Chaguaramas, 29.10.2017
…so geit dat nicht. Nicht ein einziger Blogbeitrag im ganzen Oktober.
Gleich vorweg: zu berichten gibt es nix, wer will, darf gleich weiterbrowsen. Danke übrigens nach Österreich für nette Komplimente und den kleinen Tritt. Eine Facebookfreundin hat mich heute in die neue Facebookgruppe „Wohnen an Bord“ eingeladen – sie hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Schlimmer noch: sie hat mich einfach der Gruppe hinzugefügt, zwangs-eingemeindet (ja, liebe nicht-Facebookler, das geht!). Aber erstens „wohne“ ich ungern, „Schöner Wohnen“ war nie mein Magazin, und zweitens… wir hausen eher. Mein Befreiungsschlag folgte auf dem Fuße. „Leave group“, schleunigst.
4 Monate „on the hard“, wie man so sagt, 4 Monate Leben am Zaun, tagsüber mit gemäßigtem Verkehr, nächtens ruhig, wenn denn nicht gerade ein paar wild gewordene Coast Guard-Jungs (ich lasse die Mädels außen vor, die machen so was nicht!) ihren neu erworbenen Auspuff testen oder ein kleines Motorradrennen austragen müssen. Der Lärm der Papageien ist sonnenuntergangsgesteuert und bezieht sich auf die Verteilung der besten Schlafplätze. Meinetwegen könnten die gern den Part der Motorsportler vorm Zaun übernehmen – ich finde das Gekreische anhaltend putzig. Leider sind die Brüllaffen derzeit im Urlaub oder unbekannt verzogen, wir müssten mal suchen gehen.
Wohnen an Bord. Chaguaramas ist für uns bei allem Dreck und Lärm ein ganz angenehmer Ort für einen solch langen Aufenthalt: das Notwendigste für Schiff und Haushalt kriegt man hier am Platz, wenn nicht, schwingt man sich aufs Maxi-Taxi und fährt 20 Minuten nach Glencoe oder in die West Mall. Da gibt es dann hoffentlich auch bald wieder – nein, nicht Rogga! – FINN CRISP-Knäcke. Wobei das mit dem Verkehr so eine Sache ist, man muss schon ein bisschen taktieren – will man frühzeitig in die Stadt, sollte man das gegen 7 versuchen, danach baut sich der Berufsverkehr auf, und der hat Großstadtausmaße und auch ein bisschen südamerikanisches Chaos, gepaart mit mäßiger – außerhalb der Stadt 2-spuriger – Infrastruktur, aber irgendwie geht’s. Was jeden Nachmittag den kleinen Ort Carenage in Richtung Stadt so verstopft, das weiß der Geier, aber immerhin fährt man in dem Fall, so man eines der wilden Taxis genommen hat, abenteuerliche Schleifen durch die Wohngebiete abseits. Von denen manche, wie wir kürzlich sahen, von Kurierdiensten aus Sicherheitsgründen nicht angefahren werden. Ui, ui ui – bislang war’s aber immer ganz witzig. Wo hält man schon mal an, um dem stressgeplagten Taxifahrer (Mann! Deine Kopfschmerzen kommen von der abartig lauten Reggaemusik in Deiner Karre!) eine Zigarettenpause zu gönnen, die Zigarette aus dem Einzelverkauf (I think, today I buy 2!). Trinidad ist zwar das reichste der karibischen Inselländer, aber die Kluft zwischen Arm und Reich ist definitiv groß. Auch sonst ist nicht immer alles so ganz astrein.
Wir hatten nämlich gerade eine Ölpest in der Bucht, plötzlich ist AKKA umzingelt von anderen Yachten mit eleganten, wellenförmigen Bauchbinden in schwarzbraun, leider teilweise Boote, die soeben erst geschniegelt ins Wasser gelassen worden waren, die Karibiksaison beginnt. Letzten Samstag gab es – auf Facebook, wo sonst ist der Segler vernetzt? – die Frage, wer oder was in der Bucht so nach Kraftstoff stinkt. Wieder mal ein nachlässiger Schiffer, der mit Diesel plumpert? Das gibt es durchaus öfter mal… aber nicht lange, bis auch die Leute aus der benachbarten Bucht klagten: Rohöl, fieses, dickes Rohöl schwappt durch die Gegend. Bis heute ist nicht sicher, wer oder was das war. Zwei Schiffe hatte man im Auge, aber der Wille zur Aufklärung ist schwach. Geschäfte? Kehren wir es unter den (Öl)Teppich. Die Boatyards hier tun, was sie können, um den wirtschaftlichen Schaden gering zu halten: Segler werden kostenfrei aus dem Wasser gehoben, man leiert der Regierung Entfettungsmittel aus den Rippen und lässt die Schiffe reinigen. Wovon die Natur natürlich wenig hat.
Die Wogen um die an Hurrikans haben sich leicht geglättet – wir haben einen kleinen Segler mit Hilfsgütern für Dominica beladen, die auch heile in Portsmouth ankamen und mit viel Begeisterung entgegengenommen wurden. Entgegen allen Beteuerungen von Freund Donnie („we got a 10 out of 10 for our relief efforts in Puerto Rico!“) ist die Lage in Puerto Rico nach wie vor bescheiden. Eine Freundin, die – samt Boot – zunächst Irma und dann Maria in
Salinas unbeschadet überstanden hat, meldet sich nach 4 (vier!) Wochen, weil es nach wie vor keinen Strom, kein Wasser, kaum Telefonnetz gibt. Don’t forget Puerto Rico…
Musikalisch machen mir die „Artists for Puerto Rico“ Lust auf einen Besuch. Ich hatte die Insel eigentlich mehr amerikanisch-industrialisert gesehen, aber in dieser Situation scheint sie mir sehr sympathisch „latino“ (drum tröpfelt ja die Hilfe auch nur, Dummbätze…). Vielleicht kann sich ja AKKA mit ihrem Wassermacher in irgendeiner Bucht für ein paar Tage einnisten und ein bisschen was tun? Oder auf dem Weg dorthin. Dominica, St. Martin, BVIs… Irmas und Marias Hinterlassenschaften werden uns begleiten.
Jedenfalls wäre es nicht schlecht, wenn wir langsam fertig würden. 10 Tage noch? Unsere US-Visa waren ein Klacks – viel Lärm um wenig Mühen, die man meistenteils online aufwenden muss; der Interviewtermin bei der Botschaft in Port of Spain jedenfalls war keinen Lärm wert: Fingerabdrücke abgeben, kurz die Beweggründe für eine Dauervisum schildern, das war’s. Der Strom der notwendigen Ersatzteile wird auch dünner – die Fuchs-Familie hat via Berlin ihren Teil beigesteuert, vielen Dank! Zweimal haben uns deutsche Firmen lustige Pakete über UPS geschickt – lustig, weil UPS Trinidad an „yachts in transit“ nicht direkt ausliefert. Dann kommt es, dass die Schipperin den Bus in die Stadt nimmt (knappe Stunde), um dort den Bus aus der Stadt zu nehmen (knappe Stunde zum Zoll am Flughafen Piarco), und dort muss sie sich Frage stellen: „… was machen Sie denn hier? UPS sollte das nach Chaguaramas liefern!“. Na gut, sie geben einem nach etwas Hin und Her das Päckchen mit der Dieselpumpe trotzdem, und dazu 2 Stunden Zeit, um Chaguaramas wieder zu erreichen und mit dem ausgelieferten Päckchen beim hiesigen Zoll vorstellig zu werden. Kennen wir schon von 2009 vorzugsweise mit Postpaketsendungen, und es hat sich nicht geändert, nur, dass die 2 Stunden mit Öffis nicht ganz reichen. Beim zweiten Paket – Übung macht die Meisterin – haben sie schon nicht mehr gefragt, als sie meiner ansichtig wurden, es war auch kein Ganztagesausflug mehr, und ich konnte die Vorführfrist auf 3 Stunden erweitern. Nur, dass jemand mit dem Bus kommt… ts, ts, ts. Komische Typen, diese Yachties!
Das letzte Päckchen war der Abgasbogen, den es bei Baguhn in Hamburg noch am Lager gibt, hurrah. Eigentlich eine „man weiß ja nie“-Bestellung, schließlich hatte man den Eigner schon bei Abreise aus Arnis gewarnt, dass Motorersatzteile nicht mehr lange verfügbar sein könnten. Das ist das grüne Ding aus dem vorletzten Blogbeitrag, liebevoll vom Eigner mit Farbe auf „wie neu“ gepinselt, was auf das o.a. Stichwort „dünner werden“ zurückführt. Nachdem der neue angekommen war, traut sich der Bordtechniker endlich, den alten Abgasbogen mal mit einem wirklich scharfen Blick zu bedenken, und auch mit einem Schraubendreher anzuklopfen. Was für eine lustige Überraschung – was Schlauchschellen und Farbschichten alles so zusammenhalten können! Toll!
Noch was? Neue Solarpanele haben wir an der Reling. Wir suchen immer noch nach dem Zufluss von Deckswasser an den Püttings entlang ins Schapp für DVDs und Sachbücher. Spannend. Die neuen Sonnensegel sind im Bau – mit den ebenfalls montierten Batterien kam endlich der Stoff. Und die Erkenntnis, dass die Schifferin nicht den Neubau des Besandecksegels eingerechnet hatte – das Gute daran ist, dass wir, um das Stoffdefizit zu decken, eZone für uns entdeckt haben: wir haben jetzt eine Lieferadresse in Miami (wahlweise auch in Kanada und London!), die uns karibikweit alles schickt, was wir brauchen, und das auch noch hurtig und preisgünstig: die Stoffnachlieferung aus den USA war innerhalb 4 Tagen bei uns. Ohne Umweg über den Flughafen – eine wirkliche Empfehlung für alle Karibiksegler.
Ach ja. Next stop: India! Wir haben das Divalifest besucht – an einem äußerst regnerischen traurigen Mittwoch, es herrschte wirklich katastrophales, erdrutschiges Wetter. Was „so là là “ begann, entwickelte sich zu einem zu Herzen gehenden Lichterfest.
Als die Dunkelheit sich über den Stadtteil Felicity legte und der Regen aufhörte, wurden kleine Öllämpchen auf die Mauern gestellt, auf die Innenhöfe, auf die Balkone. Eines. Zehn. Hunderte? Tausende! Sofern sie nicht schon durch LED-Lämpchen ersetzt wurde, nicht unbedingt der Feinstaubrate zuträgliche Beleuchtungsmethode (in Indischen Ballungsgebieten ist die Diskussion um Öllampen in vollem Schwunge!), aber schön und sehr ernst gemeint fröhlich . Als Zuschauer kriegen wir Süßigkeiten in die Hand gedrückt. „Happy Divali!“.
Der Tag an dem das Gute über das Böse siegt.
Es ist Licht am Ende des Bastel-Tunnels…
Wat isses schön mal wieder etwas von Euch zu lesen. Wir haben uns inzwischen auf den Weg in die Westsahara aufgemacht. Es wurde kalt in D und die letztens mitgebrachten Fischfilets waren auch alle. Also Gründe genug um in den Süden zu fahren.
Bis denne
Danke, danke!
Ich hatte schon gelesen, dass Ihr schon In Portugal seid. Sagt ma – war nicht neulich erst 24-Stunden-Rennen? Das Jahr macht einfach nicht halt…
Gute Reise!