Chaguaramas, 16.7.2017
Nein, sowas! Wie die Zeit vergeht…
Genau, das tut sie, die Zeit, und wir verbummeln auch viel davon. Letztes Wochenende Hamburg, das hat uns wach gehalten, im wahrsten Sinne des Wortes, und die G20-, Gewalt- und Antikapitalismusdiskussionen tun es noch immer; die eine Seite hört der anderen noch immer nicht zu – es regt mich auf. Die Trappfamilie ist weiter lustig drauf (man sollte das wirklich verfilmen), Donny tönt (all time high und so) und flötet ( Frau Macron sei erstaunlich guter Verfassung) – man kriegt täglich wiederkehrend Schreikrämpfe.
Am vergangenen Freitag haben wir unsere Mooring verlassen, pünktlich zum mittäglichen Sturzregen – so sah es jedenfalls aus – ging es zum Slip von Power Boats. Michael – alle Travelliftfahrer heißen Michael, auch der von PEAKEs nebenan, nur Peter in Opua nicht… – war ein bisschen kritisch mit unserem Anlegemanöver, hat dann aber vor dem deutschen Monster an der Mittelklampe kapituliert und brav getan, was ich wollte. Manöverkritik lautete: „… Ihr sollt einfach die Arme verschränken, wir machen das schon!“, aber das habe ich mir nach der Schramme in Houtbay abgeschworen. Ging auch prima. „…das Vorstag müssen wir wegnehmen!“. Michaels leicht genervter Blick auf die Uhr: die Jungs waren regenbedingt 1 Stunde verspätet, und nun naht die Mittagspause. Springt die Schipperin zum Ankerbeschlag und löst mit leichter Hand die Ratsche, die das Vorstag provisorisch hält, es sackt nach hinten. Danke, Michael, we are effective! Seitdem bin ich „my dear“, oder wahlweise „love“. Kurz drauf stehen wir am Zaun zur Straße, in der Zone für Langzeitparker – wir sind nicht nur gut vorbereitet, sondern auch realistisch und schätzen unsere Standzeit lieber mal nach Monaten, nicht nach Wochen ein; also in die letzte Ecke mit der AKKA, die holen wir da so schnell nicht wieder raus. Praktischerweise ist das Klo- und Duschhäusel nur ein paar Schritte entfernt. An Bord hat es Wasser, Strom und No-Seeums, was wollen wir mehr? Keine No-Seeums. Irgendwie kriegen wir die kleinen Beißer nicht in Griff, der Eigner sitzt gerade in seiner altgedienten, karierten Krankenhauspyjamahose und mit Socken am Frühstückstisch, ich kratz‘ mich lieber ein bisschen statt davonzufließen. Morgens und abends ist Papageienärger vom sehr nahen Wald, in dem auch eindeutig Brüllaffen hausen – Brüllaffen scheinen den Regen zu scheuen, und dann ist immer Gebrüll. Amselvögel scheißen uns was, wir haben auch vorsichtshalber unsere nistbereiten, beliebten Halbhöhleneingänge am Großbaum wieder verschlossen – zu doof, wenn sich unsere Abreise verzögern würde, weil gerade ein neuer Satz Jungvögel ausgebrütet wird. Natürlich beäugt man vogelseits solche Aktionen mit einem gewissen Ärger, aber ringsum stehen ja ausreichend Wohnungen zur Verfügung.
A propos Brüten – am Mittwoch haben wir uns für ziemlich viel Geld bei einer Wiederholung unserer Schildkrötentour von 2009 eingekauft. Dazu geht es in fast 3-stündiger Fahrt – zum Abfahrtszeitpunkt ist Rushhour in Port of Spain – zur Ostküste von Trinidad, zum Matura Beach.
Nun ist die Turtlesaison fast beendet, es fällt kaum einer Schildkrötendame mehr ein, nun noch Eier abzulegen, und leider schlüpfen die Jungen eher am frühen Abend als in der Nacht – das war schlecht getimet. Trotzdem war es schön, man sitzt im warm-feuchten Abendwind im Sand, schaut auf die endlose Wasserfläche hinaus, auf der wir vor nicht allzu langer Zeit Richtung Tobago gesegelt sind, und wartet.
Natürlich hatte man uns zu Showzwecken ein paar Schlupflinge vom Abend aufgehoben, die wir erst bestauenen und dann hinunter zum Wassersaum begleiten dürfen, und man möchte ihnen zurufen: „Passt auf! Das Leben ist gefährlich!“ Tatsächlich – habe ich bestimmt damals schon erzählt – liegt die Überlebenschance von Schildkrötenbabys bei 1 Promille. Im Endeffekt also erlebt ein Nachkomme aus einem Jahresgelege (800 bis 1200 Eier) das Erwachsenenalter – und Eiablage passiert nur alle 3-5 Jahre einmal. Das muss mittelfristig schlecht ausgehen für die Lederrückenschildkröten. Am Matura Beach brüten 85% der Lederrückenschildkröten, die sonst im Bereich vor Nova Scotia/Kanada leben, aber leider mehren sich die Bilder im Netz, auf denen von Plastikteilen – Tüten, Seile, Fischernetze – strangulierte Tiere gezeigt werden, entweder bei Rettungsaktionen oder tote. Furchtbar finde ich den kleinen YouTube-Clip über eine Patientin, der ein eingeatmeter Strohhalm aus dem Nasenloch entfernt wird. Wer tief taucht, muss auch tief Atem holen, und das geht mit Strohhalm in den Atemwegen schlecht. Hier ist ein guter Artikel dazu, mit besagtem Clip. Ich mag gar nicht hingucken, aber es geht gut aus. Sehr scheußlich und nicht ungewöhnlich. Fragt sich, wer warum überhaupt Strohhalme benötigt. Nicht gezeigt werden können die vielen Tiere, die Plastiktüten gefressen haben, weil sie sie für ihre Leibspeise, nämlich Quallen gehalten haben, und daran eingehen. Oder an Luftballons – Kreuzfahrer lassen die in Massen fliegen, ein äußerst zweifelhaftes Vergnügen! Ja, ich habe wieder einmal eine Plastikhasserphase, das verläuft bei mir in Sinuskurven, nur dass die Toleranzlinie stetig sinkt. Gestern gab es folgerichtig im Foodcourt kein Essen für mich – ich weiß nicht, wie viel Plastik, vor allem Styroporverpackung, so ein Trini am Tag verbraucht, dennoch mache ich mich mitschuldig, weil hier, so man denn nicht auf dem Markt einkauft (Samstagmorgen 6 Uhr… uff), alles Gemüse in Plastik, Clingfolie, Styropor verpackt ist. Es ist zum Kotzen.
Oh je, das Wort zum Sonntag ist mir entglitten! Dabei geht es uns doch gut. Eigentlich wollte ich ja über alte Blogeinträge und das Erinnern schreiben, aber das gibt Hoffnung für einen baldigen nächsten Eintrag.
Ach ja – der Titel… Zwei tropical waves haben wir in den letzten beiden Wochen kommen und verschwinden sehen. Hier ist die nächste.
Hurrikansaison in der südlichen Karibik. Was willste machen…
Zu dem Thema Plastikmüll schrieb ich am 10.01.2017 in unser Tagebuch:
In Sidi Ifni statten wir dem Kaffee bei N29 22.674 W10 10.495 einen Besuch ab, um dort einen Café lait und einen Café Casse zu trinken. Der junge Kellner erkennt uns gleich wieder und freut sich uns bedienen zu dürfen. Vom kleinen Markt besorgen wir noch Tomaten und erfahren hier, dass seit 1. Juli 2016 das Gesetzes zum Verbot von Herstellung, Import, Export, Verkauf und Verwendung von Plastiktüten in Kraft getreten ist. Das ist schon erstaunlich, denn Marokko hat bislang sehr exzessiv Kunststofftüten benutzt. Das Königreich des Monarchen Mohammed VI. hat zwar nur gut 33 Millionen Einwohner, war aber bisher weltweit der zweitgrößte Verbraucher von Plastiktüten hinter den USA. Der Konsum lag zuletzt bei rund 3 Mrd Stück pro Jahr, was einem Pro-Kopf-Verbrauch von rund 900 Plastiktüten pro Jahr entspricht. Ausgenommen von dem Verbot sind nur Industrie- und Agrarsäcke, Gefrierbeutel, Müllsäcke und die Fischverkäufer dürfen die Tüten vorerst benutzen. Wir halten es für eine vorbildliche Maßnahme, denn oft sieht die Landschaft richtig schlimm aus. Nun müssen sie aber auch noch das PET Flaschenproblem in den Griff bekommen. Zumindest in den Städten ist das Sammeln und Abtransportiert von Müll seit Jahren kein Problem mehr und da überall frei zugängliche Container aufgestellt wurden gibt es inzwischen fast keine Müllecken mehr. Die Städte bieten sogar ein sauberes Straßenbild als in Deutschland.