Stadtgänge

Jakarta Fischmarkt. Spaziergang mit Publikum

Jakarta Fischmarkt. Spaziergang mit Publikum

Rakata Kecil, 18.9.2015

Nun sind wir weg von Jakarta und unterwegs nach Cocos Keeling. Zeit, noch ein paar Worte zu Jakarta zu verlieren, ehe alles im Orkus der Vergesslichkeit landet, aus dem bruchstückhaft auch immer noch Episoden aus Singapur auftauchen. Hatte ich eigentlich von Theo berichtet? Ich glaube nicht. Theo ist ein Buchstabendreher, es müsste Teho heißen, und dabei handelt es sich um eine Firma, die sich mit Wasseraufbereitung beschäftigt. Im Zusammenhang mit unserer Wassermachermembranreinigung ergab sich ein unvergesslicher Ausflug dorthin. Es regnete mal wieder in tropischen Sturzbächen. Glücklicherweise hatte ich mein rotes Regencape dabei, das sich in allen Lebenslagen sehr elegant macht. Man fährt mit dem Rad zur Bushaltestelle, wo man es anschließt, klettert in einen Bus nach Clementi, um dort umzusteigen. Das Gespräch mit der benachbarten freundlichen Chinesin hat zur Folge, dass sie eigens für mich einen anderen Bus nimmt, damit ich auch ja an der richtigen Haltestelle aussteige. Beschämend, wenn man bedenkt, wie wir in Deutschland im Allgemeinen mit Fremden umgehen, oder? Jedenfalls danke ich herzlich und renne von der dortigen Bushaltestelle durch den Regen in ein riesiges Industriegebäude, und hinten geradewegs wieder hinaus in die Sturzbäche. Ich klappere – es ist Mittagszeit – diverse weitere Gebäude dieser Art ab; Hausnummern sind Mangelware. Jeder Halt, um GoogleMaps auf dem Tablet  zu konsultieren (offline, ganz schlecht!), macht mich noch nasser, bei diesen Capes weiß außerdem man nicht, ob die Feuchtigkeit von außen oder die von innen das schlimmere Übel sind. Die meisten dieser Industriegebäude haben unten eine Kantine, alle rappelvoll, so dass ich in einer schließlich zwei junge Frauen anspreche, ob sie mir vielleicht mit ihrem (unvermeidlich auf dem Tisch ausliegenden ) Smartphone die wahre Adresse von Teho heraussuchen können. Klar, machen sie mit Freuden, und die wahre Adresse ist dann nicht die von Google angezeigte, sondern genau da, wo ich aus dem Bus gestiegen bin. Wie erfreulich! In dem kleinen Bürovorraum entledige ich mich meiner Flipflops, lasse das nasseCape zu einem roten Nylonhäufchen zusammenfallen und schiebe es unauffällig in die Ecke. Alles tropft. Und schon eilt Cindy heran, Cindy, die mir eine Mail geschickt hatte: “ Dear Andrea – The smallest packaging for the alkaline cleanser is 25 kg“ Super, 25 kg Natriummetasilikat, das reicht für 50 Jahre Membranreinigung. Aber auf dem Fuße war eine Mail von Alvin, dem Geschäftsführer gefolgt: „€¦ es ist uns ein Vergnügen, Euer Leben leichter zu machen. Komm vorbei und hole eine kleine Portion ab, das geht auf€™s Haus€¦“. Wie nett sind die Singapurianer? Zumindest an diesem Tag waren sie alle nett. Das einzige, was ich nicht verstand, war, wie ein solcher Jungspund wie Alvin der Geschäftsführer einer solchen Firma sein kann. Der war ja nicht mal DREISSIG. Egal – alsbald pflückt die dicke, alte Dame von der deutschen Yacht ihr Nylonhäufchen aus der Ecke, schlüpft in die nassen FlipFlops und rückt beglückt mit zwei Flaschen Reiniger ab€¦ Singapur. Sagte ich ja schon. I like it!

Näh-Rikscha. Nein, kein Transport - das ist die wnadelnde Schneiderei...

Näh-Rikscha. Nein, kein Transport – das ist die wnadelnde Schneiderei…

Und nun Jakarta. We like that, too. Allein der Montag nach der Ankunft war sehenswert – eine Kostprobe zeigte ja schon das Bild mit den Ladies von der Quarantäne. Vorausgegangen war der Termin bei der Immigration. Wir lernen: sage zu einem Taxifahrer am Montagmorgen „Tanjung Priok“, und er quittiert mit einem „€¦ oh! Oooh€¦“ , stürzt sich aber dennoch in den Verkehrsstau. Eben nach Tanjung Priok, dem Containerhafen von Jakarta. Es ist ein Bluebird Taxi, immer reell, immer mit Taxameter, wir werden Stammkunden bei diesen mittelblau strahlenden Taxen. 10 km und viel Stop-and-go später finden wir im riesigen Cargo- und Militärhafengebiet ein vergleichsweise winziges Immigrationbüro, das wohl überwiegend der Abfertigung von Crews dient – es versteckt sich zwar im Fährterminal Penambangan, aber die Fähren hier sind alle nationale Fähren, also ohne Passkontrollbedarf. Ein herrliches, leicht abgerissenen Büro! Viele Leute, wie immer in Indonesien, im Gegensatz zu Malaysia übrigens überwiegend männliche Bürobesetzung. Der Officer, der sich mit uns beschäftigt, ermahnt uns streng, dass wir das IMO-Crewlist-Formular benutzen sollen und bedauert wortreich, dass ich den Schiffsstempel (siehe letztes Jahr, Einklarieren in Kupang!) nicht mitgebracht habe. Aber es geht auch so. Ein bisschen Popanz, was alles zu beachten ist, dass wir zum Beispiel beim Abarbeiten der vielen Inseln auf unserem CAIT bitteschön immer zur Immigration oder wenigstens zum Hafenmeister zu gehen haben€¦ Wird gemacht! So gebrieft steigen wir mit gestempelten Pässen in unser wartendes Taxi und rollen bootswärts.

Punkt zwei: Quarantäne. Hattet Ihr ja schon gesehen. Es war ein Bootstermin anberaumt worden, und ich darf in der Ambulanz mitfahren; man wäre zu Fuß fast ebenso schnell und würde sich das lange Vorkühlen des Autos sparen – die Health Clinic ist gleich am Ausgang des Marinageländes – aber Dienstauto ist Dienstauto, und auch dies ist ein Erlebnis. Wieder viel Papierkram und, wie die Bilder zeigen, Frohsinn. So ganz klar ist nicht, was wir zu zahlen haben („€¦ was habt Ihr denn voriges Jahr in Kupang bezahlt?“), aber die 500.000 Rupien sind in Ordnung, und „Due“ Azafarine und Gita und ihr Epidemiologe (Asche auf mein Haupt, ich weiß den Namen nicht mehr!) sind wirklich extrem nett und lustig.

Ts, ts ... all diese Papiere!

Ts, ts … all diese Papiere!

Punkt drei: Zoll.   ach€¦ der Zoll. Bea dan Cukai genannt. Für den Sunda Kelapa-Hafen mit recht wenig Auslandsverkehr ist ein 20-Fuß-Container gegenüber der Moschee in die Ecke gestellt worden. Ich hoffe, die Bilder, die Andreas später beim Ausklarieren gemacht hat, sind nett geworden. Man steigt 3 Stufen hoch, stellt die Schuhe zu den ein bis zwei Paar ausgelatschten Männersandalen und öffnet die Tür: ah, da liegen sie ja schon, die Zollbeamten, auf

Das Gespräch mit Putu klärt alles!

Das Gespräch mit Putu klärt alles!

ihrem Kuschelkissen Was tut frau da? Hockt sich halt dazu, , auf das Stück Auslegeware, das über einen Minions-Spielteppich gebreitet ist. Es gibt zwar einen Schreibtisch, sogar mit einem Bildschirm (TV-Bildschirm gibt es natürlich auch, und der läuft auch!), aber hat man auch mehr Platz zum Ausbreiten der Papiere. Englisch? So gut wie keines. Plan?! Auch nicht so ganz, ich habe das Gefühl, was auch immer ich an Papieren präsentiere ist recht. Clearance von

Behördengang zur Unzeit. Lunch time!

Behördengang zur Unzeit. Lunch time!

Singapore, Registration, CAIT. Wir rufen die Marina an, Putu erklärt mir, dass wir am Tag vor der Abreisewiederkommen sollen, es sei alles prima so€¦ Ja, wirklich? Einklarieren in Indonesien soll doch so kompliziert sein, frage ich mich leise.  Wird schon laufen€¦

Punkt vier, letzte Station: Harbour Master. Noch so ein Klassiker. Mitten in dem Mix aus Baugelände und Frachtcontainern steht ein mit Fahnen geschmückter Turm. Ich werde, es geht langsam auf die Dämmerung zu, von einem knackigen Feldjägerdienstgrad mit weißem Kordelschmuck, allerdings mit leeren Waffenholstern, in Empfang genommen, der mich durch das weitläufige Gebäude schleust, vorbei an Büros mit smartphonenden oder auch nur auf Bänken ruhenden Dienstuenden. Teller mit Fischgräten sind abgestellt (wahrscheinlich hat es hier Katzen…), an den Toilettenräumen steigt gerade ein nur mit Handtuch bekleideter, beleibter Mensch aus dem Duschkabinett; irgendwie anheimelnd. Der Raum der „Coast Guard“, da muss ich hin. Ein Fernseher brüllt. Der Mensch, der mich abfertigt, hat – recht indonesisch, hier heißt man auch gern mal Eisenbahn oder Fahrrad! – den schönen Vornamen Boy Ferry. Darüberhinaus hat er aber keinen Plan, blättert unsere gesamte Dokumentenmappe durch und macht Kopien von allem, was sich nicht wehrt. Ich muss für 15 Bruttotonnen 15.000 Rupien zahlen. Nicht ganz ein Euro Hafentaxe – diese Kohle geht quasi für die ganzen Kopien dahin. Noch dazu wird die Kopierorgie ein Nachspiel haben: AKKA wird am 7.9.2015 ins Hafentaxen-Registerbuch eingetragen, ich hab€™s gesehen und mir glücklicherweise gemerkt – das ist gut, denn beim Ausklarieren findet sich unsere wilde Akte nicht wieder. Ein Büroabenteuer! Übrigens, von Putu, dem Marinamanager, bis zu Boy Ferry – alle, fragen sie: “ €¦ wo/wer ist der Agent?“. Auf unser Kopfschütteln hin zucken ebenso alle mit den Achseln: „€¦ never mind€¦“ oder indonesisch: „€¦boleh, boleh“: Macht nix, ohne Agent ist auch fein.

Pinisis gibt es reichlich, fürwahr.

Pinisis gibt es reichlich, fürwahr.

Unsere Zeit in Jakarta ist natürlich mit weiteren Besorgungen gefüllt, wir machen weitreichende Spaziergänge durch die verblüffende Kluft zwischen arm und reich, zwischen modern und marode. Der Hafen der Pinisis, dieser riesenhaften Frachtsegler der indonesichen Gewässer hat es uns angetan, und auch da wird die Kluft deutlich: von der anderen Seite des Hafenbeckens wachsen immer mehr Hochhäuser auf den Traditionshafen zu. Noch gibt es reichlich Pinisis und entsprechenden Ladeverkehr, aber wie lange noch? Gleich hinter diesem Hafen, der 700 Jahre auf dem Buckel hat, liegen die alten Handelsgebäude der Holländer, des VOC – Batavia war schließich die Hauptstadt der holländischen Ostindienkolonie. Gleich daneben der Fischmarkt, dicht an dicht besiedelt. Wir genießen unseren Sonntagsspaziergang dort. Am anderen Ende gelangt man in nur wenigen Schritten in die Welt von Glas und Beton, Autohäusern und Shopping Malls. Jakarta ist ein Moloch, eine Segelfreundin schrieb: die hässlichste Stadt Südostasiens. Na gut, so richtig schön ist keine der großen Städte, nicht einmal Penang ist wirklich schön, aber interessant sind fast alle, und Jakarta finden wir vielleicht nicht sehens-, aber doch erlebenswert. Nebenbei werden unsere Bemühungen, noch ein paar Dinge für die Proviantkisten nachzukaufen, belohnt. Jakarta hat reichlich „exPats“, und daher hat Jakarta auch Quellen für Knäckebrot und Co. Dass man dabei wieder einmal die schicksten Malls der Stadt besucht und sich über die Käuferschaft wundert, ist ja auch ein Erlebnis. Symptomatisch vielleicht unser Samstagabendspaziergang: zu Fuß zur Emporium-Mall, da soll es ein ACE Hardware-Store geben und die haben Ersatz für unsere zerbrochenen Kiwi-Campingstühle. Gesagt, getan. Von weitem schon leuchtet einem die gigantische „EMPORIUM“-Leuchtreklame entgegen, aber bis man dort ankommt, geht es über Stock, Stein und Schlagloch, entlang stinkender Abwassergräben, an denen sich aber Garküchen reihen. Der ACE-Hardwarestore hatte unsere Stühle dann doch nicht, und auch der dortige Carrefour-Supermarkt war nicht wirklich toll; dafür haben wir über den Straßen von Jakarta gethront, in die glitzernde Neonnacht geschaut, den Verkehr unter uns branden sehen und dabei chinesisch gegessen. So chinesisch wie eigentlich noch nie. Es gab alles, was man gemeinhin nicht mag – und darum haben wir auf unserer gemischten Platte von xy Köstlichkeiten den Quallensalat auch ausgetauscht. Eigentlich schön blöd, wir hätten es wenigstens mal probieren sollen. Nebenbei konnten wir am Nebentisch gehobenes Familienleben beobachten: Dienstpersonal ist kostengünstig in Indonesien, also hat man für jedes Kind ein eigenes Kindermädchen. Nicht dass die Kindermädchen auch etwas gegessen hätten, nee, nee – die-waren nur zum Füttern und Bespaßen da. Überhaupt, Dienstpersonal – noch nirgendwo haben wir so viele feine Hausfrauen mit Dienstmädchen im Schlepptau gesehen, Dienstmädchenuniform inklusive.  Und was der Merkwürdigkeiten mehr sind. Man hätte wirklich nooch Wochen bleiben können.

Aber wir sind schon ein paar Stopps weiter, und obwohl wir uns schon als „unterwegs“ abgemeldet haben, bietet uns der heute Ankerplatz noch einmal Internetzugang.  Raus mit dem Beitrag. Bilder allerdings will der Zugang gerade nicht befördern. Wir probieren’s später noch einmal…

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