatischen Frauenwelt. Ich sollte mir wirklich die Haare hochstecken und ein Blütenkleidchen mit Rüschen zulegen. Garstig.

Wir durchwandern die Stadt, essen Khmerküche in einem doofen Touristenlokal direkt gegenüber, und als wir unsere eher gemischten Gefühle dem Mann an der Rezeption gestehen, lenkt er uns für die Folgeabende in ein Lokal ohne Namen gleich um die Ecke „… das kann ich aber nicht laut sagen, das gibt Ärger mit den Nachbarn…“. Wenn man dort erst einmal die Sprachschwierigkeiten überwunden hat – diese Schwierigkeiten liegen ja zuallererst auf unserer Seite, denn Khmer is‘ einfach nicht, man ist dankbar für jedes englische Wort, das unsere Gegenüber  herovrbringen! – kriegt man dort wunderbares Khmeressen zu geringen Preisen. Den Königspalast besuchen wir – das Attraktivste daran ist eigentlich der Gang durch die Straßen und das Spießrutenlaufen durch die „TukTuk“-Anbieter. Mittlerweile ist es ja hier wie anderswo, in arabischen Souks oder karibischen Souvenirmärkten: das Gezerre um die potenziellen Käufer hat deutlich nachgelassen, denn der moderne Mensch, sei es Verkäuferin oder Tourist Tout, ist derartig auf sein Smartphone konzentriert, dass vorbeischlendernde Touristen an Wichtigkeit verloren haben. Dennoch ergeben sich angesichts der Masse der zur Verfügung stehenden TukTuks viele lustige Gespräche, denn „no – thank you!“ kann ja eigentlich nicht ernst gemeint sein, und vielleicht kann man doch für morgen noch eine kleine Tour verabreden?!  Vielleicht zum Königspalast? Logisch, wir stehen gerade davor… Nun, also, der Palast ist wie viele andere und Bangkok dann doch sehenswerter.

Regelwerk

Regelwerk

Was erwarten wir also eigentlich in Phnom Penh, außer kambodschanische Großstadtluft zu schnuppern? Natürlich das, was die meisten Touristen hier erwarten. Khmer Rouge-Geschichte. Wir kriegen gerade eine Mail aus Australien, dass man Phnom Penh ausgelassen habe, weil man ja von den Grausamkeiten der Roten Khmer schon gehört habe –  das ist natürlich auch eine Herangehensweise, nicht aber unsere. Das Guesthouse vermittelt uns an John, einen TukTuk-Fahrer, der uns zu den beiden wesentlichen Punkten der Pol Pot-Vergangenheit hier im Stadtgebiet führen soll, das ist das „Killing Field“ Choeung Ek und außerdem Tuol Sleng, eine ehemalige Oberschule, die man 1975 fix in  das Foltergefängnis S21 (Sicherheitsbüro 21 – man beachte die Nummerierung, die steigt auf über 300…) gewandelt hatte. Was wir sehen, ist nicht in Worte zu fassen – man muss es halt gesehen haben und gehört, was unsere Führerin zu den Gebäuden und Fotografien zu sagen hat. Wirklich erschütternd, zumal sie selbst die Pol Pot-Zeit und die Feldarbeit auf dem Land gerade soeben überlebt hat; nicht jedoch der Rest ihrer Familie – Intelligenz, sehr verdächtig, eine Fremdsprachenlehrerin und ein ebenfalls studierter Parlamentsabgeordneter. 17.000 Gefangene sind für Tuol Sleng gesichert, die Zahl ist aber wohl höher – von den maximal 20.000 haben insgesamt 7 (sieben!) Personen den Aufenthalt in diesem Gefängnis überlebt; zwei davon sitzen tagsüber im Hof und stellen sich den Fragen von schockierten Besuchern. Einer von ihnen hatte sich als Portraitmaler angedient und nach der Befreiung begonnen, das Gefängnisleben in Bildern zu dokumentieren. Man mag nicht hinschauen…  Mit Bitterkeit schließt unsere Führerin die Runde vor einem besonders grausamen Bild ab: „… sie haben die Bauern dazu gebracht, uns Städter umzubringen. Für nichts – die waren damals 14 oder 20 Jahre alt. Dass sie noch leben, nennt man Freiheit…“  Wirklich bitter.

Bedröppelt schwingen wir uns auf das geduldig wartende Tuktuk und werden zum nächsten Punkt gefahren, im Endeffekt ist das der Weg, den die besagten 20.000 Gefangenen aus Tuol Sleng nachts gekarrt wurden: zum „killing field“, der Hinrichtungsstätte mit Massengrab.

Choeung Ek ist ein ehemaliger, kleiner Friedhof der chinesischen Gemeinde und so abgeschieden und ruhig, dass man das Gelände mit einem hohen Zaun umgeben konnte, dazu wurde ein Geräuschschirm aus revolutionären Liedern und Reden gespannt. Die Menschen hier wurden übrigens nicht erschossen – eine Kugel wären sie nicht wert gewesen. Nein, sie wurden erschlagen. „Neue Leute“, also die Städter, wurden mit der Aussage bedacht: “ … es ist kein Verlust Dich zu verlieren, und es ist kein Gewinn, Dich zu behalten!“
Ein wirklich gut und eindrücklich gemachter Audioguide führt einen über 19 Punkte durch das Gelände, das aus einer zentralen Stupa mit Tausenden von Totenschädeln aus den Gräbern und den umgebenden Massengräbern besteht. Außer Sachinformation zum jeweiligen Punkt kann man Hintergrundgeschichten und Interviews anhören, der Besuch kann sich also, wie in unserem Fall, in die Länge ziehen. „Don’t step on bones“ wird man nicht ohne Grund gebeten, denn Knochen und Kleidungsreste werden zwar regelmäßig entfernt, aber jeder Regen spült immer noch neue nach oben. Was für ein Wahnsinn. 20.000 Massengräber in Kambodscha. Über 300 Foltergefängnisse. Die Großstadt Phnom Penh wie alle anderen Städte innerhalb von 3 Tagen völlig geleert, Handel, Schulbetrieb, professionelle medizinische Versorgung, individuelle Kleidung oder auch nur das Tragen einer Brille – alles verboten. Wahnsinn auch in dem Sinne, dass nach der Befreiung=Besetzung durch die Vietnamesen Ende 1979 die westliche Welt bis hin zur UNO fröhlich an dem Glauben festhielt, dass es zwar eine Schreckensherrschaft gegegeben habe, aber dennoch die Exilregierung, bestehend aus nationalistischen Kräften und eben genau diesen Khmer Rouge, die rechtmäßige Regierung von Kambodscha sei; ein ganz besonderer Auswuchs des „Kalten Krieges“. Auch nach Abzug der Vietnamesen 1988 hatte der Schrecken, nämlich der Guerillakrieg der Roten Khmer, erst ein Ende, als die Schlüsselfigur Pol Pot aus dem Leben schied, am 15.4.1998, wie auch immer das geschah. Ich frage mich die ganze Zeit, ob der Kremierungstermin am 17.4. 1998, auf den Tag 23 Jahre nach der Besetzung Phnom Penhs, nicht eine letzte Ehrbezeugung für einen Wahnsinnigen war.  Die Parteigänger  der Roten Khmer rekrutierten sich zum großen Teil aus Kindersoldaten ohne jegliche Schulbildung, die Handvoll Anführer, von denen die letzten beiden im erst 2014 vor Gericht gestellt wurden, gehörten allesamt der verhassten Elite, den „neuen Leuten“ an. Vom 17.4.75 bis zum Weihnachtstag 1978 dauerte die Herrschaft,  in knapp 4 Jahren wurden 25% der Bevölkerung Kambodschas ausgelöscht. Wie kann so etwas passieren? Wird es wieder passieren – oder tut es das gerade im Nahen und Mittleren Osten?

Wir sind noch immer schockiert, auch über unsere eigene Unwissenheit. Ich lese gerade „Stay Alive, My Son“, ein sehr interessantes Buch von Pin Yathay – das Besondere daran ist, dass er einer der wenigen Autoren ist, die diese Zeit im Erwachsenenalter er- und überlebt haben. Auch dieses Buch ein erschütterndes Zeugnis, denn auch Pin  ist der einzige Überlebende seiner Familie.

Das war dann das Letzte aus Phnom Penh, und das kam als Erstes, damit ich mit dem Rückblick auf  Koh Ker etwas positivere Töne anschlagen kann.

Unglaubliches

Eingewurzelt

Eingewurzelt

Phnom Penh Airport, 19.6.2015

Ganz schön viel Unglaubliches in und über Kambodscha. Wo anfangen?

 O.K.  In Siem Reap also, das den Ankömmling zunächst einmal mit einem nicht erwarteten Aufgebot an Läden und vor allem Hotels überrascht. Die Stadt lebt vom Tourismus und ist, wenn man mal von Zielen wie ein paar Inseln im Golf von Thailand oder Sihanoukville absieht, der Publikumsmagnet Kambodschas: das berühmte Angkor Wat  müssen eben alle gesehen haben. Mr. Thanh, unser Guide, spricht von 6000 Touristen am Tag – in der Hochsaison, die aber derzeit nicht herrscht. Aber auch 3000 sind eine Hausnummer. Unser Haus-Tuktuk schlängelt sich durch die immer interessanten  Seitenstraßen der Stadt, wo Eisen gedengelt wird und Mönche ihre Almosen einsammeln. Vorbei an Hotels auf quadratkilometergroßen Arealen, die nicht einmal 10 Zimmer haben. High, high, high, high – high society. Der Tempel von Ta Promh wurde zum Beispiel für den Film Tomb Raider missbraucht, und da muss der Filmset ja irgendwo unterkommen. Gerade rechtzeitig vor dem ersten Busansturm erreichen wir die Kassenhäuschen am Standrand. 40 Dollar sind fällig, pro Nase, für 3 Tage, die man sich glücklicherweise, wie sich  herausstellen soll, über eine Woche frei verteilen kann. Und dann: Angkor Wat. Die schlichte Schipperin weiß zwar, dass Angkor Wat vielleicht nicht so ist, wie ihr das in den Jugendjahrbüchern der 60er Jahre beschrieben wurde – dampfender Urwald und Tempelruinen! -, aber als wir uns dem Schutzgraben nähern, ist schon alles klar. Das APSARA-Projekt der Kölner Fachhochschule für Angewandte Wissenschaften (hallo, Neffe!) und andere Restauratoren haben ganze Arbeit geleistet. Bäume stehen hier nur zur Dekoration.  Nein, um der Wahrheit die Ehre zu geben, die Franzosen haben natürlich – ganz Französisch-Indochina – die Restaurationsarbeiten im 19. Jahrhundert begonnen, mit dem damals üblichen geringen Sinn für Erhaltung des Originalzustandes zugunsten einer idealisierten Vorstellung, was eigentlich bis in die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts immer so weiterging – jedenfalls sieht man an diversen Stellen eher dilettantische Bemühungen, die Gebäude mit etwas Beton zumindest vor dem Einsturz zu bewahren. Was die Baufälligkeit betrifft stellen wir uns in den kommenden Tagen denn auch häufig die Frage: so viele Touristen – so viele Möglichkeiten, wenn nicht unter die Räder, dann doch unter die fallenden Klamotten zu kommen. Da würde ein deutsches Ordnungsamt mal richtig für Ordnung sorgen!

Ta Prohm - Der meiste fotografierte Spung der Welt

Ta Prohm – Der meiste fotografierte Spung der Welt

Also gehen wir hinein… Jenseits des Dammes, der den 200 m breiten Graben überbrückt, erheben sich in der Ferne zunächst hohe, aber doch erstaunlich kleine Tempelgebäude auf freiem Feld. Aber keine Sorge, die Tempel werden größer, je näher man kommt (wie überraschend… ) und schließen sich zusammen zum größten Sakralbau der Welt. Natürlich führt uns Mr. Thanh erst einmal zur APSARA-Hütte, die ein wenig zu Restaurationstechniken erklärt; wir können auch Guido Westerwelle „Hallo“ sagen, der hier stellvertretend für die Republik hängt. Und dann geht’s hinein in die Tempelanlage. Mr. Thanhs Kenntnisse sind wirklich umfassend –  er macht das ja auch möglichst täglich, wenn denn der Touristenfluss ausreichend ist, die Hauptsaison muss den Unterhalt für die 6köpfige Familie bringen. Die zu entdeckenden Dinge sind so reichlich, dass auch er vor den Reliefs stehen bleibt und verblüfft ist, endlich den abgeschlagenen Kopf eines Kriegertorsos zu entdecken, den er schon so lange gesucht hat. Diese Reliefs erzählen eine reiche Geschichte und viele Geschichten – Khmergeschichte vor allem, Schlachtengetümmel, religiöse Riten. Es kommen Söldner aus fernen Ländern vor, Kriegsgefangene, es wird auf den Reliefs gekocht, getrunken, geliebt. Mönche, Lehrer, Baumeister. Und natürlich: König und Königin von vorn und hinten und ihre Symbole. Die Südseite zeigt auch einen Abriss der Baugeschichte, vor allem die hierarchische Orrdnung. Der Baumeister war der Gunst des Königs, der ja Auftraggeber war, insofern völlig ausgeliefert, weil „man“ nur dem König zuliebe bauen konnte. Will sagen: nur ein beliebter König konnte so viele Freiwillige bereitstellen, wie es dieses immense Bauvorhaben erfordert, und nicht nur diese Tempelanlage, sondern auch andere wurden in unglaublich kurzer Zeit erstellt. Freiwillig… kennen wir ja von Asterix‘ und Obelix‘ römischen Gegnern.  Die gilt es halt zu bestimmen. Aber vielleicht sorgt eine solche freiwillige Leistung ja für gutes Karma, insofern liegen wir mit unserer Sichtweise der Dinge mal wieder nüchtern-säkularisiert falsch.
Und weiter geht es; man kann zum Beispiel stundenlang den Frisuren der Apsara-Tänzerinnen nachforschen. Fließbandarbeit war bei den Steinmetzen nur am Rande gefragt. Jede Tänzerin, so sehr sie sich ähneln mögen, eine eigene Persönlichkeit. Und die ganze Masse Sandstein ist mit nicht enden wollenden Ziselierungen verziert. Einfach… ich sagte es schon: unglaublich.
Die Anlage ist gewaltig und beeindruckend – und voll. Den Aufstieg zum zentralen Turm sparen wir uns für einen anderen Tag auf und gucken uns lieber einen Moment die Touristenströme an, die die steilen Treppen hinauf- und hinabklettern. China muss halb entleert sein, und dann diese Selfie-Schießer! Fragt sich, wie die Selfieinteressenten im Gedränge der Hochsaison zum Schuss kommen.

Wir ziehen weiter – Mr. Thanh ist Spezialist im Erkennen von Besuchszeitlücken, und so landen wir in Ta Prohm während der Mittagszeit für Südostasiaten: ab 11:30 h wird es hier „erträglich“. Ta Prohm ist nun tatsächlich so, wie man es sich beim Stichwort „Angkor Wat“ vorstellt – Urwaldriesen überwachsen Tempelruinen. Vielleicht sollte man hier einmal anfügen, dass „Angkor Wat“ eigentlich nur den vorher beschriebenen Zentraltempel bezeichnet. Angkor war das Zentrum des Khmerreiches vom 9. bis ins 12. Jahrhundert, immerhin mit 1 Million Menschen (unglaublich!). Die heute besuchte Region um Angkor Wat umfasst zahllose Tempelanlagen, und im Zentrum liegt Angkor Thom, eine 3×3 km umfassende Schutzanlage, die einen Königspalast aus dem 12. Jahrhundert und einen weiteren beeindruckenden Tempel enthält, nämlich den von Bayon. Und der bildet dann auch – nach einer genüsslichen Mittagspause – unseren Tagesabschluss. Mr. Thanh trifft den Besuchszeitpunkt genau: es sind kaum noch Besucher da, auch zieht sich der Himmel zu, was zum gespenstischen Eindruck beiträgt und seine Geschichten vom Khmeralltag, die er vor den Tempelreliefs vorträgt, noch unterstreicht, dazu lächeln 216 riesige Buddhagesichter milde auf uns herab. Bayon?! Mein Favorit. Unglaublich.

Mit diesem Tempel-Tag haben wir uns einen Ruhetag für müde Beine erlaufen, den wir in der Stadt Siem Reap verbringen. Wir frequentieren nicht die „Pub Street“, wo alles, was Touristenbeine hat, gegen Abend aufläuft, aber man kann auch wunderschön modernes Kambodschaleben begucken, auf dem Markt, in den Wats, auf der Straße.  Naja, kennt Ihr ja alles schon aus früheren Beschreibungen, aber wir schauen gern in Hinterhöfe, stehen gern vor diesen Werkstätten, die man tagsüber auf dem Bürgersteig ausbreitet, um aus Stahlplatten mit der Hand und ohne weitere Schutzbekleidung mit dem Brenner dicke irgendwas-Scheiben zu schneiden. Naives Staunen, immer wieder, und danach ein Coffee Latte im „Blue Pumpkin“, wo man auf tiefen Sofas hocken und Vishnu und Shiva gute Männer sein lassen kann.

Angkor Wat - Des Touristen höchstes Glück

Angkor Wat – Des Touristen höchstes Glück

Nächster Tag: Tempel. Tempel in Eigenregie diesmal, wir nehmen die Hotelfahrräder (zu dem Hotel gibt es dann noch einen Nachschlag, später!). Immerhin liegt Angkor Wat an die 8 km entfernt draußen, und weitere Tempel noch entsprechend weiter. Heiß. Schweißtreibend. Wir schließen die Räder an der „Terrasse der Elefanten“ an, Elefanten in Stein gemeißelt, wohlgemerkt. Ich bin in meinen brasilianischen Shorts angeradelt gekommen und bekomme von der Kambodschanerin auf der anderen Straßenseite ein fröhliches Winken, als ich die Beinlinge an die Hose zippe. Das kriegt kurz später eine besondere Bedeutung, denn vor uns spaziert ein junges Paar über den Wall zum Königspalast… Hottest Pants, möchte man sagen, und der Wächter am Zugang zur Anlage sagt schlicht: „…no!, Not like this!“. Die junge Frau wendet sich wutschnaubend ab: „…Incredible…!“ . Ich biete ihr mein Seidentuch aus Laos an, das ich sicherheitshalber mitschleppe, für was für eine Verhüllung auch immer; eigentlich ist sie so entrüstet über die Unverschämtheit, sie nicht einlassen zu wollen, dass sie es nur zögerlich annimmt.  Ich wiederum finde es unglaublich, dass man es bis mitten hinein nach Kambodscha oder Thailand oder Laos schafft, ohne sich bewusst zu sein, dass diese Tempelstätten auch nur im Entferntesten für die Ortsansässigen eine spirituelle Bedeutung haben könnten. Wirklich unglaublich. Als wir mit dem Tempel und der schönen Aussicht von oben fertig sind, bekomme ich aber von zwei jungen deutschen Touristinnen eine andere Sichtweise der Dinge serviert. Da sie vorher in Indien und Burma waren, kommen sie „vorbereitet“ und in Sarongs gewickelt, aber auch hier besteht Unverständnis dafür, dass man Spaghettiträgertops und freie Bauchnabel moniert: „… muss man wohl mit leben, aber hier laufen doch sowieso nur noch Touristen rum!“.  Ich find’s ignorant… Unglaublich.

Adopt a Garuda!

Adopt a Garuda!

Und wir?! Nach Preak Khan – wild, verfallen, überwachsen, mit der Möglichkeit einen Garuda zu adoptieren. Garudas sind die Schutzgötter jener Zeit, halb Mensch, der Rest Löwe und Raubvogel gemischt. Gern sitzen sie auf dem Kopf der Schlange, die das Symbol des Königs ist, genauer gesagt: auf einem der sieben Köpfe. Diese Schlangen-Drachenwesen, getragen von einer Vielzahl von Göttern und Dämonen (zu gleichen Teilen, natürlich!)  bewachen auch die Zugänge nach Angkor Thom, vier an der Zahl. Aber da sich der Erbauer von Angkor Thom schon langsam dem Buddhismus zuwendet, sind die Tore von Türmen mit einem lächelnden Buddhagesicht in alle vier Himmelsrichtungen gekrönt. Dass der Lächelgrad je nach Blickrichtung ein unterschiedlicher ist, haben wir nicht nachvollziehen können, aber die Idee ist schön: ein strahlendes nach Osten, der aufgehenden Sonne und dem Leben entgegen, in Gegenrichtung, zur untergehenden Sonne und dem Tod entgegen gefasst und melancholisch. Dazu Gnade und Gelassenheit. Wenn es doch nur dabei bliebe. Auch Buddhisten können anders…

Jetzt ist Schluss für heute – wir sind zurück auf AKKA. Ich liefere Bilder nach, diese hier sind nur ein paar Stellvertreter. Mein Hauptbildlieferant ist mit der unglaublich unspirituellen Reparatur der Kühlbox beschäftigt…
We’ll be back shortly!

Sichtwinkel…

Komische Perspektive. Morgensonne bescheint Angkor Wat von hinten.

Komische Perspektive. Morgensonne bescheint Angkor Wat von hinten. Und von vorn.

Tempeltransporter

Tempeltransporter

Phnom Penh, 17.6.2015

Das war eine anstrengende Woche. Südostasiatisches Mittelalter, Tempel alt und neu, große Hitze. Pflastertreten, Ruinenkletterei und Fahrradfahren. Und Kitschbilder für „über‘ s Sofa“.

Und jetzt noch zwei Tage Großstadtleben.

Tempeldress, hier: French style

Tempeldress, hier: French style

Bis demnächst bis zu einem ordentlichen Blogeintrag – immerhin ist das Elefantenthema erledigt, wie man sieht, und nein – wir waren immer züchtig bekleidet, lieber Bruder. Also, wir schon…

 

 

 

 

... oder lederne Hotpants

… oder lederne Hotpants

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Keine Arbeitselefanten

KLIA2, 10,6,2015, 06:00

 

Reichlich früh aufgestanden, aber die Passagierschlangen auf dem frühmorgendlichen Flughafen von KL verlangen das auch so. Bis man seine Terminalkilometer abgespult hat, ist die scheinbar fette Wartezeit bis zum Abflug auf ein Minimum geschrumpft. Der Flat White „to go“ von Gloria Jensen’s, den wir ein paar Kilometerchen durch die Ströme von Reisenden balancieren, fliegt letztendlich vor der Gepäckkontrolle in die Tonne, und der Eigner staunt: weit und breite keine Arbeitselefanten! Der einzige Elefant in KLIA2 (Kuala Lumpur International Airport zwo) ist der Billigcarrier Air Asia. Da steigen wir gleich ein.

Mal schau‘ n wie das in Kambodscha mit den Elefanten ausschaut…

 

PS: wir sind schon da. Genießen ein spätes Frühstück mit Khmer-Kaffee und Tropenfrüchten im Innenhof vom 7Candles Guesthouse und lesen uns durch’s Infomaterial.  Zitat:  we are in the „urging kids to school business“. We are also in the „urging tourists not to be part of the problem“ business. Buy from adults,,give to schools and smile at kids and politely decline their offers.

Kambodscha ist arm, und die Kinder sollen halt zur schule gehen, statt Geld heranzuschaffen. Stimmt. Schule hilft eher als Postkartenverkauf. Wappnen wir uns.