Prickly Bay/Grenada, 7.12.2017
Es gab mal eine schöne Kolumne in einem der großen, englischen Yachtmagazine, da durften Segler mehr oder weniger anonym ihre kleinen Sünden schildern, betitelt „The Confessional“. Der Bekenner. All die peinlichen Hafenmanöver, die kleinen Fehler mit den großen Folgen. Immer sehr amüsant zu lesen. Und „amüsant“, das können wir auch!
Zum Beispiel… der Dinghymotor. Siehe letzter Blogbeitrag. Die Geschichte entspann sich ja gegen Feierabend, als das Tageslicht schon der Dämmerung wich. Die Schipperin macht ein langes Ärmchen und checkt alles, was geht, Benzinhahn, Chokehebel… pliert auch in die Tanköffnung: o.k., es schwappt. Während unserer Stottertour zum Strand legt der Eigner sich dann schon mal eine Meckertirade für den Außenbordmechaniker zurecht, denn morgen, ja morgen präsentieren wir ihm den invaliden Patienten. Von wegen „kerngesund“! In der Frühe ist es so weit, es hat sich nichts geändert. „Sag‘ mal, es hat zwar geschwappt…“ Wir sind uns einig: „… ja,. ich habe es auch gesehen, Benzin ist drin!“ Aber man kann ja mal vorsichtig die Motorhaube abnehmen. Stimmt. Ausreichend Benzin ist da. Wenn die beiden Fahrgäste auf einer Seite des Dinghys sitzen und der mickrige Kraftstoffrest an einer Stelle zusammenläuft. Wie wunderschön peinlich wäre der geplante Auftritt geraten. Jihaa!
Am Montag dann Ausklariertag. Immigration zuerst – wir blicken sogleich ins ernste Gesicht „unserer“ Dienstverweigerin in Scarborough (Zitat: „you are causing me unnecessary work!“). Ha, sagt sie, die Leute, die im Juni ohne Sign-out losgefahren sind. Also gibt es ein bisschen Geschwätz mehr hinter den Glasscheiben, aber man lässt uns schließlch in Frieden ziehen. Unsere 6 Monate sind um, wahrscheinlich ist man froh, uns loszuwerden. Dann Zoll. Easy. „Wann wollt Ihr fahren?!“ Morgen um 6, first light, first thing. Nee, dann müsst Ihr um 05:30 wiederkommen. Ach ja? Dann fahren wir halt jetzt! Bumm, Stempel, Abfahrt 16:00.
Es wird dann doch der Dienstag um 8, aber das muss der Zoll ja nicht wissen; dagegen darf der Leser wissen, dass solch eine Übertretung der Schipperin nie recht ist, und sie daher zur Frühstückszeit, während der Eigner noch ausgiebig eZeitung liest, ostentativ Abreisevorbereitungen trifft. Szenen einer Bootsehe. Aber dann flutschen wir bald durch die Monopassage und biegen nach Osten ab: das Seegebiet nördlich von Trinidad ist wegen der Nähe zu Venezuela ein bisschen, nun ja: unsicher? Lustige Fischersleut, die in der Gegend um die Hibiscus- und Poinsettia-Gasfelder nach Tunfisch Ausschau halten, gucken auch gern mal nach weißen Segeln am Horizont, und ändern darauf spontan ihre Fangpläne. Elektronik, Cash, da schwimmt eben doch einiges von Wert auf dem Wasser. Die letzten erfolgreichen Ereignisse dieser Art liegen zwar 2 Jahre zurück, aber weitere Versuche hat es wohl gegeben – mittlerweile schienen auch Trinis die prima Idee kopiert zu haben! -, also: Vorsicht. Als Maßnahme bieten sich an: einen weiten Bogen Richtung Tobago schlagen (was heißt, gegen den Wind zu segeln), vorzugsweise bei unsichtigem Wetter oder nachts unbeleuchtet zu fahren, Radar haben die Jungs in ihren schnellen, übermotorisierten Kisten nämlich nicht. Meine Methode der Wahl. Unsichtig war es am Dienstagmorgen nicht gerade und Nacht schon gar nicht, denn der Eigner vertritt mehr den Standpunkt: „… ach, ich sehe lieber, wenn da jemand kommt!“ So schleichen wir unter der Nordküste von Trinidad entlang, der Wind schwach, es läuft auf Motoren hinaus. Wir buchen es unter „Wassermacherfahrt“, zu irgendetwas muss das Gerappel gut sein. In der Bucht von Las Cuevas machen wir Mittagspause, das sind ungefähr 25 Meilen nach Osten, von hier können wir hart am Wind noch leicht nord-nordöstlich kurven, um einen „ungefährlichen“ Wegpunkt 12 Meilen östlich der bösen Buben anzusteuern. Schön, den Anker fallen zu lassen, im freien Wasser ein Mittagssüppchen zu bereiten und ein bisschen vorzuschlafen, denn mein Taktikpart steht nun an: unbeleuchtet in der Nacht fahren. So gut es geht – bei Vollmond. Um 21 Uhr geht es los, es ist ausreichend Schiffsverkehr, was ein sicher trügerisches Sicherheitsgefühl erzeugt, aber im Endeffekt… wir sind zeitlich und räumlich ziemlich weit weg vom Hotspot. Trotzdem glotzt man sich die Augen aus. Die zweite Wache ist meine, alles prima. Als wir den Wegpunkt erreicht haben, und ich den Kurs direkt auf Grenada wechsele, weicht die Spannung, ich merk’s. Was für ein hirnverbrannter Blödsinn – mit der weichenden Spannung merke ich, wie der Magen weich wird. Oh nein, der will die Kürbissuppe loswerden, na so was. Ich habe noch nie gern gegenan gebolzt, so auch hier, aber dieser Fall von Seekrankheit ist voll „psycho“. Nachdem die Suppe raus ist, und der Eigner mich freundlicherweise eine Stunde früher ablöst, ist alles wieder gut. Wie sagt ein trini-ansässiger Segler? „Ich bin da hundertmal gefahren – noch nie was passiert!“. Und dafür opfere ich die schöne Suppe.
Am späten Vormittag kommen die Berge von Grenada in Sicht, und… uff. Was ist das denn? Hunderte von Masten. in der Prickly Bay, in der Hartmann’s Bay, und hinter Hog Island kann man Clarks Court ahnen. Nee, ne? Wir gucken uns an. Gleich weiter nach St. Georges? Ach, lass‘ uns mal gucken – und siehe da, nach dem ersten Schreck finden wir ein Plätzchen, um den Anker fallen zu lassen. Letzte Reihe, wenn man zum Heck rausguckt, schaut es sogar einsam aus. Und für „Show“ ist gesorgt, denn links neben uns liegt ein Amerikaner, der für sein Dinghy einen elektrischen Lift benutzt – er fährt drüber, Knöpfchen gedrückt und schon entschwindet
das Dinghy samt seiner huldvoll winkenden Besatzung nach oben. Der Eigner, seit vorgestern der Altersgruppe der 72-jährigen angehörig, ist begeistert: „… ein Treppenlift zur See!“ Gibt es dann zum nächsten Geburtstag. Ach, übrigens… man kann es hier aushalten. Der Fülle-Schock hat sich schon gelegt.