Uyimbube, uyimbube…

Warten auf den Zoo. Südafrikanische Flagge und die Flagge Q...

Warten auf den Zoll. Südafrikanische Flagge und die Flagge Q…

Richards Bay, 30.11.2015

Uyimbube?! Kennt Ihr nicht?! Kennt Ihr!  „Du bist ein Löwe“, oder so ähnlich…
Klickt immer noch nicht? Ich kann es auch ins Amerikanische übersetzen, so wie es Pete Seeger anno 1951 verstanden hat:  „Owimoweh, owimoweh!“
Als ich gestern früh vom Funken an Deck kam – vorher hatten wir dicke, morgengraue Wolken gehabt – sagt der Eigner in gemessenem Ton: „Ich kann Afrika sehen!“  Tatsächlich! Yihaa, sage ich da normalerweise, aber in dieserm Falle brach es aus mir heraus… „Owimoweh, Owimoweh, Owimoweh, Owimoweh… !“ Und der Eigner sagt, dass ich das fast so schön mache wie das Nilpferd aus dem (bekannten?!) YouTube-Clip.  Schaut es Euch an, es ist ungefährlich. Ich mache das Hippo, der Eigner wackelt mit dem Hintern…    Ich widme es auch den heutigen Geburtstagskindern: Eske und Anna, alles Liebe für Euch!
Unter Absingen von „The Lion Sleeps Tonight“ also rauf mit der hübschen südafrikanischen Gastlandflagge und der Flagge Q.
Es war noch genügend Zeit bis zur Ansteuerung von Richards Bay, das WikiTaxi zu besteigen und die Geschichte von „Wimoweh“ zu lesen, eine Geschichte über Pete Seeger und Solomon Linda, den Schöpfer vom Originallied „Uyimbube“, angesiedelt zwischen McCarthy-Ära und den dunklen Zeiten der Apartheid…

Alles Weitere folgt dann zu gegebener Zeit. Wir sind wirklich glücklich, dass wir so „glücklich“ hier angekommen sind.

Donner-Wetter

28°30 S und 33°23 E
28.11.2015

Heute kriege ich mal keinen Positionsreport raus. Die Australier und Asiaten sind zu weit weg, Maputo „tut nicht“ und der einzig verbliebene Südafrikaner in Reichweite schickt komische Meldungen raus, fragt aber mein Airmailkonto nicht ab. Na, dann!

AKKA eilt durch die rabenschwarze Nacht, ich warte sehnlich auf den Mondaufgang. Wir sind noch vielleicht 40 Meilen vom berühmten Agulhasstrom entfernt, der 20 Meilen vor der Küste verläuft und angeblich dunkelblau aussieht und hier für allerlei Ordnung sorgt. Ein natürliches Verkehrstrennungsgebiet: im Strom Einbahnverkehr südwärts, wer nach Norden will, hält sich bitte an den Randstreifen zwischen 200 m-Tiefenlinie und Land oder fährt gleich weit draußen auf See. Wer gegen den Agulhasstrom, bis zu 6 Knoten schnell, anschieben möchte, hat entweder viel Geduld (und Sprit) oder einen an der Waffel. Für uns heute bleibt es bei moderaten 2 bis 2,5 Knoten, die nach SÜden setzen – und die haben wir auf dieser Fahrt schon öfter genossen, auch jetzt schubst es uns in Richtung Küste. Unglaublich, diese Meeresströmungen – wir haben eigens von Wetterwelt Stromvorhersagen bestellt; nicht zwingend notwendig, aber, wenn man die erste Verwunderung über das Gewirr der Richtungspfeile überwunden hat, sehr interessant. Gerade kommt mir wieder ein großer Frachter entgegen, der sich mit 8 Knoten Reisegeschwindigkeit Richtung Colombo müht. Wie auf einem Fluss geht es hier zu…

Leider ist seit heute morgen kein Segelwind mehr, so dass wir motoren, aber diese letzte Nacht bringen wir auch noch zustande. Gestern haben wir die zweite Tiefdruckfront der Reise bewältigt, das war recht spannend, über Tage schon, ich deutete es ja schon an. Das „Klöpschen“ vor der Küste. Das Klöpschen schickte in der Nacht auf Freitag ein vielstündiges Gewitter voraus, das wir versuchten, an der Steuerbordseite liegen zu lassen, sofern man so etwas kann (man kann nur bedingt!). In den frühen Morgenstunden dann eine kurze Pause von der Daueransicht gruseliger Blitze. Beeindruckend massive Wolkenformationen, aus denen teils ebenso massiv das Wasser goss, dazu ein paar Böenkragen, so dass man denkt, der erwartete Südwest geht schon los, und nach der Pause wieder Gewitter. Ich bin – Wachrhythmus sei Dank! – ins Bett gegangen, Schlafbrille auf; das mag man sich nicht anschauen… Kerstin „LopTo“ würde jetzt ein Loblied auf Stahlboote singen. In der Tat, neben dem Abklemmen der Antennen tritt dann bei uns auch der Faradaysche Käfig für arme Leute (also die ohne Metallboot) in Aktion: Elektronikequipment wandert in den Backofen. Bis die Front dann endlich auf uns zu kam, wurde es Mittag, alles ganz pünktlich auf die Stunde, wie es die Wetterwelt in Kiel uns prophezeit hatte, und ab da dann Wind im Familienpack. Wir waren dank Bummel- und Zickzackkurstaktik weit genug im Osten des Systems geblieben, so dass wir die avisierten 40 Knoten und mehr (das südafrikanische PeriPeriNet am Vortag zu mir: „You*ll have 20 to 50, five zero!, tomorrow!“ Wie nett!) nicht zu spüren kriegten, aber es war den ganzen Tag extrem böig, und an die 30 Knoten über viele Stunden machen eine muntere See. Nicht unsere Lieblingsdisziplin als Am-Wind-Kurs, aber gut zu bewältigen, und wenn man bedenkt, wie das hier zugehen kann, war das System nett zu uns und moderat. Vielleicht nicht so „brillantes Segeln“, wie es der Einhänder Jim immer wieder in der Funkrunde besingt („… oh, I am sitting here nicely with 35 knots of wind…“), für uns mehr von der Sorte „wat mutt, datt mutt“. Nix Aufregendes zu berichten! Nur unser Funkrundenmoderator aus Australien, der statt Richards Bay lieber doch direkt nach Durban laufen wollte, der kriegte eine Kostprobe der lokalen Eigenheiten serviert – wie wir heute morgen von ihm hörten, fand er einen der gelegentlich auftretenden Strom-Mäander, weit weit draußen, als an Agulhasstrom noch gar nicht zu denken war. Und Strom gegen Wind ist niemals spaßig und macht immer Welle, bei 30 Knoten Wind schon gar – es war die Rede von Panik und den größten Seen, die sie je erlebt haben. Bösartig habe das Wasser ausgesehen. Glücklicherweise trieb der starke Wind das Boot im beigedrehten Zustand relativ rasch wieder aus diesem Stromwirbel hinaus. Puuh. Ein hinter uns fahrendes Schiff kommentierte das mit „… wie schön, wenn man von so einer Passage nichts Aufregendes zu berichten hat!“ Stimmt. Diese Tatsache  freut uns auch ungemein.Und ansonsten freuen wir uns jetzt auf eine Nacht, die man durchschlafen kann. Denn wenn diese Passage auch unspektakulär war: anstrengend war es schon.
Bis demnächst dann aus Zululand! —

Fortschritte

22.11.2015, südlich von Madagaskar

Da sitz‘ ich im Cockpit und schlürfe übrig gebliebenen Kaffee von gestern (kalt), der Eigner schläft einen kleinen Nachmittagsschlaf (hoffentlich, wir brauchen den Schlaf, der sich bei der Wackelei nich timmer einstellen will), AKKA schleicht durch den Strom südlich der Insel Madagaskar.
Das ist schon ein besonderes Seegebiet hier! Und damit meine ich nicht die Berufsschifffahrt, die rechts und links an uns vorbeiflitzt und einen mit guten Wünschen bedenkt. Die Jungs und Mädels haben halt auch ihre Sorgen: im Gebiet um Chagos dreht sich ein Cyclon, wir kriegten gerade mit, wie zwei sich über Wetterprognosen unterhielten, der eine aus Singapur, der andere auf dem Weg dorthin. Da können wir mitmachen – Wetterrätseln tun wir auch. Vorwärts und rückwarts. Wie erwähnt – dies ist ein gewöhnungsbedürftiges Seegebiet. Seit gestern bekomme ich zur größeren Verwirrung auch Strömungsdaten serviert. Nicht, dass wir irgendwas damit anfangen könnten in diesem Geschwurbel südlich von Madagaskar – eigentlich befinden wir uns, die wie brav einen mittleren Abstand zum Inselschelf halten und entsprechend südlich gehalten haben, konstant im Gegenstrom. Mal 1 Knoten, mal 2. Das nervt irgendwie…

— — —-
Und schon sind wieder anderthalb Tage vorüber, wir sind aus dem Strom raus und stehen auf 26°37S und 42°53E. Der Eigner schläft schon wieder, besser: immer noch, es ist nämlich Vor-Frühstückszeit, meine Funkrunde ist gerade vorüber, das Kaffeewasser wird gleich kochen, und nachher werde ich erstmalig versuchen, das Peri-Peri-Netz zu erreichen; das sind die Südafrikaner, die sich um die hereinkommenden und die das Kap umfahrenden Schiffe kümmern. Vorgestern Nacht ging erwartungsgemäß unsere erste Front durch, ganz prima, weil wir eigentlich nur den Rest davon mitkriegten. Leider weht es seitdem aus Südwest, und davon gestern eine ganze Tüte voll – und jetzt gerade aus Westsüdwest, das heißt wir machen mehr Nord als uns lieb ist: am Freitag steht der nächste Tiefdruckklops (ein Klöpschen) vor der Küste, und den müssen wir hier draußen noch abwarten, bis wir Richtung Richards Bay vorrücken können – dazu müssen wir aber in der Zwischenzeit ein bisschen mehr Süd machen, suns‘ ward dat nix… Der gestrige Tag war recht bewegt, die Welle ganz hübsch, und das hatte einen absolut netten Besuch in der Folge: um 12 Uhr mittags kam die bestimmt berühmte Truppe der „Madagascar Jumping Dolphins“ bei uns vorbei. Das war ein Spaß! Ich bin sicher, wenn Delfine sprechen könnten, dann hätten wir ein riesiges Gejohle gehört. AKKA schiebt mit Schwung und 7 Knoten durch die Wellen  – die Geschwindigkeit lockt die Schule an – und weil die Welle mit ihren 4 m so schön ist, muss man nicht wie sonst nur langweilig aus dem Wasser springen, sondern sich dabei drehen, auf die Seite klatschen, auf den Bauch, seitliche Rollen drehen… Einer wurde nicht müde, sich auf den Rücken platschen zu lassen, sehr beliebt auch so eine Bewegung, wie man sie aus Filmstunts kennt, nämlich in der Luft einfach weiterlaufen, in diesem Fall weiterschwimmen. Echte Akrobaten.
Insgesamt, muss man sagen, ist es deutlich anstrengender als Passatsegelei – nichtweil die Bedingungen so hart wären, die tun zwar auch ein bisschen zur Sachen, aber man ist dauernd mit dem Wetter beschäftigt und mit der anzuwendenden Tatkik. Wir vergleichen GFS und Wetterwelt miteinander, holen 2x täglich dicke GRIB Files über das Satellitentelefone herein und brüten dann darüber. Vielleicht wäre es besser, wenn wir es wie einer der vorausfahrenden Einhandsegler hielten: „… aaach, hier ist alles prima! Brilliant sailing! Um die Front kümmere ich mich, wenn ich die Wolken sehe!“. Na dann. Wir wollen eigentlich nur ungeschoren über den Agulhasstrom kommen, aber das wird schon, denn Samstag flaut es ab. Ankunft vielleicht am Sonntag…
Der Eigner erwacht! Kaffezeit! — —

Dann dauert’s eben…

Daaa ist die AKKA!

Daaa ist die AKKA!

 

 

Réunion, 12.11.2015

… bis zum Knick ’n Tag länger! Zitat Eigner von soeben. Also vielleicht Montag?! Die Abreise nach Südafrika nämlich. Im Moment zuckt der Wind um die 5 Knoten, was vergleichsweise wenig Spaß macht – und vorhin sind zwei französische Yachten ausgelaufen, die hoffnungsfroh ihren Code-Zero hochzogen und ansonsten auf volle Dieseltonnen vertrauen; morgen will die CHESAPEAKE los. Diese Unruhe!. Nicht, dass ich nicht eben auch 120 l Diesel von der Tanke geholt hätte, 120 l mit dem Radel. Natürlich nicht in einer Tour, sondern in 3 – die Jungs an der Tankstelle hat’s gefreut, hilfsbereit wie sie sind. Und kommunikativ sind sie – wir üben uns in französischer Sprache, so gut es geht. Neben dem kolonialen Unterton, der hier schwingt, ist halt doch vieles sehr französisch. Wann, bitte, hat uns zuletzt jemand angebölkt, wenn man in einem äußerst verkehrsarmen Städtchen eine Einbahnstraße falsch herum befährt?! „C’est interdit!“ schallt es uns gleich mehrfach entgegen… L’Europe hat uns zurück – es sind nämlich die weißen Franzosen, die bölken, der Rest ist „relaxed“.

„Bölken“ oder anpreien, das konnten übrigens auch die Mauritianer – als der letzte Blogbeitrag rausging, fuhren wir ja nächtens um die 5 Meilen vor der Südküste von Mauritius entlang, die Schipperin hocherfreut, weil wir Orange Mauritius empfingen und segelnd surfen konnten. „Krackel-krackel-krackel. AKKA, AKKA, this is Mauritius Coast guard!“  Wat’n nu‘ schon wieder?!  „Bleiben Sie außerhalb der 12 Meilenzone!“  Huch?! Das ist neu; haben die doch tatsächlich unser AIS-Signal aufgenommen!  Ich bestätige, dass ich, da mit 2 ausgebaumten Segeln platt vor dem Wind fahrend, den Kurs sutsche Richtung Süd ändere.  Der Eigner schreckt aus dem Schlaf auf: „… wenn die Dich nochmal anrufen, dann hören wir einfach nix!“  Wird gemacht, Monsieur, wir müssen doch das Orange-Guthaben auch noch leeren, wie soll denn das außerhalb der 12-Meilenzone funktionieren? So ist das mit dem Surfen auf See!

Tags drauf erhebt sich gegen Abend die beeindruckende Bergsilhouette von La Réunion am Horizont, in der Nacht kommen die Lichter immer näher – und was für Lichter! Im Norden von Réunion liegt der Hauptort, St.Denis, und die Berghänge hinauf, in die Schluchten hinein ziehen sich die orangefarbenen Lichter der Straßenbeleuchtung. Erste Welt, ganz klar. Wir tuckern die Küste entlang, machen ein paar Segelspielchen, die uns die Abwinde der Berge bescheren, Motor aus. Genua backbord, Genua weg, Genua steuerbord. In der Ferne sehen wir einen anderen Segler, der wohl vom Norden Mauritius‘ hereinkommt – ähnliche Spielchen. Im Morgenlicht passieren wir eine gewaltige Baustelle direkt vor der Küste – was ist das denn?! Na, die neue Umgehungsstraße. Ins Wasser gebaut. Um die Pointe des Galets herum ist schon „Le Port“, der Haupthafen für Réunion und unser Ziel. Hafeneinfahrt, Peilen, Marinaeinfahrt, Funkkontakt. Jérà´me empfängt uns – wir legen unser gewohntes Ein-Leinenmanöver hin, oh-là -là , das freut den Marinamanager, schon sind wir fest. Das ist doch, wie wir später sehen, recht ungewöhnlich – wir sehen am Morgen gleich mehrere Hafenmanöver mit „Stützleine vorn zuerst“.  Dabei kann es so einfach sein, wenn man in die Spring fährt…

Kaum ist der Zoll da gewesen, watzen wir ins Städtchen, und da es auch schon bald Mittag ist, fängt uns das französische Flair ein: „La Petite Brasserie“. Außer ein paar Touristen vor allem Geschäftsleute – wir hängen die Ohren zum Nebentisch und lauschen dem „heeein!“  und lang gezogenen, im Ton abfallenden nasalen „ööööö“. Fluppe im Mundwinkel, Gläschen eiskalten Rosé in der Hand, die Terrine de Campagne auf dem Teller. Ja, wirklich, so isses! Alle Läden sind dicht – bis auf den Bäcker, denn Männer mit dem lässig in der Hand balancierten Baguette sieht man mehrere. Nur Baskenmützen braucht es hier nicht.  Trà¨s franà§ais.  Wir laben uns an einer Salade Berger, mit meinem geliebten Chà¨vre Chaud. Eine Charcuterieplatte „Corse“ zum Teilen, der Eigner kriegt einen Salat mit Gänsemägen. Mit Perrier, falls sich jemand fragt, ob wir uns schon am Mittag einen Rosé reinpfeifen.  Die Marina füllt sich, die UHAMBO trifft ein und einige andere. So vergeht der Rest der Woche – wir schreiben Dienstag! – rasch; übrigens teilweise mit Fleecejackenpflicht, denn der kalte Süder bläst hier manchmal herein. Als am Freitagabend ein Potluck für die Samstagsabfahrer anberaumt wird, sind wir mitten im zentralen Thema: Wetter. Das Wetter nach Südafrika. Geschichte reiht sich an Geschichte. Aber da kann man so viel reden wie man will – hier ist man dem einfach ausgeliefert. Rezept: wenn die Front kommt, da unten vor Madagaskar, dann muss man durch oder man dreht bei. Hauptsache man ist nicht mitten im Agulhasstrom, wenn es losgeht.

Ein bisschen wundern wir uns über die, die nach uns kommen und gleich weiterreisen – es ist nämlich ganz augenscheinlich wunderschön hier, auch wenn der Industriehafenort „Le Port“ nicht extrem attraktiv ist – eine Reihe kleiner Läden, viele Wohnhäuser für die hart arbeitende Bevölkerung. Ein Leader Price, ein Score, ein LeClerc, und eine ganze Reihe guter Bäcker! Eines Tages radeln wir hinaus zum Einkaufszentrum Sacré Coeur, ergötzen uns im „Weldom“ an europäischen Baumarkststandard – und als ich hinübergehe zum Supermarkt, haut mich der Blick um: die Abendsonne bescheint ein Bergrelief direkt hinter dem Ort. Vulkanisch, tief eingeschnitten, hohe Berge im Hintergrund, grün bewachsen. Da muss man einfach mal hin. Tun wir auch.

Auf der Ebene um den Piton des Neiges

Auf der Ebene um den Piton des Neiges

Zum Beispiel, indem wir das Rad nehmen und nach La Possession fahren – der Nachbarort bietet eine Bushaltestelle für den Car Jaune, den Überlandbus. Ziel St. Pierre, an der Südwestecke der Insel. Wir bestaunen die überaus dichte Bebauung der Insel, ein französischer Badeort am anderen, teils noch mit alten kolonialen Häusern, insgesamt aber sehr modern. Und EU-finanziert, wie man allenthalben feststellt (zum Beispiel hier in der Marina!). Zur einen Seite das blaue Meer, das eigentlich zum Surfen laden sollte, während zur Bergseite der Himmel voller Touristen hängt – in der Nähe von Grande Ravine jedenfalls schweben zahllose Gleitschirmflieger in der Thermik. Gegen Mittag sind wir in Saint Pierre – und ich bin ganz froh, dass wir mit AKKA in Le Port liegen: St. Pierre ist eine richtig große Stadt, voller Läden, voller Touristen, voller Geschäftigkeit. Wir legen nur eine kurze Pause bei SIRENA ein, essen ein Stück Geburtstagskuchen und besingen die 4-jährige Vera, schon geht der nächste Bus in Richtung St. Benoà®t. Das hatten wir uns schön ausgedacht: eine Busfahrt durch die Mitte der Insel, zwischen Vulkan und Pic des Neiges durch. Schön gedacht und schlecht getimed. Mittlerweile hat sich die Tagesbewölkung aufgebaut, und je höher der Bus sich schraubt – und er muss tüchtig schnaufen! – umso dichter wird der Nebel. Von Sicht auf die 3.000er Gipfel keine Spur – immerhin stellen wir fest, dass es wohl jeden Tag so sein muss, denn die Vegetation besteht aus Baumfarnen, Riesenericaceen, und alles ist voller Bartflechten. Hier müssen sie hinauf, die Passatwolken. Eine Ähnlichkeit zu den Kanareninseln ist durchaus gegeben, nur dass wir hier noch richtig in den Tropen sind.
In St. Benoà®t steigen wir wieder um, in St. Denis nochmals und gegen Feierabend haben wir die Insel mit dem Bus umrundet und sind zurück bei den Rädern. Ja, schöner Mist… – ich denke, erstmalig auf dieser Reise bin ich beklaut worden: mein schönes, schönes Sattel-Gelpad von Giant aus Phnom Penh hat einen Liebhaber gefunden. Wir sind zurück in Europa. Die paradiesischen Zeiten ohne Klau sind vorüber…

Am Dos d'à‚ne

Am Dos d’à‚ne

Paradies hin oder her – ein Tag mit klarer Sicht war uns dann doch noch beschert. Bus vom „Pà´le d‘ échanges du Port“, dem örtlichen Busbahnhof, nach Dos d’à‚ne. Noch so einer, der sich mühsam den Berg hinaufschraubt, diesmal frühmorgens; gefühlsmäßig eine Mixtur aus Skiferien in den französischen Alpen mit ein bisschen Peru und einem Schuss Tropenvegetation. In Dos d’à‚ne – übersetzt: Eselsrücken – geht ein als leicht bezeichneter Wanderweg los, nur 4 km Rundweg zum Roche Verre Bouteille, aber bis wir am Beginn des Weges angelangt sind, haben wir schon ein paar Asphaltserpentinen in den Waden. Und nochmals haben wir die Rechnung ohne den Wirt gemacht: prima Wetter, aber was machen die ganzen Leute hier? Alles voller Autos! Es ist doch mitten in der Woche. Alles Touristen?! Es ist Mittwoch, der 11. November. Es klackt! Kapitulationstag 1918… Jour férié, und daher nur ein Bus am Nachmittag zurück nach Le Port. Mit unserem 4 km-Programm wird das ein langer Tag – also suchen wir auf dem Tablet (empfehlenswert: WIKILoc offline Wanderkarten, weltweit!) nach Erweiterungsmöglichkeiten für den Gang.  Nicht ganz einfach, so dicht sind die Wanderwege dann doch nicht gesät, denn dazwischen liegen immer wieder tiefe Schluchteinschnitte. Schau’n wir mal. Der Weg geht über Stock und Stein, leicht bergauf bis zum Aussichtspunkt Cap Noir – eine

Alles easy!

Alles easy!

wirklich tolle Aussicht. Drüben, auf der anderen Seite der Schlucht windet sich ein in den steilen Hang eingeschnitten der Weg nach Ilàªt Lantanier bzw. Mafate entlang – das sind Dörfer, die, man mag es kaum glauben auf dieser durchzivilisierten Insel, nur zu Fuß erreichbar sind. Toll! Da müsste man entlang laufen… leider eine 2-Tagestour, bezeichnet als „sportif“. Sportlich. Na gut. Mein Blick geht bergauf. Oops, dieser Flaschen-Felsen, den wir erreichen sollen auf diesem leichten Wanderweg, liegt aber recht senkrecht über uns?! Und wie gehabt… unter Fluchen und Schnaufen marschiere ich bergan. Und überlege, dass ich hier mal eine Liste der „Anstiege einer Reise“ veröffentlichen sollte*.  Das Schlimme ist halt, dass man, in diesem Falle frau, nie genau weiß, wie weit es einen noch nach oben treiben wird. Der Roche Verre Bouteille war jedenfalls nicht das Ende, denn der Weg geht astrein genau über den Grat des Eselsrückens. Wenigstens war ich nicht allein, denn trotz aller Flucherei – die ich mit hilflosem Gelächter zu kaschieren weiß! – war ich noch die fröhlichere der beiden Seglerinnen, die dort oben herumkrauchten. Unsere französische Nachbarin machte einen geradezu unglücklichen Eindruck. Als wir sie im Tal wiedersahen, sahen wir eigentlich wenig: nur zwei am Bushaltestellenschild in die Höhe gestreckte Beine…
Nun gut. Selbst der Eigner bestätigte, dass diese Art von „facile“ durchaus ausreiche. Oben auf dem Eselsrücken gab es Wasser und Äpfel und das Bedauern, dass wir keine netten Baguette mit Käse oder Paté belegt mitgebracht hatten. Andererseits zog mittlerweile auch die schon bekannte Mittagsbewölkung auf – und das wird hier richtig kalt!  Abstieg (auch gut für die Knie!). Unnötig zu erwähnen, dass uns ein leichtfüßiger Einheimischer in Laufschuhen und Funktionshemdchen gleich zweimal überholte…
Eine Erweiterung der Wanderung haben wir nicht weiter diskutiert, die paar Abwärtsserpentinen ins Dorf taten den Rest. Aber dann! Gleich eines der ersten Häuser von Dos d’à‚ne ist das Poz’o Cap Noir. Carré de Pieds de Porc. Schweinsfüße mit Beilagen. Das Huhn mit Gemüsen war aber auch nicht schlecht… und alles gekrönt von einem Café Longue. So grässlich lang mussten wir auf den Bus dann gar nicht mehr warten, der uns wieder in die Sonne hinunterfuhr…

Urteil?! Schöne Insel!  Sehr schöne Insel! Eine Insel zum Wiederkommen und noch-mehr-Wandern.

Aber erst einmal ist die Strecke nach Südafrika dran. Um mit Patricia Kaas zu sprechen (wir werden hier mit veritablen Chansons beschallt!): „Mon mec à  moi il me parle d’aventure…“  Allzu abenteuerlich haben wir es nicht bestellt, aber wer weiß. Und wenn’s bis zum Knick im Süden von Madagaskar einen Tag länger dauert, ist es in Ordnung. Spannend wird’s hinter dem Knick!

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* hier sind Auszüge aus der Liste:
2007. Madeira – Wanderung zum Caldeirao Verde und Caldeirao do Inferno . Beine?  Hatte ich hinterher keine mehr
2008 – Anden, vor allem in der Gegend um Sorata. Aber auch der Anstieg zum 3. Stock des Hotels in La Paz war herz-kreislaufmäßig nicht von schlechten Eltern: Und der Pachamama auf der Insel Amantani im Titicacasee… Pfui Deibel
2009 – keine besonderen Vorkommnisse. Denke ich. Vielleicht trügt die Erinnerung
2010 – der Vulkan auf Isabela/Galapagos. Rückweg gemeinsam mit Sven von der MOJO. Rückwärts, wegen Kniebeschwerden
2011 – das 4-tägige Meisterstück: Kepler Track, Südinsel Neuseeland. Ha! Ich habe ein TShirt zum Beweis, dass ich das geschafft habe!
2012 – Der National Pass in den Blue Mountains, das war meine persönliche Spitzenleistung im Bergauf-Fluchen! Kings Canyon, Northern Territory/Australien, auch nicht schlecht. Die Olgas waren pillepalle!
2013 – nochmal ein Jahr Pause (geflucht habe ich sicher irgendwo?! Richtig. In Vanuatu. Vulkane habe es immer in sich)
2014 – zum Beispiel der Anstieg zur Chinesischen Mauer in Jinshanling. Eigentlich war auch das Umhersteigen auf der Mauer selbst des Fluchens würdig!
2015 – Mae Hong Son – Anstieg zum Tempel…

Schleichfahrt

20°30 Süd / 58°06 Ost
1. November 2015

Da schaukeln wir dahin… Ich will mich nicht beklagen, denn wir machen immerhin noch 4,5 bis 5 Knoten, beide Vorsegel ausgebaumt, der Rest ist weggerollt bzw. -gepackt. Der Wind kommt leicht aus Ost-Nordost, also „smack-bang“ auf den Allerwertesten. Aber es geht ganz gut – leider wahrscheinlich nicht mehr so lang, denn heute Nacht soll der WInd auf unter 10 Knoten sacken, dann ist AKKA keine Gans mehr, sondern eine bleierne Ente, die es im Zweifelsfall per Verbrennungsmotor anzutreiben gilt. Hoffentlich nicht so lang, wir haben noch gut 160 Meilen bis Réunion, und 160 Meilen Gerappel… Nö.

Aber wir würden auch wirklich gern ankommen, denn erst gibt es Nordwind und dann kommt Südwind auf – zwischen Südafrika und Madagaskar drückt in den nächsten Tagen so ein Schweinetief nach Norden; kleiner Vorgeschmack auf die Passage nach Durban. Südwind oder Südwest ist das, was niemand in der Gegend will, schon gar nicht wenn man sich im Agulhas-Strom bewegt. Aber da sind wir ja noch lange nicht.

Sonst gibt es nichts Aufregendes zu berichten. Rodrigues hätte einigen aus unserer Leserschaft sicher gut gefallen, es war schon deutlich weniger mit tropischen Temperaturen belastet, die Landschaft ganz unterschiedlich, und die Rodriguais waren wirklich extrem nett. Die Besatzungen von „Albion“ und „Solitaire“ zum Beispiel, denen wir Segler ja eigentlich den Bewegungsraum im Hafen nehmen, waren immer zu einer Begrüßungsorgie bereit (und zum Abschieds-Embrasse!) Adà¨le hat meine Wasche gewaschen, und gemeinsam mit Anne von der Uhambo stellten wir fest, dass wir seit vielen Jahren keine sauberen Geschirrtücher mehr gehabt haben. Alles ja nicht so verwunderlich, wäre da nicht der Fakt, dass Adà¨le die Wäsche entgegennimmt und am Folge- oder übernächsten Tag sauber, trocken und gefaltet zurückbringt. Was dazwischen geschieht, ist uns ein Rätsel, denn Adà¨le hat keine Waschmaschine! Ich habe ja die Oma-matic im Verdacht, die da einen halben Tag an unseren Sachen herumgerubbelt hat. Egal. Geldwäsche ist im Preis von 60 Rupeehs pro Kilo auch eingeschlossen. Ich war am Tag der Wäscheabgabe morgens zum Zoll gelaufen, und hatte nicht wissend, ob man in Rupeehs oder Dollar zahlen muss, unseren US-Dollar-Vorrat in meine Hosenbeintasche eingesteckt. Immerhin 178 Öcken kamen, so säuberlich wie die Unterbuxen gefaltet, in einem kleinen Papiertütchen zurück. Das gab natürlich Finderlohn.

ANNA, von der wir das letzte Mal berichteten, war übrigens nicht der normale Versorger, sondern ein großes Zwischendrin-Ding – Donnerstag stand nämlich auf der Anschlagtafel schon wieder „… all yachts have to clear port and channel on Friday at 06:30…“ Man kriegt Routine damit, aber es war sowieso unser Abreisetag, viel zu früh, ehrlich gesagt.
Übrigens schwingt der Herd wieder. Schöne Geschichte, auch wenn es für den Eigner etwas frustrierend war: der macht so wunderbare technische Zeichnungen, nach denen früher ganze Rallyeautos entstanden, nur versteht zwischen Grenada und Rodrigues keiner so eine Zeichnung, auch nicht in Kiwiland oder Australien. Das ist ungefähr so wie andere Leute keine Landkarte lesen können, und doch von A nach B gelangen – und das Ergebnis lässt sich sehen. Rohmaterial kam von der AKKA, der Eigner hortet die allerschönsten Sachen „mit denen man doch noch was anfangen kann“. Beinahe wäre es ein dickes rostige Reparaturblech aus dem Werkstattschrott geworden – aber dass wir nun statt zweier ganz klar rechteckiger Blechstücke, die angeschraubt werden sollten, zwei angenietete grobe Blechdreiecke in unseren Ofenseitenwänden haben, ist der künstlerischen Freiheit der Werkstattbude zu danken. Ist aber egal, man sieht nix. Doch, man sieht was: er schwingt, der Herd.

Jetzt muss ich mal gucken, dass AKKA nicht auf die Insel Mauritius rumpelt. Mehr dann aus Réunion! –