Pangkor Marina, 17.7. 2015
Sauerteigbrot! Das ist mal was… und gestern abend kam eines zu uns, mit guten Wünschen: Ruz, die Marinasekretärin, lässt sich von ihrem Mann über den Platz motorrollern und überreicht es uns mit einem „Selamat Hare Raya“. Ramadan ist zu Ende, und während wir uns gerade ein Scheibchen Sauerteigbrot zwischen die Kiemen schieben (wo sie das wohl her hat?!) schallt es von den umgebenden Moscheen…
Hier noch der letzte Nachtrag von Kambodscha – wir sind schon wieder fast 4 Wochen vor Ort, pfui, also schnell zurück nach Siem Reap. Als wir an einem Abend erschöpft von der obligatorischen Tempeltour zurückkommen, ist Ponheary Ly, die Gründerin des Hauses am Rezeptionstresen, und so entwickelt sich ein langes Gespräch über die Geschichte des 7 Candles Guesthouse und vor allem die Ponheary Ly Foundation. Entwicklungshilfe ist ja häufig problematisch – es wird mit bester Absicht allerlei probiert, aber gerade wenn sich zu sprachlichen Barrieren auch noch kulturelle Abgründe auftun, wird’s schwierig, und davon konnte Ponheary Ly ein Lied singen. Ich hatte ja schon geschrieben, dass das 7 Candles Guesthouse die Gäste mit einem „we are in the urging kids to go to school business“ einstimmt, und jetzt kriegten wir die Hintergründe dazu zu hören. Die Familie war eine Lehrersfamliie, ihr Vater wurde in den Killing Fields getötet und sie selbst entging dem nur durch Zufall.
Während der Zeit der vietnamesischen Besatzung wurde sie selbst Lehrerin, und nach dem Bürgerkrieg verdiente sie ihren Lebensunterhalt mit Führungen in Angkor Wat, auch das typisch, denn Lehrer können bis heute ihren Lebensunterhalt nicht durch den Schuldienst allein bestreiten. Sie stieß sich an den vielen Kindern, die den Touristen Dinge verkaufen wollen „statt in die Schule zu gehen“. Also fing sie an, sich um diese Kinder zu kümmern, erst eines, bald 40, und das entwickelte sich zur Ponheary Ly Foundation. Eines der großen Probleme ist auch in Kambodscha, dass der arme=unbeschäftigte Teil der Bevölkerung den Trost im Alkohol sucht, etwas, was wir als Angkor Wat-Besucher natürlich nicht so feststellen können; und der Alkohol ist ein Problem, das auch die NGOs nicht in den Griff bekommen – im Gegenteil, es macht Arbeit zunichte. Es wird zwar investiert, aber Pflege, Wartung von Anlagen etc. bleibt an den häufig trunkenen Landbewohnern hängen. Also, sagt Ponheary Ly, „sprechen wir die an, die noch nicht an der Flasche hängen!“ Die Kinder. Und das tun sie mit verblüffendem Erfolg.
Die Hilfe stellt sich so dar: 1. Hilfe von Kambodschanern für Kambodschaner, für Sprach- und kulturelles Verständnis ist damit gesorgt. 2. Kinder werden mit Schuluniformen und Lehrmaterial versorgt. Mittlerweile sind es mehrere Dörfer, und es sind 2.700 Schüler. 3. Die Kinder bekommen ein Schulessen 4. Für die Schüler werden im Bereich der Schulen Brunnen gebohrt, so dass sie sauberes Trinkwasser zur Verfügung haben – sie bekommen Flaschen und sie dürfen auch eine Flasche voll mit nach Hause nehmen (Trick 17!). 5. Erfolgreiche Schüler werden über den Regelschulabschluss hinaus gefördert, besuchen lokale weiterführende Schulen oder werden in Siem Reap zum Besuch von High School oder berufsbildenden Schulen einquartiert; häufig wohnen sie im Guesthouse, was wieder interessante Gespräche mit den Gästen ergibt. Sprachtraining hie, Informationsfluss da und Verständnis für die Stiftung unterm Strich. Sozusagen win-win-win. 6. An den Schulen gibt es eine kleine Gesundheitsstation . Last but not least tut die Stiftung etwas ganz Wichtiges: das staatliche Lehrergehalt ist ein sehr kleines, darum bezuschusst die Stiftung das Regelgehalt – auf diese Weise wird sichergestellt, dass Lehrer eben nicht nachmittags für ihren eigentlich Broterwerb sorgen müssen, sondern sich auf die Lehrtätigkeit konzentrieren können. Und regelmäßig kommen Freiwillige aus aller Herren Länder und geben Sachunterricht in verschiedenen Fächern – mit uns am Frühstückstisch saßen zwei Kanadierinnen, die Werkunterricht geben, die eine schon zum 7., die andere zum ersten Mal.
Die Sache mit den Brunnen ist ein schönes Beispiel für den Erfolg des Projektes: funktioniert erst einmal der Schulbrunnen, möchte die Dorfbevölkerung gern teilhaben, aber das wird ausgeschlossen: nur für Schüler! Das erzeugt natürlich einen gewissen Druck, irgendwann ließ im ersten Dorf der Dorfälteste einen weiteren Brunnen bohren. Das wiederum machte die Stiftung in einem von den Schülern selbst gedrehten Video (Medienunterricht ist Pflicht!) publik – und das holte plötzlich eine Hilfsorganisation zurück an eine Stelle, wo sie sich mit Hilfestellung schon gescheitert sah. Mittlerweile gibt es mehrere Dörfer mit einer guten Wasserversorgung, und die Gesamtsituation der Dörfer verbessert sich damit zusehends – in einem Fall war man völlig verblüfft, dass das Dorf so ordentlich aussah. Was war passiert? Die Kinder rückten regelmäßig nachmittags zum Müllsammeln aus – und die Erwachsenen schritten ein, indem sie das nun selbst machen, „weil man die Kinder nicht damit belasten kann“. Klingt fast zu schön um wahr zu sein, ist aber so. Im gleichen Dorf gibt es auch noch eine neue Schule. Für die Analphabeten unter den Erwachsenen – die „Lehrer“ sind zwischen 8 und 12 Jahren alt; sie fanden es doof, immer für die „Alten“ nur vorlesen zu müssen.
Gut?! Gut!
Wir haben so ein Dorf besucht: Koh Kher. Knapp 100 km nordöstlich von Siem Reap gelegen, in einem Gebiet, das bis 1998 fest in der Hand der Khmer Rouge war und, die Warnschilder zeugen davon, entsetzlich vermint wurde. Viele, viele haben hier Gliedmaßen oder ihr Leben bei Explosionen verloren. Koh Kher ist aber nicht nur ein Walddorf, sondern auch Synonym für eine erstaunliche Anlage von 95
Tempeln, die über ein sehr weiträumiges Areal im Wald verstreut sind, eine Anlage aus dem 10. Jahrhundert, die intensiv nur 30 Jahre genutzt wurde, ehe man wieder zurück nach Angkor Thom zog. Umso erstaunlicher die Baulichkeiten. Wir werden geführt von Diep und Ty, zwei ganz jungen Zöglingen der Stiftung – die beiden sind die einzigen aus Koh Kher, die bislang die 9. Klasse der Secondary School besucht und beendet haben – in der Kreisstadt, schon das eine wirkliche Kraftanstrengung in einer
so abgelegenen Gegend! . Neben dem wirklich ärmlichen Landleben – Familie, Kühe, Farmarbeit – haben die beiden eine Art Tourgeschäft ersonnen, indem sie Besucher zu den Tempeln führen und auch Waldwanderungen unternehmen. Diep zeigt uns im Dorf die erste Schule, die er besuchte. Unterm Baum. Geschrieben wurde mit Ästchen in den Schmutz, bis endlich ein richtiges Schulgebäude erstellt wurde – und bei wie unserem heutigen Fahrer auch, ist
die Dankbarkeit für die Leistungen der Ponheary Ly-Stiftung groß. Leider sehen wir nicht so viel vom Dorf, wie wir möchten, aber es ist auch so abgeschieden, dass man weder mit allzu vielen Fragen zudringlich werden noch ausdauernd „glotzen“ möchte. Immerhin begrüßen uns Tys Mutter und Großmutter mit ihrem betelroten Lächeln, in einer Hängematte schaukelt Tys Neffe – und über dem Bett der Großmutter schaukelt ein Infusionsbesteck, also muss es irgendeine Art von medizinischer Versorgung geben, ganz sicher ein Zeichen des Fortschrittes.
Ponheary Ly sagt später, dass das Dorf bis vor einer Weile in einem elenden Zustand war. Die paar Schritte durch’s Dorf sind uns mindestens genau so wichtig wie die Tempelanlagen.
Man hätte 2 Tage bleiben sollen. Unterstützenswert!
Jetzt stürzen wir uns in den Feiertag: Vorstag montieren, Kleinarbeiten an der Nähmaschine beenden, immerhin sind die Löcher im Rumpf schon gestopft, die neuen Seeventile sind montiert. Wir wurden mehrfach gelobt, dass wir ja wohl ein richtiges „Refit“ hier machen. Tun wir nicht, überhaupt nicht, der Austausch der Seeventile ist die einzig größere Sache, die geschehen ist. Aber bei dieser Hitze dauert alles extra lang. AKKAnautentempo eben. Demnächst geht es weiter, auch die Frage nach dem „wohin“ kam: wir segeln langsam zur Sunda Strait Richtung Cocos Keeling und dann geht es westwärts. Rodrigues, Mauritius, Reunion…
Da unten kann man oder frau dann auch mal wieder eigenes Sauerteigbrot backen.
Bis demnächst in diesem Theater!






