Hätte, hätte… Lichterkette!

Sonnenaufgang am Alligator River

Beaufort NC, 22.12.2021

Das war ein sehr netter Weg hierher – schon das Gefühl nach so langer Zeit die Leinen zu lösen ist wunderbar.

Das „Lösen“ war ein klein wenig komplizierter als gedacht, denn am Tag, an dem uns unser Autoverkäufer Tim Tillage den Saturn wieder abnimmt (win-win auf allen Seiten, quasi 100 Dollar Leihwagengebühr pro Monat…), trifft den Eigner der Hexenschuss, und gleich so massiv, dass wir ihn für ein paar Stunden im Marinabüro unterbringen. Soforttherapie nach dem ersten Schreck: die „dogtor’s round“ (kleiner Wortscherz, die doctor*s round ist die deutsche „Visite“). Die Marinahunde wundern sich ein bisschen, dass ihr Sofa besetzt ist, kümmern sich aber gern um den Patienten.

 

Bisschen kalt ist es ja auf der Chesapeake Bay, als wir am 12.12. endlich loskommen. Norfolk sonnig, nur ein weiteres Boot auf unserem klassischen Ankerplatz vor dem Hospital Point – aber des Morgens dann feuchte Stellen, wo die Bordwände kaum isoliert sind. Bisschen kalt?  Saukalt. Nahe dem Nullpunkt, und das ohne Heizung, absolut pfui. Dresscode Long Johns, Funktionsunterhemd (ein Ganz-Wochenhemd!), Fleece oben und unten, Ölzeugjacke – und kurze Zeit später werden die ersten Schichten schon abgeworfen, Klärchen strahlt vom Himmel, und wird das die ganze Woche tun.

Kühl!

Nächster Morgen: Rauhreif auf dem Steg. Siehe oben – das Bekleidungsritual wird zur Routine. Alligator Bridge – immer klasse, der Brückenwärter dort ist gut drauf, hält den Autoverkehr für uns an, ruft noch etwas Freundliches hinter uns her, wir werfen zurück; ist ja auch langweilig dieser Tage, ein oder zwei Yachten, ein oder zwei Schuten. „I am here to serve! – …at least that’s what my wife says!“ ist der Abschiedsschnack.
Es ist wirklich null Verkehr auf dem Intracoastal Waterway und doch… einen ganz großen Hit gibt es: Ankerplatz am

Aber so was von kühl!

Alligator River, nicht mehr lange hin bis zum Sonnenuntergang. „Komm mal hoch – sagt Dir der Name „Walkabout“ was?“  Unmöglich! Meine persönlichen Helden aus Norderney in der Vorbeifahrt. Thomas und Frauke sind auf dem Weg zum Dismal Swamp, die können noch bis zum Sonnenuntergang tuckern. Meine Bewunderung für die beiden ist zwischen Kap Horn, den großen nordamerikanischen Trails und dem Fernwanderweg Te Araroa in Neuseeland angesiedelt. Wir schnacken kurz über Funk – Walkabouts sind gerade nach 4.000 Meilen von Teneriffa in North Carolina eingetroffen, scharren aber schon wieder mit den Wanderhufen. Der Florida Trail soll es sein, 1.500 km Wanderspaß. Wer gucken will: Wir segeln und wandern durch die Welt

Einen Traditionsstopp und ein paar frische Shrimps von RE Mayo  später trudeln wir in Beaufort ein, das war wirklich eine schöne Woche. Aber kühl ist es schon – wir müssen weiter. Da wir kein Cruising Permit mehr haben, müssen wir in jedem Hafen, in dem wir uns länger aufhalten, einklarieren. Fahrt zum CBP – sehr witzig… „… ach, ich bin nur der Landwirtschaftsbeauftragte, der Officer, der die Clearance macht, kommt Montag wieder!“  Na gut, Montag dann. Ich weiß schon gar nicht mehr, ob am Wochenende ein Wetterfenster nach Süden verstrichen ist, aber der Schnack des Tages schon bei unserer Ankunft war „… eigentlich hätten wir gleich nach Charleston durchsegeln sollen, das sieht nicht gut aus die nächsten Tage!“ Womit wir zum Titel dieses Blogeintrages kommen. Hätte, hätte… Noch gucken wir verstohlen auf Wetterprognosen – die Strecke vor der US-Ostküste ist selbst hier unten nicht ganz so einfach, Golfstrom und Nordwinde vertragen sich nicht, dafür fließt häufig ein nicht ganz zuverlässiger Gegenstrom, der einen nach Süden trägt, aber dann darf es eben auch nicht aus Süden wehen. Wenn es aus West weht, weht es uns hier auf die Nase, aus Ost wäre es fiese Welle – beides nicht die Spezialdisziplin der Schipperin, die es gern ruhig hat. Was also jetzt?  Hätte, hätte… Lichterkette in Beaufort? Haben wir Lust auf heizungsfreies Ankern in Wrightsville Beach mit ungwissem Warten auf weitere Wetterfensterchen?  So richtig weit tut sich keines auf, ohne Mühen schaffen wir es gerade nicht bis Charleston oder Georgetown. Tony Frost, seines Zeichens Chef von Homer Smith, wo wir uns den Strom für das Heizlüfterchen kaufen, meint: „… bleibt so lange Ihr müsst“ Nicht der schlechteste Platz für „Lichterkette“.
In diesem Sinne: fröhliche Weihnachten!

Helden der Arbeit

Man at work

Deltaville, 6.12.2021

… frau könnte das xte Bild einfügen, auf dem ein Eigner bäuchlings im Motorraum liegt, aber die Turbosache ging so turbomäßig über die Bühne, dass zum Fotografieren einfach keine Zeit blieb.

Ihr wisst: zwei Tage vor Thanksgiving geht der Turbo fest. O.k. – wann der genau festgegangen ist, wissen wir nicht, aber da haben wir es gemerkt. Die Gedanken rasen. Wie kommen wir hier weg, was sind die Alternativen? Aufarbeiten? Neueinbau?  Eine kleine Runde im „Dorf“ erbringt nur, dass es wenig Hilfe geben wird, man ist „fully booked until February“. Ersatz kaufen?  Wo? Wie heißt das Teil? Nummer suchen. Das ist easy, denn warum schleppen wir die Schiffsdokumentation in 5 Ordnern seit so vielen Jahren durch die Welt  (moderne Schiffe haben sowas natürlich digital…). Internetsuche – wer hat’s, wer liefert sofort? Der Lieferant mit dem günstigsten Preis stellt sich als eBay-Händler heraus, der einen gebrauchten Turbo vertickt, und dazu in Rotterdam. Oder Volvo Penta USA und seine Kumpane? „Can be ordered daily from Volvo Penta“ steht da, das klingt wenig zügig. Mit all den „backorder“-Nachrichten der letzten Wochen und Monate im Hinterkopf reisen die Gedanken schon bald nach Hamburg. Carl Baguhn hat uns, als wir in Trinidad waren, schon mal gut bedient. Wir suchen noch ein bisschen drumherum, aber es ist wirklich eilig – für diesen Mittwoch ist in der Gegend erstmalig Schnee angesagt, wir sollten in die Hufe kommen. Für die Quelle spricht außerdem, dass der Eigner eigentlich alles, was im Umfeld benötigt wird – Dichtungen, Bolzen – ohne viel Diskussion und Rückfragen mitbestellen kann, und Versand ins Ausland ist den Baguhns kein Fremdwort (im Gegensatz zum deutlich günstigeren Händler in MeckPomm). Also: Baguhn.

Mi., 24.11. (unser Abfahrtstag) – eMail Anfrage, Antwort mit Angebot kommt umgehend „Vorkasse. Lieferung nach Geldeingang, 7-9 Tage“. Nun ja, vielleicht geht es ja auch schneller. Gut. Bestellung, Bezahlung.
Do, 25.11.  – Mail von Baguhn: „…das ging ja fix. Geld ist eingegangen. Zoll ist erledigt! Trackingnummer bekommen Sie morgen!“  Tätärätätää!
Fr., 26.11. – keine Trackingnummer. Hm…  Irgendwas faul?
Mo., 29.11. – noch nicht aus der Koje gefallen ein Anruf bei Baguhn (danke, Microsoft, danke Skype!) „—uh, habe ich das vergessen?  Kommt gleich!“ Kommt dann auch. Allerdings: Paketabholung am Montag um 15:29. Immerhin, und um 23:00 ist das Ding schon in Köln. Die Sendung lebt!  Wir geben ihr eine Woche. Oder bis zum Freitag?
Di., 30.11. – die neugierige Schipperin gibt – siehe oben, in der Koje – die Trackingnummer ins Telefon ein. Köln? Sonstwo in Europa? What?  Das Paket ist in Philadelphia, wir sind platt.  Der Vormittag vergeht mit ein paar Telefonaten mit UPS, damit die die Verzollung anschieben können, zu Mittag dann „Ihr Sendungsstatus wurde geändert – das Paket ist unterwegs“.
Mi. 1.12. – 12:00: der Turbo liegt in der Fishing Bay Marina im Büro. Zollfrei – wir sind ja „Yacht in Transit“. Gesamturteil: Turbo.
Donnerstag und Freitag gehen mit dem Zusammenschrauben dahin – und nicht nur ich bin Meisterin im Auftrennen, auch der Chief Engineer muss gelegentlich doppelte Arbeit leisten; die Ein- und Auslässe gucken ein bisschen in die falsche Richtung, aber nur ein bisschen. Die Betrübnis währt allerdings nicht lang.

Dafür ist meine Betrübnis umso größer, denn der Kerl mit dem Turbo hat die Dinghycoverflickschneiderin links überholt. Der Motorprobelauf findet am Samstagabend statt.

Die Medaille „Held der Arbeit“ erhalten heute:
– David Kläring von Carl Baguhn GmbH, Hamburg – danke, danke!
– United Parcel Service als Organisation für turboartigen Transport
– Andreas Haensch (76!), Chief auf Akka (und „der Chef“ sowieso)  dafür, dass er sich nicht entmutigen lässt, schlaflose Nächte wegsteckt und dann einen Turbo mit links aus- und wieder einbaut. Danke, danke, danke, danke!

Leider geht die Schipperin bei der Medaillenvergabe leer aus. Wenig heldenhaft, die Fortschritte am Dinghycover. An den damit einhergehenden Entmutigungsattacken ist zu arbeiten, sagt das Medaillenkommitee.

PS: es fügen sich auch sonst noch andere Steinchen zum Mosaik!  Vor drei Tagen bekamen wir Nachricht, dass unser Antrag auf Visaverlängerung eingegangen sei, das ist gleichbedeutend mit „geduldet“ sein, bis sich CBP bzw. der USCIS (US Citizenship and Immigration Services) eines Besseren besinnt.
Manche Steinchen brauchen allerdings ihre Zeit: die im letzten Beitrag erwähnte Apostille ist seit 11.11. auf dem eingeschriebenen Postweg nach Deutschland. Als ich nach 7 Tagen etwas unruhig werde (Eigner: „… ich muss das aber nicht nochmal machen, oder?“) ordere ich Sendungsupdates. Die kommen auch, tröpfchenweise und eher kryptisch. „USPS RF … … … in transit to next facility“. Wochenlang, bis auf ein besonders nettes „… arrived in facility Jamaica…“ – erst beim zweiten Lesen fällt auf, dass die Postverteilstelle in New York so heißt. Aber: am 3.12. endlich „processed in facitlity in Germany“. Na bitte. Louis deJoy (aka Louis Destroy, der famose US-Postdienstvernichter mit haufenweisen Anteilen an privaten Konkurrenzdiensten) hat in seiner Funktion als General Postmaster schon mal ganze Arbeit geleistet. Jetzt kommt es drauf an, wer in Deutschland Postminister wird!